Weiter Debatte über Abschiebungen nach Afghanistan

Nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Afghanistan wird in Österreich weiter über Abschiebungen in das Land debattiert.

Nachdem Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) gestern in der ZIB2 gesagt hatte, dass sich das Thema nun erledigt habe, meldeten sich unter anderem der Tiroler Klubobmann Gebi Mair und die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, auf Twitter mit moralischen Appellen zu Wort.

„Wer jetzt noch findet, man soll Menschen nach Afghanistan abschieben, statt sie von dort zu retten, dem fehlt es entweder an Herz oder Hirn oder beidem“, so Mair. Den Koalitionspartner ÖVP und Innenminister Karl Nehammer nannte er allerdings nicht explizit.

Ernst-Dziedzic schrieb wiederum: „Alle, die jetzt nicht über akute Hilfe und Versorgung für die Fliehenden, sondern über Abschiebung reden – schämt Euch einfach.“

ÖVP-Warnungen vor Fluchtbewegung

Ein Einlenken der ÖVP war auch nach den Appellen vorerst nicht in Sicht. Stattdessen warnte Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer in der „Kronen Zeitung“ (Montag-Ausgabe) und einer Aussendung vor dem EU-Innenminister-Gipfel am Mittwoch vor einer neuen Flüchtlingswelle wie im Jahr 2015.

„Die Europäische Union darf sich von Migrationsströmen nicht wieder überraschen und überrollen lassen!“ Stelzer wünscht sich einen stärkeren Schutz der EU-Außengrenzen, mehr Polizei „im Hinterland“ und eine gleichmäßigere Flüchtlingsverteilung innerhalb der EU.

Oberösterreichs Landeshauptmannstellvertreter und FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner kritisierte die Bundesregierung, „allen voran Innenminister Karl Nehammer“ für ihre „Zwischenrufe vom politischen Katzentisch aus“ zur Weltpolitik. „Diese Hybris gibt uns international der Lächerlichkeit preis“, befand er in einer Aussendung.

Diakonie fordert „mehr Realitätssinn“

Einen anderen Ton schlugen erwartungsgemäß die Hilfsorganisationen an. Diakonie-Asylexperte Christoph Riedl forderte gegenüber dem evangelischen Pressedienst (epd) von der Regierung „mehr Realitätssinn“ ein. „Statt sich zu überlegen, wie man möglichst vielen Menschen helfen kann, überlegt man weiterhin, wie man Menschen nach Afghanistan abschieben kann, was völlig absurd ist.“

Auch Caritas-Präsident Michael Landau appellierte ein weiteres Mal: „Die erneute Machtübernahme der Taliban in Afghanistan duldet kein Verdrängen und kein Aufschieben mehr.“ Auch die Nachbarländer brauchten jetzt Unterstützung. „Wir dürfen diese Länder nicht alleine lassen, Europa darf sich nicht länger aus der Verantwortung stehlen“, so Landau.

SPÖ beruft Rat für Integrationspolitik ein

Aktiv in der Frage wurde am Nachmittag auch die SPÖ. Parteichefin Pamela Rendi-Wagner berief eine Sitzung des Rates für Fragen der österreichischen Integrations- und Außenpolitik (RIA) ein, der den Außenminister in derartigen Belangen berät und sich aus Vertretern der Regierung sowie der Parlamentsparteien zusammensetzt. Die EU müsse sichere Zonen in der Region schaffen, forderte Rendi-Wagner.

Nehammer selbst kündigte vor dem Sonderrat der EU-Innenminister an, Abschiebezentren um Afghanistan vorzuschlagen.