Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) im ORF-Sommergespräch
ORF/Roman Zach-Kiesling
Kogler bei „Sommergesprächen“

„Keine Abschiebungen nach Afghanistan“

Mit Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler sind am Montag die ORF-„Sommergespräche“ fortgesetzt worden. Auf der stark verregneten „Libelle“ auf dem Dach des Leopold Museums im Wiener Museumsquartier wurde der Themenbogen weit gespannt: Gesprochen wurde etwa über Klimapolitik, Pandemiemanagement, das Verhältnis zum Koalitionspartner ÖVP. Auch zur emotionalen Debatte über Abschiebungen in das von den Taliban eroberte Afghanistan nahm er Stellung.

Es werde faktisch und auch aus rechtlichen Gründen keine Abschiebungen nach Afghanistan geben, und das sei gut so, sagte Kogler. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an die Europäische Menschenrechtskonvention, die ein Verbringen in Staaten, wo Folter oder Gefahr für Leib und Leben drohe, verbiete.

„Das weiß die ganze Bundesregierung, und das wird so sein“, so der Vizekanzler angesprochen auf die Haltung von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), der zuletzt betonte, dass, solange es möglich sei, weiter nach Afghanistan abgeschoben werde. Kogler wurde gefragt, wieso die Bundesregierung – insbesondere die ÖVP-Seite bzw. das ÖVP-geführte Innenministerium nicht klar sage, dass nicht abgeschoben werde?

Kogler zu Abschiebungen nach Afghanistan

Die Haltung Nehammers in Asylfragen habe schon in der Vergangenheit zu Kontroversen mit dem Koalitionspartner geführt, so Kogler – dass es kein Bekenntnis gegen Abschiebungen gebe, sei „ja auch irritierend“ gewesen. Zwar sehe er das „sehr problematisch, aber wichtig ist, was jetzt am Ende als Ergebnis steht, und das Ergebnis ist: Es wird nicht abgeschoben“, sagte der Grünen-Chef.

„Wir regieren nicht allein“

Die Frage, ob man Afghanen aufnehmen sollte, beantwortete Kogler nicht direkt – nur so viel: Man müsse Unterstützung anbieten, etwa wenn es um den Schutz von Frauen gehe. Ob und wie Österreich hier aktiv werden könnte, darauf wollte sich Kogler auf Nachfrage nicht festlegen („Ich kann Ihnen das genau noch nicht versprechen, weil wir ja nicht allein regieren“). Es würden auch weiter Asylanträge afghanischer Bürger angenommen. Mehrfach betonte er, dass Hilfe an Ort und Stelle nötig sei – etwa mit Mitteln aus dem Auslandskatastrophenfonds.

Vizekanzler über Aufnahme von Flüchtlingen

Es folgte thematisch eine Ergründung der Vergangenheit Koglers: Ob er in der Politik die Rolle des Regisseurs übernommen habe, wie zu Schulzeiten im Fußball? „Man müsse zuversichtlich nach vorwärts spielen und kampfeslustig sein“, sagte der Vizekanzler. Auch würde er sich als Teamplayer beschreiben. Die Grünen würden sehr lösungsorientiert ausgerichtet sein, Gegner müsse man „überdribbeln“. „Politik ist das Bohren harter Bretter“, so Kogler. „Radikal in den Visionen, real in der Umsetzung“, das zeichne die Grünen aus („Hauptsache, es geht was weiter“).

Werner Kogler im Porträt

„Eine Art ÖVP-Versteher?“

Ob er „eine Art ÖVP-Versteher“ geworden sei? In der Oststeiermark habe er da viel erlebt, erzählte Kogler aus vergangenen Tagen – da habe es 60- oder 70-Prozent-ÖVP-Mehrheiten gegeben. Angesprochen auf die türkise ÖVP sagte er, dass es hier schon einen Unterschied zur „alten“ ÖVP gebe. Die neue ÖVP habe große Wahlerfolge erzielt, auch die Grünen seien Wahlsieger gewesen – daraus, und auch nach „Ibiza“, habe sich dann die türkis-grüne Koalition ergeben.

„Unterschiede genug“

Man „habe Unterschiede genug“, dennoch über weite Strecken eine gute Gesprächsbasis, die Arbeitsbasis sei sehr respektvoll. Kogler wies zurück, dass die Grünen ihre Handschrift beim Thema Migration hätten aufgeben müssen. Man habe zuletzt viel mehr humanitäre Aufenthaltstitel vergeben und etwa für Syrien die Mittel vervielfacht. „Glauben Sie, das wäre so, wenn der Kickl (Herbert, Ex-FPÖ-Innenminister, Anm.) noch herumfuhrwerken würde? Ich meine: Nein“, so Kogler.

Er verstehe zwar, dass einige Anhängerinnen und Anhänger der Grünen in manchen Fällen irritiert seien, gleichzeitig erlebe die Partei auch gleichermaßen Zustimmung. Zur Amtsfähigkeit von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), sollte wegen dessen Aussagen vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss Anklage erhoben werden, wollte er sich weiterhin nicht äußern, denn das hänge vom konkreten Strafantrag ab. Bei einem verurteilten Kanzler sehe er sie jedenfalls nicht gegeben, bekräftigte Kogler.

Verständnis für Kritik aus den eigenen Reihen

CO2-Bepreisung: „Einigung im Herbst“

Zum Klimaschutz sagte Kogler, man wolle von den letzten Plätzen im europäischen Klimaschutz zu den vorderen gelangen. „Steinzeit hin oder her“, so Kogler, angesprochen auf den bekannten Sager von Kanzler Kurz. Zur CO2-Bepreisung sagte Kogler, dass die Konzepte seit 30 Jahren fertig seien, nun würden sie nachgeschärft. Die Bepreisung könne durch Steuern geschehen, das sei aber noch offen. „Die Gespräche laufen, eine Einigung wird es im Herbst geben müssen“, so Kogler.

Klimaschutz: Nötige Veränderungen und Steuerreform

Auch die Pandemie war freilich Thema, da seien gewiss auch Fehler passiert, gestand Kogler ein. Generell habe das Krisenmanagement „ganz gut funktioniert“. Zur Diskussion, nur über Ungeimpfte einen Lockdown zu verhängen: „Da sind wir glaub ich nicht“, so Kogler. Eine Überlastung der Spitäler sei nicht abzusehen, wenn es so kommen sollte, werde man das noch sehen und reagieren. Dennoch: man habe noch immer zu viele Ungeimpfte – Kogler appellierte, sich impfen zu lassen: „Bitte, tun Sie das.“

„Inneres Feuer“

Auch Ex-Gesundheitsminister Rudi Anschober war Thema: Ob er, Kogler, auch einmal das Gefühl gehabt habe, dass es nicht mehr geht? „Das hab ich nicht“, aber für ihn sei etwas anderes ausschlaggebend: Ob es nämlich „das innere Feuer“ gebe, „etwas weiterzubringen“. Zu Notengebungen bzw. Medaillen hinsichtlich der Regierungsarbeit wollte er sich nicht hinreißen lassen – das unterscheide ihn auch vom Kanzler („Das hält er aus, das besprechen wir öfter“).

„Kogler war Frage unangenehm“

In einer Analyse des „Sommergesprächs“ sagte Veronika Dolna von der „Kleinen Zeitung“, die Frage nach Aufnahmen aus Afghanistan sei Kogler „unangenehm“ gewesen. Hier sei er in einem „klaren Dilemma“. Politologe Peter Filzmaier sagte, dass Koglers Botschaft geheißen habe: „Unter Türkis-Blau war alles viel schlimmer.“ Hier lege sich der Grünen-Chef die Latte sehr niedrig, so Filzmaier. Am Ende sei es so: Bei der Spielwiese der anderen werde „die Klappe gehalten“, meinte der Experte.

Analyse des ORF-„Sommergesprächs“ mit Werner Kogler

Differenzen bei Migration, Klima und Justiz belasten das Verhältnis zum Koalitionspartner ÖVP. Das Gespräch mit Vizekanzler Werner Kogler (Die Grünen) analysieren Peter Filzmaier (Politikwissenschaftler) und Veronika Dolna („Kleine Zeitung“).

Bei der Frage nach etwaigen Konsequenzen bei einer möglichen Kurz-Anklage habe Kogler „herumgeeiert, vielleicht auf sprachlich höherem Niveau“, so Filzmaier. Es habe kein klares Bekenntnis zur roten Linie gegeben. Kogler habe sich vor einer klaren Antwort gedrückt. Dolna sagte, für viele im Grünen Klub sei der von Kogler gebrauchte Begriff „Regierungsfähigkeit“ wohl auch zu schwammig.