Junge Frau spielt in Orchester Streichinstrument
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Künstlerdebatte

Faire Gagen statt brotloser Kunst

Vergangenes Wochenende haben niedrige Musikerinnen- und Musikergagen bei einem Festakt im Burgenland für Aufregung gesorgt. Das Problem geht aber tiefer, in allen Sparten leben viele österreichische Kunst- und Kulturschaffende von äußerst geringen Einkommen. Gabriele Gerbasits, Koordinatorin der Initiative „Fair Pay“ bei der Interessenvertretung IG Kultur, setzt im Gespräch mit ORF.at große Hoffnungen in Gespräche mit der Bundespolitik.

Professionelle Orchestermusiker, die einen Abend lang um 30 Euro spielen – diesen „beschämenden“ Umstand klagte Andreas Köck, Sänger der Band Cari Cari am vergangenen Samstag im Rahmen eines Festaktes zu „100 Jahre Burgenland“ auf Burg Schlaining an. Da half es wenig, dass Moderator Alfons Haider die Gagenhöhe zuerst in Abrede stellte, dann aber in weiterer Folge bestätigte und diese damit zu verteidigen versuchte, dass es sich bei den Musikerinnen und Musikern des Orchesters um Schüler in Ausbildung gehandelt habe.

Auf Facebook entschuldigte sich Haider inzwischen: „Einen Fehler einzugestehen ist nicht immer einfach, wenn man die Vorgeschichte zu diesem Fehler kennt. Aber ich finde es sehr wichtig, mich bei den jungen MusikerInnen zu entschuldigen, die sich durch meine Aussagen beleidigt oder missachtet fühlen. Das war in keiner Weise meine Intention.“ Er kenne das Problem ungleicher Entlohnung und werde das ausgleichende Handeln auch in seiner jetzigen Funktion als Generalintendant der burgenländischen Musiktheater vorantreiben, betonte Haider.

2021 ein schwieriges Jahr für Musiker

Bei Musikereinkommen denkt man in erster Linie gerne an die großen Stars, an Chartshits, Platinstatus und die kolportierten Jahreseinkommen von EDM-Djs, die sich irgendwo zwischen 30 und 50 Millionen Dollar hochschaukeln. Die Realität ist eine andere. Für die meisten Musiker machen Gagen für Konzerte einen großen Teil ihrer Einkommen aus, und das im langjährigen Trend auch in prozentuell immer größerem Umfang, weil Erlöse aus Streaming und Albumverkäufen immer weniger einbringen.

2021 könnte aufgrund der langen Lockdowns seit März 2020 auch noch aus einem anderen Grund für viele Musiker ein schwieriges Jahr werden: Komponisten und Textdichter von Musikstücken bekommen Tantiemen für die Verwendung ihrer Musik erst ein Jahr im Nachhinein ausbezahlt.

Wesentliche Einkommensverluste aus der Pandemiezeit werden sich also erst heuer zu Buche schlagen, und das bei einem Jahresdurchschnittseinkommen von 14.628 Euro. Die Zahl stammt von der österreichischen Gesellschaft für Musikwirtschaftsforschung und bezieht sich auf Deutschland per 1.1.2019, bildet aber einen guten Richtwert für heimische Verhältnisse.

Soziale Lage von Kulturschaffenden prekär

Ähnliche Verhältnisse herrschen nicht nur im Musikgeschäft, sondern sind seit Langem eine Grundbedingung von heimischer Kunst- und Kulturproduktion. Die letzte umfangreiche Studie zur Sozialen Lage der Kunstschaffenden in Österreich im Auftrag des Bundeskanzleramts erschien 2018.

Das Ergebnis war ernüchternd: Bei einem „deutlich höherem formalem Ausbildungsniveau“ im Vergleich zur Gesamtbevölkerung verdienten damals 50 Prozent der „Kunstschaffenden und Kunst- und Kulturvermittler/innen“ weniger als 5.000 Euro netto pro Jahr mit ihrer Tätigkeit. Das mittlere Einkommen aller Studienteilnehmer und Studienteilnehmerinnen bewegte sich je nach Sparte zwischen 3.500 Euro (Bildende Kunst) und 10.000 Euro (Film, Kunst- und Kulturvermittlung).

Perkussionist auf der Bühne
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Die Entscheidung für ein Leben als Künstler bedeutet in Österreich meist ein sehr geringes Einkommen

Frauen erzielen dabei um rund 25 Prozent geringere Einkommen als Männer. Insgesamt 70 Prozent der befragten Kunstschaffenden übten auch „kunstnahe und/oder kunstferne“ andere Tätigkeiten aus, konnten von ihrer künstlerischen Tätigkeit also nicht Leben.

Der österreichische Kulturrat fasste die gegenwärtige Situation in einer Aussendung im April wie folgt zusammen: „Die Einkommenssituation im Sektor Kunst/Kultur/Freie Medien ist großflächig geprägt von Unterbezahlung bis hin zur Selbstausbeutung. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse, nachteilige Verträge und unsichere Arbeitsbedingungen sind an der Tagesordnung.“

Gegensteuern mit Fair Pay?

Um diesen Verhältnissen gegenzusteuern, bräuchte es politische Vorgaben. Das aktuelle Regierungsprogramm sieht die „Entwicklung einer gemeinsamen Strategie von Bund, Ländern und Gemeinden zur Umsetzung der Kulturstrategie Fairpay vor.“ Der Punkt bezieht sich auf die Fair-Pay-Kampagne der Interessenvertretung IG Kultur. Diese hat zur Erstellung eines Gehaltsschemas und von Honorarrichtlinien geführt, die allen Beteiligten deutlich machen soll, wie hoch die Bezahlung ausfallen müsste, um einen durchschnittlichen Lebensstandard für Kunst- und Kulturschaffende zu gewährleisten.

Gerbasits, die 20 Jahre lang die IG Kultur leitete und jetzt für diese die Initiative Fair Pay koordiniert, erklärt im Gespräch mit ORF.at: „Im Arbeitsbereich unserer Mitglieder, der freien Kulturarbeit, gibt es eine Besonderheit in der Subventionspolitik. Wenn man Subventionen für ein Projekt beantragt, bekommt man immer weniger als die beantragte Summe. Fixkosten wie beispielsweise Miete lassen sich nicht reduzieren, also sparen die Mitglieder an ihren Gehältern und Honoraren. Im Gespräch mit unseren Mitgliedern haben wir festgestellt, dass sie oft gar nicht wissen, wie hoch eine faire Bezahlung für sie wäre, deshalb haben wir die Richtsätze entwickelt.“

Gabriele Gerbasits
Gabriele Gerbasits
Gabriele Gerbasits: „Im Gespräch mit unseren Mitgliedern haben wir festgestellt, dass sie oft gar nicht wissen, wie hoch eine faire Bezahlung für sie wäre.“

Dabei orientierte sich die IG Kultur an Empfehlungen der Gewerkschaft GPA für Vereine im Sozialbereich und korrigierte diese noch einmal etwas nach unten. Im Wesentlichen ging es darum, eine Gesprächsbasis herzustellen und Bewusstseinsbildung zu betreiben: „Wir haben für unsere Mitglieder eine Grundlage geschaffen. Selbst wenn aus Subventionsknappheit kein faires Gehalt oder keine faire Gage bezahlt werden kann, weiß man zumindest, ob man zum Beispiel zu 80 Prozent fair bezahlt wird.“

Staat lange Zeit „blind für den Wert der Arbeit“

Lange Zeit seien die staatlichen Subventionsgeber Bund, Länder und Gemeinden „blind für den Wert der Arbeit“ von Kunst und Kulturprojekten, gewesen, so Gerbasits. „Unsere Forderung ist natürlich, dass das Kunst- und Kulturbudget nachhaltig erhöht wird und in erster Linie einmal grundlegend erhoben wird, wie hoch eine Erhöhung ausfallen muss, um faire Gehälter und Honorare zu zahlen.“

Sie freue sich sehr, dass die Fair-Pay-Initiative inzwischen als Schlagwort ins Regierungsprogramm gefunden habe. Große Erwartungen setzt sie auf Gespräche mit dem Bundesministerium für Kunst, Kultur, Sport und öffentlichen Dienst, die schon seit einiger Zeit geführt werden. „Im Herbst soll eine Fair-Pay-Konferenz mit dem Ministerium stattfinden. In diesem Rahmen hoffen wir auf erste Ergebnisse im Fair-Pay-Prozess und Besserung der Arbeitsbedingungen“, so Gerbasits.