Angela Merkel und Vladimir Putin
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Besuch bei Putin

Merkel verabschiedet sich mit klaren Worten

An problematischen Themen hat es bei dem letzten offiziellen Besuch Angela Merkels in Russland nicht gemangelt. Deutschlands Kanzlerin forderte von Präsident Wladimir Putin etwa erneut die Freilassung von Kreml-Kritiker Alexej Nawalny – vergebens. Gemeinsam freute man sich immerhin, dass es gelungen sei, „Gesprächskanäle offen zu halten“.

Merkel warb am Freitag in Moskau für eine Fortsetzung des Dialogs mit Russland trotz der aktuell schwierigen Beziehungen. „Selbst wenn wir heute auch durchaus tiefgreifende Differenzen haben, so sprechen wir miteinander“, sagte Merkel am Beginn eines Treffens mit Präsident Putin. „Und das soll auch weiter so geschehen und die deutsch-russischen Beziehungen klassifizieren und qualifizieren.“

Insgesamt hätten sich in ihrer Amtszeit „die politischen Systeme von Deutschland und Russland noch einmal weiter auseinander entwickelt. Das heißt, dass wir auch viele kritische Fragen miteinander zu besprechen haben“, sagte Merkel. „Aber ich bin sehr froh, dass es trotz auch großer Differenzen immer gelungen ist, diesen Gesprächskanal offen zu halten.“ Merkel tritt bei der deutschen Bundestagswahl im September nach 16 Regierungsjahren nicht mehr an.

Kompliment aus dem Kreml

Putin sagte, Deutschland bleibe für Russland „einer der wichtigsten Partner in Europa und auf der ganzen Welt“ – nicht zuletzt dank Merkels Bemühungen als Bundeskanzlerin. „Sie zählt zu Recht zu den angesehensten Führungspersonen in Europa und international“, sagte er. Natürlich sei man sich nicht immer einig gewesen, aber „wir haben immer einen offenen und inhaltsreichen Dialog geführt. Wir waren immer auf der Suche nach einem Kompromiss.“ Deutschland sei einer der zentralen Partner für Russland. Auch in Zukunft werde man „sehr froh sein, die Bundeskanzlerin in Russland empfangen zu dürfen“.

Angela Merkel
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Merkel verlässt im Herbst nach 16 Jahren die politische Weltbühne

Kurz zuvor hatte die CDU-Politikerin einen Kranz am Grab des unbekannten Soldaten in Moskau niedergelegt. Merkel erinnerte daran, dass vor 80 Jahren Hitler-Deutschland die Sowjetunion überfallen hatte. Die Sowjetunion hatte im Zweiten Weltkrieg 27 Millionen Tote zu beklagen.

Konfliktpunkt Nawalny

Bei dem Treffen selbst verlangte Merkel von Putin erneut die Freilassung des Kreml-Kritikers Nawalny. „Aus unserer Perspektive ist die Verurteilung zum Aufenthalt in einer Strafkolonie auf der Grundlage eines früheren Urteils, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ja für offenkundig unverhältnismäßig klassifiziert hat, nicht akzeptabel“, sagte Merkel. Sie habe gegenüber Putin „noch einmal die Freilassung von Alexej Nawalny gefordert und auch deutlich gemacht, dass wir hier an der Sache dranbleiben werden“, ergänzte Merkel.

Putin verteidigte dagegen erneut das Vorgehen der russischen Justiz: „Ich möchte betonen, dass er nicht für seine politischen Handlungen verurteilt wurde, sondern er hat gewisse Regeln verletzt.“ Diese würden unter anderem auch für internationale Partner gelten. Was die russischen Gerichte und deren Entscheidungen anbelange – „bitte respektieren Sie diese“, sagte der Kreml-Chef. Alle Staatsbürger Russlands hätten das Recht, ihre Meinung kundzutun, auch zu politischen Fragen – aber nur im gesetzlichen Rahmen. „Russland hat seinen Bedarf an Revolution erschöpft.“

Der 45 Jahre alte Nawalny ist der schärfste Gegner des russischen Präsidenten. Er war vor genau einem Jahr am 20. August 2020 auf einem Flug von der sibirischen Stadt Tomsk nach Moskau ins Koma gefallen. Der Oppositionelle wurde zwei Tage später zur Behandlung in die Berliner Universitätsklinik Charite geflogen. Er traf dort auch Merkel. Sie hatte Moskau wiederholt aufgefordert, den Anschlag mit dem chemischen Kampfstoff der Nowitschok-Gruppe aufzuklären.

Angela Merkel und Vladimir Putin
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Anders als Merkel denkt Putin auch nach mehr als 20 Jahren an der Macht bisher nicht an einen Abschied aus dem Staatsamt

Putin warnt vor „Zusammenbruch“ Afghanistans

Weiteres Thema bei der Unterredung war die Eskalation in Afghanistan. Putin warnte dabei vor einem „Zusammenbruch“ des Landes, die internationale Gemeinschaft müsse das verhindern. Dem Westen warf er eine „unverantwortliche“ Afghanistan-Politik vor. Diese habe darauf abgezielt, dem Land von außen „fremde Werte“ aufzuzwingen, sagte Putin.

Es müsse damit aufgehört werden zu versuchen, „die Demokratie in anderen Ländern nach ausländischen Modellen aufzubauen“, ohne dabei die historischen Besonderheiten und Traditionen zu beachten. „Ich denke, das ist die Lehre aus Afghanistan“, sagte Putin. Es sei nun wichtig zu verhindern, dass „Terroristen“ aus Afghanistan in die Nachbarländer gelangen, etwa indem sie sich „als Flüchtlinge ausgeben“, sagte der russische Präsident.

Merkel sagte, sie habe deutlich gemacht, „dass es ein sehr frustrierender Moment ist zu erleben, dass die Taliban zurückgekehrt sind und das Land kontrollieren“. Nun müsse man versuchen, mit ihnen zu reden. Die Kanzlerin bekräftigte erneut, dass es dem Westen mit seinem Einsatz gelungen sei, die von Afghanistan ausgehende akute Terrorgefahr zu bannen. „Aber sie ist nicht dauerhaft gebannt.“ Alle weitergehenden Ziele seien jedoch nicht erreicht worden.

„Dicke Bretter zu bohren“ in der Ukraine

Weiters rief Putin Merkel dazu auf, bei ihrem Besuch in der Ukraine am Sonntag auf eine friedliche Lösung des Konflikts im Osten des Landes hinzuwirken. Unter Vermittlung Deutschlands und Frankreichs ist seit Längerem ein neuer Ukraine-Gipfel in Berlin geplant, der aber wegen fehlender Fortschritte in der Ostukraine auf sich warten lässt. Merkel warb dafür, am Minsker Gesprächsformat festzuhalten und es „nicht in einer Sackgasse enden zu lassen“.

Man solle „mit diesem Format pfleglich umgehen, solange wir nichts anderes haben. Aber der Fortschritt ist nicht so, wie ich mir das wünschen würde“, sagte sie. Sie habe mit Putin darüber gesprochen, dass man weitere hochrangige Treffen machen könne, wenn man zu einer Tagesordnung komme. Sie werde sich auch bei ihrem anstehenden Besuch in der Ukraine für eine solche Tagesordnung einsetzen. „Denn jeder kleine Fortschritt könnte wichtig sein. Aber das Brett, was wir zu bohren haben, ist sehr, sehr dick; und es gibt Enttäuschungen verschiedenster Art.“

Seit mehr als sieben Jahren kämpfen ukrainische Regierungstruppen in den Gebieten Donezk und Luhansk entlang der russischen Grenze gegen von Russland unterstützte Separatisten. UNO-Schätzungen zufolge wurden seitdem mehr als 13.000 Menschen getötet. Deutschland vermittelt in dem Konflikt. Ein Friedensplan liegt auf Eis.

Bau der Pipeline Nord Stream 2.
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„Nord Stream 2“ sorgt zusätzlich für böses Blut zwischen Russland und der Ukraine

Umstrittenen zwischen Russland und der Ukraine ist auch die fast fertiggestellte Ostsee-Pipeline „Nord Stream 2“. Deutschland setzt sich dafür ein, dass die Ukraine auch künftig als Transitland russisches Gas nach Europa leitet und dafür Gebühren kassiert. Bisher gilt der Vertrag Russlands mit der Ukraine bis 2024. Putin versicherte, dass der Vertrag erfüllt werde. Danach müsse neu entschieden werden.