DJ in einem Nachtclub
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Regierung

„1-G-Regel“ in Discos ab Herbst möglich

Ab Herbst könnten nur noch vollständig geimpfte Personen Zutritt zu Bereichen mit besonders hohem Ansteckungsrisiko wie der Nachtgastronomie bekommen. Das teilten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) am Samstag in einer gemeinsamen Aussendung mit. Ähnliches hatte zuvor die SPÖ gefordert.

„Wenn die Zahlen weiter steigen, dann braucht es die 1G-Regel für Diskotheken und Nachtklubs“, so Kurz laut Aussendung. Mit der Impfung habe man „das beste Mittel in der Hand, um der Pandemie Herr zu werden und unser Gesundheitssystem zu schützen“. „Aktuelle Prognosen der Wissenschaft zeigen uns, dass wir die Impfrate weiter erhöhen müssen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden“, hielt Mückstein zudem fest. Der Gesundheitsminister appellierte erneut an alle bisher Nichtgeimpften, das nachzuholen.

Um die Durchimpfungsrate zu erhöhen, will das Bundeskanzleramt zielgruppenspezifisch die Aktivitäten der bundesweiten „Österreich impft“-Kampagne verstärken. Das Gesundheitsministerium wiederum will im Austausch mit den Bundesländern möglichst niederschwellige Impfangeboten forcieren.

SPÖ fordert noch strengere COV-Vorschriften

Die SPÖ will schnellere Maßnahmen, als die türkis-grüne Regierungskoalition derzeit andenkt.

Erste Auffrischungsimpfungen im September

Für bereits Geimpfte soll der Impfschutz überdies gut aufrechterhalten werden. Deswegen hat das Nationale Impfgremium zuletzt die Empfehlung ausgesprochen, zunächst vulnerablen Gruppen sowie jenen mit Vektorimpfstoffen eine Auffrischungsimpfung anzubieten, die später auch alle anderen neun bis zwölf Monate nach der vollständigen Impfung erhalten sollen. Die Vorbereitungen dafür laufen. Anfang September sollen in den Alters- und Pflegeheimen die ersten Auffrischungsimpfungen verabreicht werden.

Infektionszahlen stark gestiegen

Hintergrund für die Pläne sind die stark steigenden Infektionszahlen: Das Gesundheits- und das Innenministerium meldeten 1.328 neu registrierte Coronavirus-Fälle innerhalb der letzten 24 Stunden (Stand: Samstag, 9.30 Uhr) – das ist der höchste Wert seit dem 6. Mai.

Derzeit befinden sich 326 Personen aufgrund des Coronavirus in Spitalsbehandlung, davon 70 auf Intensivstationen. Die 7-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus in den abgelaufenen sieben Tagen je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner, liegt laut AGES bei 85,3 (Stand: Samstag, 14.00 Uhr).

„Der überwiegende Teil der aktuell Hospitalisierten hat noch keine Impfung erhalten. Auch bei den Infektionszahlen ist der Anteil derer, die nicht geimpft sind, um ein Vielfaches höher als bei den Vollimmunisierten“, heißt es dazu in der Aussendung von Kurz und Mückstein.

Kritik von Nachtgastronomie und NEOS

Stefan Ratzenberger, Sprecher des Verbands der heimischen Nachtgastronomen, zeigte sich am Samstag gegenüber „Wien heute“ unzufrieden mit der Ansage der Regierung. Die Regelung werde „keinen großen Impfturbo zünden“, sagte Ratzenberger. „Genau das Gegenteil wird passieren: Die Menschen werden sich eher ins Private zurückziehen.“ Zudem schütze zwar eine Impfung das Individuum, Tests hingegen die Gesellschaft, so Ratzenberger, der sich ein Festhalten an der „2-G-Regel“ wünschte unter verstärktem Einsatz von PCR-Tests.

Ähnlich äußerte sich auch NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker. „Klare Ansagen sehen anders aus“, sagte er. „Das soziale Leben wird sich wieder nach innen verlagern, die Infektionszahlen werden weiter steigen, und die Impfquote unter den Jungen wird niedrig bleiben, wenn der Regierung außer halbherzigen Impfappellen nicht bald etwas einfällt.“ Genesene würden bei all dem übersehen werden, kritisierte Loacker auch.

Wolfgang Mückstein und Sebastian Kurz
APA/Herbert Neubauer
Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit Plänen für den Herbst

Christoph Wiederkehr, Wiener Vizebürgermeister Loackers Parteikollege zeigte sich offen, über „1-G“ zu reden. „Ich halte die Diskussion für wichtig, dass sich mehr impfen lassen, weil wir wissen, es haben sich noch zu wenige impfen lassen.“ Daher sei die „Diskussion gut, und ich bin ihr offen gegenüber“, sagte Wiederkehr – mehr dazu in wien.ORF.at.

Rendi-Wagner fordert „1-G-Regel“

Zuvor forderte bereits SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner angesichts der beginnenden vierten Coronavirus-Welle, den Zutritt zur Nachtgastronomie, zu Festivals und Sportveranstaltungen nur noch für vollständig Geimpfte zu erlauben. Die Regierung solle diese „1-G-Regel“ österreichweit für Bereiche mit hohem Infektionsrisiko einführen, verlangte sie in einer Aussendung. Rendi-Wagner will damit die Impfquote vor allem bei Jugendlichen steigern.

Aus ihrer Sicht müssen die Schulen aber offen bleiben. Es solle Impfaktionen an den Schulen und PCR-Gurgeltests einmal pro Woche für alle Schulstufen geben. Außerdem sollten Luftfilteranlagen zum Einsatz kommen und zusätzliche Räume angemietet werden, um Abstands- und Hygieneregeln besser einhalten zu können.

Die SPÖ-Chefin will auch positive Impfanreize. Rendi-Wagner denkt hier an Freikarten für Konzerte und Sportevents, aber auch an Impflotterien oder einen extra Urlaubstag. Am Arbeitsplatz soll nach ihrer Sicht die „3-G-Regel“ – geimpft, genesen, getestet – gelten. Derzeit gebe es keinerlei Schutzbestimmungen für Großraumbüros, Verteilzentren oder Fleischverarbeitungsbetriebe, kritisierte sie.

Umfrage: Mehrheit befürwortet Vorteile für Geimpfte

Wie das Nachrichtenmagazin „profil“ in einer Vorabaussendung berichtet, sind laut einer Umfrage von Unique Research 55 Prozent dafür, Freizeiteinrichtungen wie Restaurants, Theater und Fitnesscenter nur noch für Personen zu öffnen, die gegen das Coronavirus geimpft sind.

Eine größere Spaltung der Gesellschaft zeige sich in der Impfdebatte nach der Parteienpräferenz: Nur elf Prozent der FPÖ-Wähler sind für diese Vorteile für Geimpfte, 86 Prozent dagegen. Nahezu spiegelverkehrt dazu die ÖVP-Wähler: 82 Prozent sprechen sich dafür aus, 15 Prozent dagegen. SPÖ-Wähler befürworten Vorteile für Geimpfte zu 72 Prozent, 23 Prozent lehnen das ab.