Impfrate: Infektiologe sieht „zunehmend weniger Spielraum“

Knapp 61 Prozent der in Österreich lebenden Menschen haben zumindest eine Teilimpfung gegen SARS-CoV-2 erhalten. Im europaweiten Vergleich liegt Österreich damit deutlich hinter anderen Ländern West- und Südeuropas.

Auch das Tempo der Impfkampagne ist in den vergangenen Wochen deutlich gesunken. Anfang Juli ließen sich noch 80.000 bis 90.000 Personen pro Tag impfen, in der Vorwoche waren es täglich etwa 20.000 – die meisten davon erhielten ihren Zweitstich (im Fall von Biontech und Pfizer, Moderna und AstraZeneca).

Die Regierung hat bereits angekündigt, dass ab Herbst der Zutritt zu Nachtclubs und Diskotheken nur noch für Geimpfte erlaubt sein wird, sollten die Zahlen weiter steigen. Auch der Infektiologe Herwig Kollaritsch sieht den „Spielraum nicht mehr gegeben“, dass es „ohne ein Eingreifen zu einer Verbesserung der Situation kommt“.

Keine Hinweise auf Trendumkehr

Gerade die Erstimpfungsraten seien stark gefallen, und eine Trendumkehr zeichne sich nicht ab, sagte Kollaritsch heute dem Ö1-Morgenjournal. Zwar sollte man weiterhin auf konventionelle Mittel wie Aufklärung und entsprechende Kommunikation zur Erhöhung der Impfbereitschaft setzen, so Kollaritsch, aber: „Ich sehe zunehmend weniger Spielraum, dass man nicht doch auf etwas wie die ‚1-G-Regel‘ umsteigt.“

Bei der Auswahl der Bereiche sollte man die Clusteranalysen der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) heranziehen, schlug Kollaritsch vor.

Höherer „Infektionsdruck“ im Herbst

Auch Geimpfte könnten sich infizieren und im Fall einer Infektion über einen kürzeren Zeitraum in großem Ausmaß Viren ausscheiden, „aber sie werden eben wesentlich seltener infiziert und sie werden auch wesentlich seltener krank“, so Kollaritsch, der Mitglied des Nationalen Impfgremiums ist. Im epidemiologischen Geschehen spielten Geimpfte daher eine wesentlich geringere Rolle.

Kollaritsch verwies gegenüber Ö1 auf den anstehenden Herbst. Der saisonale Effekt bei der Eindämmung des Virus fällt in dieser Zeit zunehmend weg, das gesellschaftliche Leben verlagert sich in Innenräume, und die Schulen nehmen wieder den Präsenzunterricht auf. „Wir müssen damit rechnen, dass der Infektionsdruck höher wird“, sagte der Mediziner.

Hinzu kommt laut Kollaritsch, dass man bei Delta gegenüber dem Viruswildtyp eine Verdreifachung der Infektiosität habe. „Das ist natürlich schon ein sehr, sehr bedrohliches Szenario.“