Kritik an Behördenversagen anlässlich Mordprozesses

Gewaltschutzeinrichtungen haben heute den Mordprozess im Fall der Tötung einer 28-Jährigen im Februar in Wien zum Anlass genommen, um akute Defizite im Opferschutz und Behördenversagen zu kritisieren. Auch in diesem Fall habe es Vorzeichen gegeben, die Frau sei nicht ausreichend unterstützt und am Ende im Stich gelassen worden.

Ein 29-Jähriger stand vor Gericht, weil er in der Nacht auf den 23. Februar seine Freundin erwürgt haben soll. Nur wenige Stunden zuvor war die Frau im Spital, nachdem der wegen Gewaltdelikten Vorbestrafte sie verletzt hatte.

Die Frau kehrte nach Hause zurück, während er sich auf freiem Fuß befand, und wurde dort getötet. Die Polizei hatte den Beschuldigten gesucht, um ein Betretungs- und Annäherungsverbot auszusprechen, aber noch nicht ausfindig gemacht.

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Als hochgradig gefährlich eingestuft

Alle für Opferschutz zuständigen Einrichtungen, von Polizei über Justiz bis Bewährungshilfe, seien involviert gewesen, so Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF).

Im konkreten Fall habe die Polizei den Mann sogar als hochgradig gefährlich kategorisiert, „es wurden aber keine Konsequenzen gesetzt“, sagte Rosa Logar, Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle.

Könne, wie hier geschehen, ein Betretungs- und Annäherungsverbot nicht sofort verhängt werden, müssten Opfer Personenschutz erhalten, bis der Gefährder gefunden ist. „Da muss die Polizei beim Haus stehen.“ Sie erneuerte die Forderung nach Einrichtung einer unabhängigen Kommission für Fälle wiederholter Gewaltausübung und wünscht sich die Einbindung der Opferschutzorganisationen.

Zudem orteten die Expertinnen einen „gefährlichen Trend“ zur Täter-Opfer-Umkehr, wenn sich von Gewalt betroffene Frauen auch einmal zur Wehr setzen. Immer öfter würden solche Frauen selbst angezeigt, auch verurteilt und weggewiesen, auch der 28-Jährigen sei es so ergangen. Häufiger als früher würden Anzeigen auch erst gar nicht aufgenommen, so Rösslhumer.

Kritik an mangelnder Einbindung

Sorgen bereitet den Expertinnen die am 1. September startende verpflichtende Gewaltpräventionsberatung nach einer Wegweisung, die sechs Stunden umfasst. Die Opferschutzeinrichtungen seien nicht nur nicht eingebunden, sondern überhaupt nicht informiert, so Kritik in Richtung Innenministerium.

Während für Täter- bzw. Männer- und Burschenarbeit nunmehr 14 Millionen Euro eingeplant seien, hätten die Frauenhäuser und -beratungsstellen sowie die Frauenhelpline von den im Gewaltschutzpaket angekündigten rund 24,6 Millionen „noch nichts gesehen“. Mehr Mittel wurden gefordert.