Ein Flugzeug am Flughafen in Kabul
Reuters/Maxar Technologies
USA zu Afghanistan

Keine Verlängerung der Evakuierungsflüge

Die USA halten an ihrem Vorhaben fest, den Truppenabzug aus Afghanistan mit 31. August abzuschließen. Das bedeutet de facto auch ein Ende der westlichen Evakuierungsflüge aus dem Land. Die G-7-Staaten konnten bei ihrem virtuellen Krisengipfel keine Einigung für eine Verlängerung erzielen. Zuvor hielten die Taliban eine Pressekonferenz ab, bei der sie verkündeten, dass die Evakuierungen bis zum Ende des Monats abgeschlossen sein müssten.

US-Präsident Joe Biden ließ sich auch beim G-7-Gipfel nicht vom Zeitplan der USA abbringen. „Es sind heute keine neuen Daten über das bekannte Datum des 31. 8. (hinaus) genannt worden vom Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika“, sagte Merkel Dienstagabend nach dem virtuellen Treffen der Staats- und Regierungsspitzen der G-7.

Was das genau „im Zeitablauf“ bedeute, könne sie „zu dieser Stunde“ noch nicht sagen, sagte die deutsche Kanzlerin. Es schien sich aber zu bestätigen, was US-Medien bereits zuvor unter Verweis auf das US-Verteidigungsministerium berichtet hatten: Der Präsident wird damit den Militäreinsatz nicht zugunsten der laufenden Evakuierungsmission verlängern.

Laut Merkel wäre es nun sehr wichtig, „dass wir möglichst schnell wieder einen zivilen Flughafen haben können“. London, Paris und Berlin drängen auf einen späteren Abzugstermin, weil nur so die Evakuierungsaktion in der jetzigen Form fortgesetzt werden kann. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg schloss sich den Forderungen nach einem Weiterbetrieb des Flughafens in Kabul an.

Taliban aufgefordert, Ausreise zu ermöglichen

Der britische Premierminister Boris Johnson erklärte, die sieben wichtigsten westlichen Industrieländer stimmten darin überein, dass die Taliban die Ausreise von Afghanen, die das Land verlassen wollen, auch nach dem 31. August garantieren müssten. Johnson wies darauf hin, dass die G-7-Staaten über einen bemerkenswerten politischen, wirtschaftlichen und diplomatischen Einfluss verfügten.

Frankreichs Emmanuel Macron, bei einem virtuellen G-7 Meeting
AP/Pool/Sarah Meyssonnier
Die Staats- und Regierungsspitzen der G-7-Staaten berieten bei einer Videokonferenz über das weitere Vorgehen in Afghanistan

Italiens Regierungschef Mario Draghi forderte mehr Anstrengungen beim Thema Migration. Bisher seien die Staaten auf europäischer oder internationaler Ebene nicht zu einem gemeinsamen und koordinierten Einsatz in der Lage gewesen, sagte Draghi. Italien werde die für die afghanischen Sicherheitskräfte bestimmten Gelder für die humanitäre Hilfe einsetzen.

In der Resolution des G-7-Sondergipfels zu Afghanistan steht, die sieben Mitglieder unterstützen die humanitären Bemühungen der UNO in der Region. Man bleibe der afghanischen Sache mit einer erneuten internationalen humanitären Anstrengung verpflichtet.

Von der Leyen fordert Fluchtwege für Frauen und Kinder

Nach Einschätzung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen muss die internationale Gemeinschaft vor allem für afghanische Frauen und Kinder sichere und legale Fluchtwege organisieren. „Diejenigen, die in der Region die meiste Hilfe brauchen, sind in der großen überwiegenden Zahl Frauen und Kinder“, sagte sie nach dem G-7-Gipfeltreffen.

Deshalb sei es wichtig, sichere Wege zu ermöglichen und zu verhindern, dass die Menschen in die Hände von Schmugglern und Schleppern fielen. Die EU will heuer über 200 Millionen Euro für humanitären Hilfe für notleidende Afghanen zur Verfügung stellen. Das ist rund viermal so viel Geld wie ursprünglich geplant.

Taliban: Keine Evakuierung von Afghanen

Seitens der Taliban hieß es heute: „Wir wollen, dass alle Ausländer bis zum 31. August evakuiert werden“, sagte der Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid in einer Pressekonferenz am Dienstag. Der Sprecher wandte sich zugleich dagegen, dass nun viele gebildete Afghanen das Land verließen. Man brauche diese, um Afghanistan wieder aufzubauen.

Drohungen für den Fall, dass die USA oder andere Länder ihre Evakuierungen nicht bis Ende August abschließen sollten, sprach Mujahid allerdings nicht aus. Für das Chaos auf dem Flughafen machte er einmal mehr die USA verantwortlich.

Auf Berichte angesprochen, der Vizechef der Taliban, Mullah Abdul Ghani Baradar, habe den CIA-Chef William Burns getroffen, sagte Mujahid, er könne das nicht bestätigen. Er könne nur sagen, dass die politische Führung der Taliban Treffen mit verschiedenen Botschaften abgehalten habe, darunter auch Vertretern der US-Botschaft. Baradar wird als möglicher künftiger Regierungschef gehandelt.

Britische Militärmaschinen auf dem Flughafen in Kabul
Reuters/LPhot Ben Shread/UK MOD Crown
Die Taliban wollen, „dass alle Ausländer bis zum 31. August evakuiert werden“ – Afghanen und Afghaninnen sollten im Land bleiben

Bevölkerung „hat nichts zu befürchten“

Der afghanischen Bevölkerung versprach Mujahid, dass Banken, Regierungsinstitutionen, Schulen und Universitäten demnächst wieder öffnen würden. Man garantiere den Beamten der Ministerien ihre Sicherheit, sie hätten nichts zu befürchten.

Für weibliche Angestellte der Behörden arbeite man noch an genauen Regeln. Sie könnten erst an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, wenn diese Regeln stünden, würden aber bis dahin weiter bezahlt. Zuletzt hatten sich Frauen im öffentlichen wie im privaten Sektor darüber beschwert, dass Taliban-Kämpfer sie nicht mehr zu ihren Arbeitsstellen ließen und sie nach Hause schickten.

UNO: Standrechtliche Hinrichtungen unter Taliban

Mujahid erklärte zudem, Medien im Land könnten weiter frei arbeiten. Die meisten würden ihre Arbeit bereits normal weiterführen, andere hätten ihre Aktivitäten noch nicht wieder aufgenommen. Man werde Kämpfer in der Nähe von Medieneinrichtungen abziehen. Allerdings gibt es auch von Journalisten Berichte, sie seien von Taliban-Kämpfern bei ihrer Arbeit gestört oder belästigt worden.

Die Vereinten Nationen zeigten sich unterdessen beunruhigt über Berichte von Menschenrechtsverletzungen nach der Machtübernahme der Taliban. Darunter seien standrechtliche Hinrichtungen von Zivilisten und Angehörigen regierungstreuer Sicherheitskräfte, sagte die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, am Dienstag in Genf.