AMS-Chef Johannes Kopf
APA/Herbert Neubauer
Arbeitslose

AMS-Chef Kopf für Ende von Nebenjobs

Arbeitslose können derzeit 475 Euro im Monat dazuverdienen, die geplante Neuaufstellung der Arbeitsmarktpolitik im Herbst könnte aber ein Aus oder eine Einschränkung für diese Möglichkeit bringen. Dafür sprach sich Arbeitsmarktservice-Vorstand Johannes Kopf im Interview mit den „Oberösterreichischen Nachrichten“ („OÖN“, Donnerstag-Ausgabe) aus.

Der AMS-Chef gab an, viel über das Thema Dazuverdienen nachgedacht zu haben, weil es auch Argumente dafür gebe. Doch sei er für die Abschaffung der Zuverdienstmöglichkeit – zumindest für eine deutliche Einschränkung, sagte Kopf auf eine entsprechende Frage. Ziel sei generell, mehr arbeitslos gemeldete Menschen wieder in Jobs zu bringen, vor allem Langzeitarbeitslose.

„Die Leute haben zumindest einen Fuß in der Arbeitswelt und verlernen nicht die Arbeitstugenden. Ist dieser Fuß in der Tür nützlicher, als es schädlich ist, weil der Unterschied zum Erwerbseinkommen zu gering wird? Inzwischen bin ich so weit: Es gehört – wenn nicht verboten – so doch massiv eingeschränkt. Wir haben dabei gute Erfolge mit dem Erhebungsdienst.“

Kopf für stufenweises Arbeitslosengeld

Seitens der Wirtschaft werde immer wieder argumentiert, dass Arbeitslose mit einem geringfügigen Nebenjob, Schwarzarbeit und Sozialleistungen ihr Auslangen finden würden, heißt es in dem „OÖN“-Bericht. Vor allem niedrig entlohnte Branchen fänden deshalb kaum Personal. Wie ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher spricht sich auch AMS-Vorstand Kopf dafür aus, das Arbeitslosengeld stufenweise zu gestalten, also am Anfang mehr, dann weniger auszuzahlen.

Gegen „Pauschalvorwurf“ an Arbeitslose

Den „Pauschalvorwurf“, dass vom AMS geschickte Stellenbewerberinnen und -bewerber gar nicht arbeiten wollten, lasse er nicht gelten, so Kopf. Nur weil jemand einen konkreten Job nicht wolle, heiße das nicht, dass er nicht arbeiten wolle. Man müsse differenzieren: Bei günstigerer Arbeitszeit, kürzerer Anfahrt, besseren Bedingungen und höherem Lohn würden die Leute schon wollen. „Es gibt verschiedene Hebel, die Stellen dennoch besetzen zu können.“

Dass die Arbeitslosenzahl in Kürze das Niveau von vor der Pandemie erreichen könne, sei möglich. Das hänge von der Delta-Variante ab. Anfang des Jahres habe es 110.000 Arbeitslose mehr als vor Pandemiebeginn gegeben. „Jetzt sind wir bei plus 14.000. Es könnte sich heuer im Winter schon ausgehen.“ Man werde dann die „harten Zahlen“ erreicht haben. Die Pandemie habe aber auf dem Arbeitsmarkt Probleme geschaffen, „gegen die wir noch jahrelang ankämpfen werden“.

Absage von Grünen

In einer ersten Reaktion äußerten sich die Grünen ablehnend. Die vorgebrachte Maßnahme schaffe „eine Unmenge von Problemen“, sagte Sozialsprecher Markus Koza dem „Standard“. Zunächst gebe es auf dem Arbeitsmarkt eine größer werdende Zahl an Menschen, die Teilzeit arbeiten, mit dem Geld aber nicht auskommen und deshalb zusätzlich geringfügig beschäftigt sind, wurde Koza zitiert.

„Wer seinen Teilzeitjob verliert und Arbeitslosengeld bezieht, müsste künftig, wenn die Regeln verschärft werden, seine geringfügige Stelle auch gleich aufgeben? Das kann ja nicht das Ziel sein“, so Koza. Hinzu komme, dass die Nettoersatzrate in Österreich im internationalen Vergleich sehr niedrig sei: Ein Arbeitsloser bekommt 55 Prozent seines Letztgehalts vom AMS, dazu gibt es noch einen kleinen Familienzuschlag.

Notstandshilfeempfänger bekommen etwas weniger. Sollten die Zuverdienstmöglichkeiten wegfallen, erhöhe man die Armutsgefährdung der Menschen, sagte Koza dem „Standard“. Auch seien Zuverdienstmöglichkeiten eine Chance für Menschen: Jobsuchende könnten mit einem Bein auf dem Arbeitsmarkt bleiben. Dieses Standbein zu nehmen würde die langfristigen Chancen der Menschen nur senken.

SPÖ: „Leistungsfeindlich, herzlos und unsozial“

Die SPÖ äußerte sich klar ablehnend zu dem Vorstoß. „Es muss unsere gemeinsame Aufgabe sein, Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und nicht Arbeitslose“, teilte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch per Aussendung mit. Der „ohnedies geringe Zuverdienst zum Arbeitslosengeld ist speziell für viele ältere Menschen und ihre Familien die einzige Möglichkeit, finanziell über die Runden zu kommen“, wurde Deutsch zitiert.

Ein Aus für Nebenjobs wäre laut Deutsch „leistungsfeindlich, herzlos und unsozial“ – denn: „Viele Langzeitarbeitslose suchen seit Jahren einen Job, schreiben Hunderte Bewerbungen und bekommen nicht einmal mehr eine Antwort. Ihnen jetzt auch noch die Möglichkeit des geringfügigen Zuverdienstes zu verbieten wäre eine soziale Katastrophe. Wovon sollen diese Menschen und ihre Familien denn leben?“, fragte Deutsch.

FPÖ: AMS treibt Arbeitslose weiter in Armutsspirale

Mit diesem Argument lehnte auch die FPÖ Kopfs Vorstoß ab: Es sei „verheerend, wie sich unser Sozialstaat langsam, aber kontinuierlich abschafft“, teilte Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch per Aussendung mit. Sie sprach von einem „Angriff auf Menschen ohne Arbeitsplatz“, schließlich könne ein „kleiner Zuverdienst in diesen schweren Zeiten aus dem Ärgsten heraushelfen“. Kopf riet sie, sich stattdessen lieber des Themas Schwarzarbeit anzunehmen.

NEOS schlägt degressives Modell vor

Bei diesem Thema hakte auch NEOS ein und reagierte mit „Skepsis“, wie es in einer Aussendung hieß: „Das große Problem, das die Menschen davon abhält, wieder einen Vollzeitjob anzunehmen, ist nicht der legale Zuverdienst, das große Problem ist die Schwarzarbeit darüber hinaus – die sollten wir bekämpfen“, wurde NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker zitiert.

Der Zuverdienst sei nicht nur eine Möglichkeit, einen Fuß im Berufsleben zu haben, sondern mildere auch die finanziellen Einbußen, so Loacker und schlug vor: „Wer diese Möglichkeit streicht, muss das Arbeitslosengeld am Anfang erhöhen, beispielsweise auf 65 Prozent, und dann schrittweise absenken.“ Dieses degressive Modell würde Menschen, die nur kurz arbeitslos sind, finanziell absichern und Anreize schaffen, schnell wieder in Beschäftigung zu wechseln, so Loacker – bei Notstandshilfeempfängern sollte kein Zuverdienst mehr möglich sein.

ÖVP-Wirtschaftsbund unterstützt Vorschlag

Vom ÖVP-Wirtschaftsbund kommt Zustimmung: „Es kann nicht sein, dass es für Arbeitslose lukrativer ist, die staatlichen Unterstützungsleistungen mit Nebenjobs aufzubessern, als aktiv am Erwerbsleben teilzunehmen“, so Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger. Er verwies auf den Arbeitskräftemangel, über den die Unternehmen klagen würden. Durch die Option des Zuverdiensts fehle es an Anreizen, sich einen Job zu suchen.

Ablehnung hingegen kam vom ÖGB: Verwiesen wurde auf 350.000 Arbeitslose, die mit einem Arbeitslosengeld unterhalb der Armutsgrenze auskommen müssen. „Das ist ein Grund dafür, warum viele zusätzlich noch etwas dazuverdienen wollen und müssen“, hieß es. Gefordert wurde „eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent vom letzten Nettoeinkommen“. Kopfs Idee bringe Menschen nicht rascher in Beschäftigung, sondern in schlechte Jobs.

Kocher: Gespräche für „Gesamtkonzept“

Arbeitsminister Kocher kündigte zuletzt an, im Herbst eine Debatte über eine Arbeitsmarktreform starten zu wollen. Zunächst wolle er sich noch die August-Arbeitslosenzahlen anschauen (sie werden kommende Woche veröffentlicht) und die Zahlen für die Kurzarbeitsphase fünf. Die Reform solle nicht groß zusätzliche Kosten verursachen, aber wenn man es schaffe, dass Menschen schneller vermittelt werden und schneller Beschäftigung finden, spare man dadurch auch ein, so der Tenor.

Dabei steht auch die Höhe des Arbeitslosengeldes auf dem Prüfstand: Wer in Österreich arbeitslos wird, falle sehr rasch auf ein niedriges Niveau und bleibe dann sehr lange auf diesem Niveau, so Kocher. „Wenn ich es schaffe, dass Menschen, die besonders lange arbeitslos sind, rascher integriert werden, kann ich möglicherweise eine höhere Abgeltung geben, ohne dass höhere Kosten entstehen“, meinte er.

Es gehe ihm darum, über sinnvolle Konzepte der Neuregelung des Arbeitsmarkts zu diskutieren. Im Regierungsprogramm stehe das Wort „degressives Arbeitslosengeld“ jedenfalls nicht drinnen. Auch von einer Abschaffung der Notstandshilfe, die von manchen gefordert wurde, stehe nichts im Regierungsprogramm.