Flugpassagiere in Florida warten in einer Schlange am Flughafen für einen COVID-19-Test
AP/Marta Lavandier
CoV-Höchstwerte

Floridas Ärzte gegen politische Windmühlen

Der US-Bundesstaat Florida erlebt derzeit die schlimmste Phase seit Ausbruch des Coronavirus. Mehr Menschen stecken sich an, werden in Spitäler eingeliefert und sterben an Covid-19 als je zuvor in der Pandemie. Ärztinnen und Ärzte raten weiterhin zu Impfung und Schutzmaßnahmen, kämpfen zunehmend aber gegen die Windmühlen der Politik – konkret gegen Gouverneur Ron DeSantis. Unterstützung bekamen sie nun von einem Gericht.

Diese Woche wurden in Florida durchschnittlich 227 Todesfälle pro Tag gemeldet. Das ist einerseits ein Negativrekord für Florida selbst, andererseits aber auch mit Abstand der höchste Wert im Vergleich mit den anderen Bundesstaaten der USA. Laut den Daten der „New York Times“ („NYT“) wurden im südlichsten Staat der USA am Wochenende durchschnittlich 23.314 neue Fälle pro Tag gemeldet. Das waren um 30 Prozent mehr als der bisherige Höchststand im Jänner.

In Florida leben etwa 21,5 Millionen Menschen, in den USA 328 Millionen. Im ganzen Land sind die neuen Todesfälle auf durchschnittlich mehr als 1.000 pro Tag gestiegen. Die Zahl der Krankenhausaufenthalte in Florida hat sich nach Angaben der Bundesbehörden im letzten Monat mit 17.200 fast verdreifacht, sodass viele Spitäler an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen.

Ein junger Mann in Florida kurz vor der Imfpung
Reuters/Marco Bello
Das Gesundheitspersonal in Florida kämpft um jeden und jede Geimpfte

Ärzte schildern prekäre Lage

Am Montag versammelten sich Dutzende Ärztinnen und Ärzte sowie das Pflegepersonal in Palm Beach County zu einer Pressekonferenz mit dem Appell, Ungeimpfte zum Impfen zu bewegen. Sie betonten, die jetzige Coronavirus-Welle überfordere das Gesundheitssystem und zerstöre Leben. „Wir sind erschöpft“, so Rupesh Dharia, Facharzt für Innere Medizin. „Unsere Geduld und unsere Ressourcen gehen zur Neige.“ US-Medienberichten zufolge müssten vielerorts die Spitalspatientinnen und -patienten bereits auf dem Gang liegen, da es keine freien Zimmer mehr gebe.

Die prekäre Lage in den Spitälern Floridas veranlasste den Bürgermeister der Stadt Orlando, den Demokraten Buddy Dyer, sogar dazu, die Bürgerinnen und Bürger aufzufordern, Wasser zu sparen. Denn dieses sei dringend notwendig, um flüssigen Sauerstoff herzustellen. Flüssigsauerstoff wird einerseits zur Behandlung von Covid-19-Patientinnen und -Patienten benötigt, andererseits auch zum Reinigen des Trinkwassers. Das ist erforderlich, da eine Überschwemmung jüngst das Trinkwasser in Orlando verunreinigt hatte.

„Sinnlose, vermeidbare Art zu sterben“

Ein wachsender Anteil jener, die sich zurzeit in den Krankenhäusern Floridas befinden und sterben, sind Menschen zwischen 40 und 59 Jahren – eine Alterskohorte, die in Österreich schon zu 60 bis 75 Prozent zweifach geimpft ist. In Florida ist das anders. Insgesamt sind rund 52 Prozent der Menschen in dem US-Bundesstaat vollständig geimpft, aber in einigen der am stärksten betroffenen Bezirken sind es weniger als 30 Prozent. Chirag Patel, stellvertretender Chefarzt des Universitätsspitals UF Health Jacksonville, sagte der „NYT“, jene Patientinnen und Patienten, die während der jetzigen Welle ins Spital eingeliefert worden seien, seien tendenziell jünger und ohne Vorerkrankungen.

Schüler und Schülerinnen in einer Schule in Miami
AP/Lynne Sladky
Viele Schulen führten eine Maskenpflicht ein

Von denjenigen, die gestorben seien, darunter auch Patientinnen und Patienten im Alter von 20 bis 40 Jahren, seien mehr als 90 Prozent nicht geimpft gewesen, so Patel. „Wir hatten dieses Mal mehr Patientinnen und Patienten, die in jüngerem Alter mit sehr wenigen oder gar keinen medizinischen Problemen gestorben sind“, so der Mediziner. „Sie wurden einfach mit Covid eingeliefert und haben das Krankenhaus nicht mehr verlassen.“ Eine der schwierigsten Aufgaben, so Patel, sei es, einem Familienmitglied mitzuteilen, dass ein nicht geimpfter Angehöriger bzw. eine nicht geimpfte Angehörige dem Virus erlegen sei. „Es ist einfach eine so sinnlose und vermeidbare Art zu sterben“, sagte er der „NYT“.

Gouverneur gegen CoV-Schutzmaßnahmen

Obwohl die Zahl der Fälle weiter ansteigt, hält Ron DeSantis, der republikanische Gouverneur von Florida, an einem Verbot von Anordnungen zu Impfungen und Masken fest. Das politische Spannungsfeld wurde besonders bei den Schulen sichtbar. Mehrere Schulbezirke weigerten sich nämlich, das Verbot umzusetzen und führten die Maskenpflicht trotzdem ein bzw. hoben sie nicht auf.

Nun müssen etwa die Hälfte der rund 2,8 Millionen Schülerinnen und Schüler an öffentlichen Bildungsstätten in Florida derzeit weiter Mund-Nasen-Schutz im Klassenzimmer tragen, da die Schulen es so wünschen.

„Schulbezirke verletzten staatliches Recht“

So stellte sich etwa der Schulausschusses von Orange County, in dem auch die Metropolregion Orlando liegt, offensiv gegen DeSantis und forderte die Schulleitungen am Dienstag auf, Schülerinnen und Schülern das Maskentragen vorzuschreiben. Die Vorschrift gilt bis 30. Oktober. Die Entscheidung des Schulausschusses ist medizinisch begründet: Das Schuljahr in der Region Orlando begann mit 1.968 CoV-positiven Schülerinnen und Schülern.

Floridas Gouverneur, Ron DeSantis
AP/Marta Lavandier
DeSantis kündigte Schulleiterinnen und Schulleitern Konsequenzen an, wenn sie die Maskenpflicht nicht wieder aufheben

Doch DeSantis gab nicht klein bei. Auf einer Pressekonferenz am Mittwoch warnte er vor Konsequenzen für widerspenstige Schulbezirke, ging aber nicht näher darauf ein. Zuvor kündigte er bereits an, dass Schulleiterinnen und Schulleiter, die weiterhin auf einer Maskenpflicht bestünden, mit einer Gehaltssperre zu rechnen hätten.

Gericht weist Gouverneur in die Schranken

Der Gouverneur behauptete, dass die Schulbezirke gegen die „Parents Bill of Rights“ (Elternrechte, Anm.) verstoßen würden, die im Sommer dieses Jahres in Kraft getreten ist. Diese gibt den Eltern die Befugnis, über die Bildung ihrer Kinder zu bestimmen. „Diese Schulbezirke verletzten staatliches Recht und setzen sich über das Urteil der Eltern in dieser Sache hinweg“, so DeSantis.

Doch am Freitag urteilte Richter John C. Cooper vom Gerichtsbezirk Leon County anders: DeSantis überschreite mit der Anordnung des Maskenbanns seine Kompetenzen. Und in dem Gesetz würde es staatliche Maßnahmen geben, die zum Schutz der öffentlichen Gesundheit erforderlich und vernünftig und in ihrem Umfang begrenzt sind. Er sagte, die Entscheidung eines Schulbezirks, das Tragen von Masken von Schülern zu verlangen, um die Verbreitung des Virus zu verhindern, falle unter diese Ausnahme.

„Lassen Sie uns unsere Arbeit machen!“

Unterdessen erzählen Ärztinnen und Ärzte jeden Tag in US-Medien, sie seien erschöpft und könnten nicht verstehen, warum der Gouverneur sich so gegen den Mund-Nasen-Schutz stelle. „Wir wissen, dass Masken eine sehr gute Möglichkeit sind, um die Verbreitung des Coronavirus aufzuhalten“, so Bernard Ashby, Kardiologe in Miami, schon vor Wochen zu MSNBC. DeSantis stelle seine politische Agenda vor die Gesundheit der Menschen in Florida. Der Kardiologe richtete seine Worte direkt an DeSantis: „Lassen Sie uns unsere Arbeit machen!“

Oregon kehrt zu strengen CoV-Regeln zurück

5.000 Kilometer entfernt im nordwestlichen US-Staat Oregon sieht die CoV-Lage ähnlich aus. Am Dienstag befanden sich dort laut „NYT“ 975 Menschen wegen einer CoV-Infektion im Spital, das entspricht einer Steigerung von 990 Prozent im Vergleich zu Juli. In Oregon leben rund vier Millionen Menschen.

Auch dort bat das Gesundheitspersonal um Hilfe. Die demokratische Gouverneurin Kate Brown rief deshalb die Nationalgarde auf den Plan und ordnete Masken für alle an, die sich in der Öffentlichkeit aufhalten, auch im Freien. Das gilt für Geimpfte wie Ungeimpfte. Mit dem Auftreten der Delta-Variante gesellt sich Oregon also zu Florida, wo die Zahlen der Fälle und Krankenhausaufenthalte sogar die Negativrekorde übersteigen, die während der schlimmsten Phase der Pandemie im vergangenen Jahr erreicht wurden.