Ex-FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache.
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„Fehlurteil“

Strache meldet Berufung an

„Fehlurteil“ – so hat der erste Kommentar des früheren FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache nach der Urteilsverkündung am Freitagnachmittag am Landesgericht Wien gelautet. Im Korruptionsprozess rund um einen vermuteten Gesetzeskauf im Zusammenhang mit der Privatklinik Währing wurde der Ex-Vizekanzler nicht rechtskräftig wegen Bestechlichkeit zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt. Umgehend meldete Strache volle Berufung an.

Das Gericht habe einen Konnex zwischen einer Parteispende und seinem Handeln hergestellt, den es nachweislich nicht gebe, so Strache nach der Urteilsverkündung zur Presse. Der Schuldspruch habe ihn „zutiefst überrascht, aber auch schockiert“. Strache-Verteidiger Johann Pauer sagte, das Oberlandesgericht Wien (OLG) werde als Rechtsmittelinstanz beurteilen, ob die Rechtsauffassung des Erstgerichts zutreffend sei: „Ich hätte es anders gesehen.“

Pauer betonte, die Richterin habe „ein faires Verfahren, ruhig und sachlich“ geführt: „An der Prozessführung gibt es nichts auszusetzen.“ Weiters merkte Pauer an, vom Gericht sei festgestellt worden, „dass sich mein Mandant nicht vorsätzlich bereichert hat“. Der Schuldspruch habe sich „auf geringe Parteispenden“ beschränkt. Auch Privatklinikbetreiber und Mitangeklagter Walter Grubmüller, Betreiber der Privatklinik Währing, zeigte sich „enttäuscht“ von seinem Urteil von einem Jahr bedingter Haft und kündigte ebenfalls Berufung an.

Urteil: Grubmüller spendete für Gegenleistung an FPÖ

Schuldig erkannt wurden Strache und Grubmüller im Zusammenhang mit zwei Spenden Grubmüllers an die Bundes-FPÖ vom Oktober 2016 und August 2017, die erste in Höhe von 2.000 Euro, die zweite in Höhe von 10.000 Euro. Nach der ersten Spende habe Strache als damaliger FPÖ-Obmann eine „faktische Einflussnahme“ auf FPÖ-Abgeordnete bzw. -Funktionäre vorgenommen, um mittels eines Initiativantrags der Freiheitlichen eine Änderung des Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (PRIKRAF) zu bewirken, die der Privatklinik Währing eine Aufnahme in den PRIKRAF möglich machen sollte.

Der Angeklagte Walter Grubmüller
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Die Richterin zeigte sich überzeugt, dass Grubmüller mit Hintergedanken zu Gegenleistungen an die FPÖ gespendet hatte

Das hätte Grubmüllers Klinik eine Gegenverrechnung der Leistungen mit der Sozialversicherung möglich gemacht. Der Initiativantrag habe, so Richterin Claudia Moravec-Loidolt ausschließlich der Privatklinik Währing und nicht „dem Interesse aller Privatkliniken in Österreich gedient“.

15 Monate bedingt für Strache

Der frühere Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ist am Freitag am Wiener Landesgericht wegen Bestechlichkeit zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Im Mittelpunkt des Verfahrens stand ein vermuteter Gesetzeskauf. Die Urteile sind nicht rechtskräftig, die Verurteilten kündigten Berufung an.

„Ein faktischer Zusammenhang ist eindeutig erwiesen als Gegenleistung für die Spende eines wohlhabenden Freundes“, stellte Richterin Claudia Moravec-Loidolt in ihrer ausführlichen Urteilsbegründung fest. Strache habe das Anliegen des befreundeten Grubmüller „in wohlwollender und ausschließlich parteilicher Förderung“ unterstützt. Grubmüller habe wiederum die insgesamt 12.000 Euro nur deshalb gespendet, um sich der Unterstützung der FPÖ im Zusammenhang mit der PRIKRAF-Gesetzesänderung zu vergewissern, zeigte sich die Richterin überzeugt. Ein anderes Motiv sei nicht erkennbar.

„Käuflichkeit von Amtsträgern muss unterbunden werden“

„Straches Bemühungen und Engagement war Gegenleistung für die Spende vom Oktober 2016“, hielt Moravec-Loidolt fest. Nachdem die FPÖ den Initiativantrag eingebracht hatte, sei die Überweisung der weiteren 10.000 Euro gefolgt. Zur Strafbemessung bemerkte die Richterin, die verhängten Strafen seien „dem Unrechtsgehalt angemessen“. An Grubmüller gewandt sagte sie: „Für die Bezahlung eines Abgeordneten, der später Vizekanzler wurde, darf es keine Rechtfertigung geben.“

Der Angeklagte Ex-FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache
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Der Prozess fand im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts statt

In Richtung Straches hielt sie fest: „Eine Käuflichkeit von Amtsträgern muss unterbunden werden.“ In Anbetracht der Höhe der geflossenen Beträge und der Umstände seien die Strafen „schuld- und tatangemessen“. Die gewährte bedingte Strafnachsicht erklärte Moravec-Loidolt folgendermaßen: „Sie sind beide unbescholtene Ersttäter.“ Das Urteil entspricht im Wesentlichen der eingebrachten Klage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

Von zwei Anklagepunkten wurden Strache und Grubmüller im Zweifel freigesprochen. Zum einen handelte es sich dabei um eine Einladung Grubmüllers an Strache nach Korfu, die im April 2018 für August desselben Jahres an Strache ergangen sein soll. Strache hatte eine solche Reise nie angetreten. Außerdem hatte die WKStA Grubmüller bezichtigt, Strache Ende April 2019 eine weitere Spende für den FPÖ-Wahlkampf vor der Europawahl 2019 offeriert zu haben. In diesen beiden Anklagepunkten reiche die Beweislage für Schuldsprüche nicht aus, befand die Richterin.

Anwalt: Grubmüller „aus Frustration“ an FPÖ gespendet

„Ich erkenne beim besten Willen keine Strafbarkeit“, hielt Verteidiger Helmut Grubmüller, der der Bruder von Walter Grubmüller ist, entgegen. Die 10.000-Euro-Spende sei „hochoffiziell erfolgt“, es sei Walter Grubmüller geradezu darum gegangen, „dass jeder davon weiß“. Er habe damit seiner „massiven Enttäuschung“ über die SPÖ, deren Mitglied er jahrzehntelang war, Ausdruck verleihen wollen.

Der Angeklagte Ex-FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache und Klinik-Betreiber Walter Grubmüller
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Strache und Grubmüller wurden zu bedingten Haftstrafen verurteilt und legten Berufung ein

Vorteile im Zusammenhang mit dem PRIKRAF hätten damit „nicht herausgeschlagen werden sollen“, so Helmut Grubmüller. Sein Bruder habe „aus Frustration“ an die FPÖ gespendet und keinen Gesetzeskauf betrieben: „Er hat nie ein Gesetz gewollt, er hat nie ein Gesetz gebraucht.“ Es sei „überhaupt kein strafrechtliches Substrat vorhanden“, sein Mandant sei freizusprechen.

Strache-Verteidiger: „Keine Rede von strafbarem Verhalten“

Strache-Anwalt Pauer stellte in seinem Schlussplädoyer fest, die Annahmen der WKStA seien „zur Gänze falsch“ und durch das Beweisverfahren widerlegt. Die inkriminierten Spenden an die FPÖ seien nicht im Zusammenhang mit dem PRIKRAF erfolgt, sondern „aus Wut über die SPÖ“. Grubmüller habe Strache unterstützt, weil dieser die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern abschaffen wollte, bezog sich Pauer auf eine entsprechende Chatnachricht.

In einer weiteren Nachricht habe Grubmüller sogar betont, „aus Überzeugung“ gespendet zu haben. „Kein einziger Zeuge hat von einer Einflussnahme meines Mandanten gesprochen“, führte Pauer ins Treffen. Von einem strafbaren Verhalten „kann keine Rede sein“, so der Verteidiger. Das Beweisverfahren habe ergeben, dass Strache nicht bestechlich sei.

Ex-FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache
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Der Prozess war von regem Medieninteresse begleitet

Der Prozess war im Juli vertagt worden, weil Hinweise auf eine zweite Parteispende aufgetaucht waren. Die Koalition zwischen ÖVP und FPÖ platzte im Mai 2019, nachdem das „Ibiza-Video“ veröffentlicht worden war. In den verdeckt gefilmten Aufnahmen sprach Strache über fragwürdige Methoden der Parteienfinanzierung und der politischen Einflussnahme. Strache trat damals infolge des Skandals von seinen politischen Funktionen zurück.

Antikorruptionsvolksbegehren: „Nur ein Anfang“

Reaktionen zum Urteil am Freitag ließen nicht lange auf sich warten. Eine „richtungsweisende Entscheidung“ ortete der frühere Vorsitzende der Internationalen Antikorruptionsakademie, Martin Kreutner, der auch Unterstützer des Antikorruptionsvolksbegehrens ist. Das Urteil sei „nur ein Anfang“, hieß es in einer entsprechenden Aussendung. Die juristische Aufarbeitung des „systematischen Machtmissbrauchs“ in der türkis-blauen Regierungsperiode habe erst begonnen.

ORF-Reporter Westhoff über Urteil gegen Strache

Matthias Westhoff über den letzten Prozesstag gegen Strache und das Urteil wegen Bestechlichkeit.

„Heute ist ein guter Tag im Kampf gegen die politische Korruption in Österreich“, so Kreutner: „Bestechung und Bestechlichkeit sind ein Gift für jedes Gemeinwesen, denn sie untergraben das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik, die Verwaltung und den Rechtsstaat.“ Insofern sei es „erfreulich, dass ein Teil dieses Vertrauens heute wiederhergestellt wurde“.

Krainer rechnet mit weiteren Urteilen bei ÖVP

Für den SPÖ-Fraktionsführer im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss, Kai Jan Krainer, bestätigt das Urteil, dass man „sich unter Türkis-Blau Gesetze kaufen konnte“. „Wenn ÖVP und FPÖ miteinander regieren, gibt es immer und immer wieder nur zwei Stationen: Regierungsbank und Anklagebank“, meinte Krainer. Er rechnet damit, dass das Urteil gegen Strache auch seine Schatten auf weitere anstehende Prozesse gegen Ex-Finanzminister Hartwig Löger und den amtierenden Chef des Finanzressorts, Gernot Blümel (beide ÖVP), werfen wird.

Krainers grünes Pendant Nina Tomaselli sprach von einer „weiteren wichtigen Etappe beim Selbstreinigungsprozess nach ‚Ibiza‘“. Möglich geworden sei diese aufgrund einer starken, unabhängigen Justiz. „Ein funktionierender Rechtsstaat ist ein Korruptionsschutzschild. Die Grünen mit Alma Zadic als Justizministerin werden alles dafür tun, dass das so bleibt“, so Tomaselli in einer Aussendung.