Virologin Dorothee von Laer
APA/Herbert Neubauer
Virologin von Laer

„Maßnahmen reichen momentan nicht“

Die Virologin Dorothee von Laer warnt vor der Entwicklung der Coronavirus-Situation hierzulande. Derzeit „laufe“ man in eine Herbstwelle, „die massiv sein könnte“. „Momentan reichen die Maßnahmen nicht aus, die Zahlen steigen weiter an“, so die Virologin am Samstag im Ö1-Mittagsjournal. Im Radio und im Nachrichtenmagazin „profil“ warnte sie auch vor einem möglichen neuen Lockdown.

Die Herbstwelle könnte auch eine Belegung der Intensivstationen mit sich bringen, so von Laer. Man dürfe den Effekt der Delta-Variante nicht unterschätzen, so die Virologin. „Momentan hängt es ein bisschen davon ab, wie viele sich jetzt noch rasch impfen lassen und dass die sehr früh Geimpften in diesem Jahr sich rechtzeitig auffrischen lassen“, so von Laer zur momentanen Lage.

Doch: „Im Prinzip können wir momentan nicht ausschließen, dass wir wieder in einen Lockdown hineinlaufen“, sagte die Innsbrucker Virologin. „Wir müssen diese Welle abflachen, damit wir einen Lockdown vermeiden können“, so der Appell der Virologin. Sie gehe momentan davon aus, dass knapp 70 Prozent der Bevölkerung immunisiert ist – also entweder durch die Impfung oder als genesene Person.

Für den kommenden Winter könnte das aber zu wenig sein. Die Virologin pocht darauf, dass man hier noch kräftig aufholt: „Wenn sich noch zehn Prozent der Bevölkerung impfen lassen würden und Risikopersonen sich rechtzeitig auffrischen lassen, dann können wir durchaus durch den Winter kommen“, so von Laer.

„1-G-Regel“ für Virologin Unsinn

Im Interview mit dem Nachrichtenmagazin „profil“ kritisierte sie unterdessen die „1-G-Regel“, also dass nur noch die Impfung, nicht aber eine Genesung oder ein Test als Nachweis gelten. Diese ergebe für sie „überhaupt keinen Sinn“, da sie Genesene ausschließe, sagte sie in der aktuellen Ausgabe des Magazins.

Genesene seien vor einer neuerlichen Ansteckung aber sogar besser geschützt als Geimpfte, so von Laer. Die Virologin pocht im Interview auch darauf, dass eine ausführliche Antikörperstudie gemacht werden solle, um den Impfschutz der Bevölkerung herauszufinden.

Zwei Monate für Impfung von Risikokindern

Was den Impfschutz für junge Menschen anbelangt, sieht von Laer eine baldige Impfung von Kindern unter zwölf Jahren. Derzeit können Personen erst ab zwölf Jahren geimpft werden, „wir werden die Impfung für unter Zwölfjährige noch diesen Winter haben“, so die Expertin im „profil“. Rund zwei Monate werde es dann dauern, Risikokinder zu impfen.

Impfpflicht für potenzielle „Superspreader“

Gegenüber Ö1 sprach sich von Lear für eine Impfpflicht für „gewisse Bereiche“ aus: Wenn man einen Lockdown vermeiden wolle, dann „muss man doch, zumindest in gewissen Bereichen, eine Impfpflicht einführen“, so die Virologen. So sollten Pädagoginnen und Pädagogen geimpft sein, „wenn sie nicht genesen sind“, und auch für Gesundheitspersonal sei die verpflichtende Impfung „selbstverständlich“.

Auch in anderen Bereichen, wo die Gefahr bestehe, zum „Superspreader“ zu werden, weil die Person etwa mit vielen Menschen zusammenkomme, soll eine Impfung verpflichtend sein, so die Virologin. Als Beispiel nennt sie die Nachtgastronomie und den öffentlichen Verkehr, etwa „die Schaffner in überfüllten Zügen“.

Inzidenz seit Ende Juli mehr als verdreifacht

Tatsächlich stiegen die Infektionszahlen in den vergangenen Wochen deutlich. Aktuell liegt die 7-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen in den letzten sieben Tagen je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner, bei 103,3. Zum Vergleich: Am 27. Juli lag dieser Wert noch bei 31,5 – in einem Monat hat sich die Inzidenz also verdreifacht. Auch der Impffortschritt verläuft eher schleppend – allerdings mit großen regionalen Unterschieden. Gerade städtische Bezirke haben in Sachen Impffortschritt zuletzt deutlich zugelegt.

Die Kombination aus Impfrate und Inzidenz wird künftig eine deutlich wichtigere Rolle spielen: Regionale Verschärfungen sollen laut einem Erlass aus dem Gesundheitsministerium, der am Freitag in Kraft getreten ist, auch an die Durchimpfungsrate gekoppelt werden. Auch die Intensivbettenbelegung des jeweiligen Bundeslandes spielt eine Rolle – nicht mehr nur die Inzidenz alleine.