Eingangsbereich des Flughafens in Kabul
AP/Wali Sabawoon
Gespräche mit Türkei

Weiterbetrieb des Flughafens ungewiss

Ab Mittwoch übernehmen die Taliban die Kontrolle über den Flughafen von Kabul. Zuletzt war er unter Verwaltung der NATO-Länder gestanden. Die Frage ist nun, ob die Taliban tatsächlich das Know-how für den Weiterbetrieb haben. Aus Sicht des Westens ist das von großer Bedeutung, damit auch künftig Menschen aus dem Land geflogen werden können. Entsprechend laufen im Hintergrund hitzige Verhandlungen.

Laut Taliban-Angaben habe man mit den USA eine rasche Übergabe vereinbart. „Wir warten auf das abschließende Kopfnicken der Amerikaner, um die vollständige Kontrolle über den Kabuler Flughafen zu übernehmen“, sagte ein Sprecher gegenüber Reuters. Nach seinen Worten verfügten die Taliban über ein Expertenteam, das in der Lage sei, die Flughafentechnik zu bedienen.

Der Vorschlag der Taliban, wonach die Türkei künftig für den operativen Betrieb und sie nur für die Absicherung des Airports zuständig sein sollen, wurde vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit Skepsis quittiert. Die vorgeschlagene Aufgabenteilung sei schwierig umzusetzen, sagte Erdogan am Sonntag laut der Nachrichtenagentur Anadolu im Zuge laufender Verhandlungen über die künftige Absicherung.

Menschenmenge vor Evakuierung auf dem Flughafen von Kabul
Reuters/Italienisches Verteidigungsministerium
Die Türkei könnte künftig den operativen Betrieb des Flughafens Kabul übernehmen

„Wie sollen wir der Welt weiteres Blutbad erklären?“

„Sagen wir, ihr übernehmt die Absicherung (des Flughafens)“, sagte Erdogan in Richtung Taliban. „Wie sollen wir der Welt erklären, wenn dort ein weiteres Blutbad stattfindet? Es ist keine einfache Aufgabe.“ Bei einem Selbstmordanschlag auf dem Kabuler Flughafen am Donnerstag waren mehr als hundert Menschen getötet worden, darunter auch 13 US-Soldaten.

Zu dem Anschlag bekannte sich der mit den Taliban rivalisierende afghanisch-pakistanische Ableger der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), IS-K. Am Sonntag führten die USA nach eigenen Angaben einen Drohnenangriff auf ein mit Sprengstoff beladenes Auto durch – man habe damit einen weiteren Anschlag verhindert, so der Tenor.

Türkei prüft Betrieb des Flughafens

Trotz der geäußerten Skepsis Erdogans prüft die Türkei nach Angaben von Außenminister Mevlüt Cavusoglu den Betrieb des Flughafens. Zu den Reparaturen und dem Betrieb brauche man Personal und Anlagen, fügte Cavusoglu hinzu. Dabei sei es wichtig, von den Taliban Sicherheitsgarantien zu bekommen.

Bisher spielte die NATO für das Funktionieren des Flughafens eine große Rolle: Zivilpersonal des Militärbündnisses übernahm die Luftverkehrskontrolle, Treibstoffversorgung und Kommunikation, während Soldaten aus der Türkei, den USA, Großbritannien und Aserbaidschan für die Sicherheit zuständig waren.

Forderung nach Sicherheitszone

Frankreich und Großbritannien wollen sich für eine UNO-Sicherheitszone um den Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul einsetzen, um weitere Evakuierungen zu gewährleisten.

Deutschland kündigte finanzielle und technische Hilfe beim Wiederaufbau des schwer beschädigten Flughafens an. Das sagte Außenminister Heiko Maas am Sonntag in der Türkei zum Auftakt einer viertägigen Reise in fünf Länder, die bei den weiteren Bemühungen um die Ausreise Schutzbedürftiger aus Afghanistan eine Rolle spielen.

Taliban sichern geordnete Ausreise von Ortskräften zu

Unterdessen versicherten die Taliban mehreren Ländern, dass ihre Staatsbürger und Ortskräfte aus dem Land ausreisen dürfen. Man habe von den Taliban Zusicherungen erhalten, dass „alle ausländischen Staatsangehörigen und alle afghanischen Staatsbürger mit einer Reisegenehmigung aus unseren Ländern sicher und geordnet zu Abflugorten sowie aus dem Land reisen dürfen“, hieß es in einer am Sonntag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung von fast 100 Ländern, darunter die USA und Deutschland.

Man werde bestimmten Afghanen weiterhin Reisedokumente ausstellen, und man habe die klare Erwartung und Zusage der Taliban, dass diese in die jeweiligen Länder reisen könnten, heißt es in der Erklärung weiter. Man nehme zudem die öffentlichen Erklärungen der Taliban zur Kenntnis, die dieses Verständnis bestätigten. In den vergangenen Tagen hatten mehrere hochrangige Taliban-Mitglieder öffentlich versichert, dass Afghanen weiterhin über legale Wege aus dem Land ausreisen könnten.

US Flugzeug über dem Flughafen von Kabul
AP/Wali Sabawoon
Der Flugbetrieb soll auch nach dem US-Abzug aus Kabul weitergeführt werden

Insgesamt gut 114.000 Menschen ausgeflogen

Kurz vor dem Ende der Evakuierungsmission sind binnen 24 Stunden rund 2.900 Menschen aus Kabul ausgeflogen worden. Eine Sprecherin des Weißen Hauses teilte mit, bis zum Sonntagvormittag (Ortszeit Kabul) habe die US-Luftwaffe mit 32 Flügen rund 2.200 Menschen in Sicherheit gebracht, neun Flugzeuge von Verbündeten hätten rund 700 Menschen evakuiert. Seit dem Start des Einsatzes Mitte August hätten die USA und ihre Partner damit insgesamt gut 114.000 Menschen ausgeflogen.

Die Zahl der pro Tag ausgeflogenen Personen ist zuletzt wegen des beginnenden US-Abzugs und der Einstellung von Rettungsflügen durch Verbündete deutlich zurückgegangen. Von Dienstag auf Mittwoch zum Beispiel waren innerhalb von 24 Stunden noch etwa 19.000 Menschen evakuiert worden. Die Zahl der Flüge der US-Luftwaffe ging indes nur geringfügig zurück, was nahelegt, dass nun verstärkt auch US-Soldaten und Ausrüstung ausgeflogen werden.

UNO-Sicherheitszone in Kabul?

Unterdessen möchte sich Frankreich mit Großbritannien für die Schaffung einer UNO-Sicherheitszone in Kabul einsetzen, um von dort aus Evakuierungen nach dem Abzug der Amerikaner fortsetzen zu können. Das sei Ziel einer gemeinsamen Resolution bei einer Dringlichkeitssitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen am Montag, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron der Sonntagszeitung „Le Journal du Dimanche“.

„Unser Resolutionsentwurf zielt darauf ab, eine Sicherheitszone in Kabul zu definieren, die eine Fortsetzung der humanitären Operationen ermöglicht“, sagte Macron. „Das würde einen UNO-Rahmen für dringende Maßnahmen schaffen und vor allem alle Beteiligten vor ihre Verantwortung stellen, und der internationalen Gemeinschaft ermöglichen, den Druck auf die Taliban aufrechtzuerhalten.“

„Was wir versuchen, ist, gezielte humanitäre Einsätze für Evakuierungen organisieren zu können, die nicht über den Militärflughafen in Kabul abgewickelt werden“, sagte Macron der Zeitung. „Es geht darum, diese bedrohten Afghanen zu schützen und sie in den nächsten Tagen oder Wochen aus dem Land zu bringen.“ Man werde sehen, ob das über den zivilen Flughafen von Kabul oder über die Nachbarländer geschehen kann. Maas zeigte sich gegenüber dem französischen Vorschlag offen.