Lilli Hollein am Dach des MAK in Wien
Katharina Gossow/MAK
Design für alle

Im MAK beginnt die Ära Hollein

Die großen Meisterwerke der Gestaltung und des Designs in Österreich haben im Museum für angewandte Kunst (MAK) ihre Heimat. Lange war das Museum mit dem Namen von Peter Noever eng verzahnt. Mit ersten September ist das Haus am Ring künstlerisch und kaufmännisch komplett in Frauenhand. Die neue MAK-Chefin Lilli Hollein verspricht nach sehr kurzer Vorbereitung auf den neuen Job eine komplette Öffnung für neue Schichten. Und dass man das Publikum von morgen bei seinen Erfahrungen in den eigenen vier Wänden abholen könne.

Die Meisterin im Inszenieren von Offspace-Venues ist nun in einem der Zentralbauten der heimischen Museumslandschaft angekommen: Ab Mittwoch ist die Erfinderin der Vienna Design Week, die Industriedesignerin und Kuratorin Hollein, Hausherrin einer Institution, die in der Museumslandschaft Österreichs seit der Zeit Noevers markante Konturen hat – und die nicht erst seit dem Bau der schwebenden Treppe Richtung Wienfluss weit über die Grenzen des Museums hinaus wirkt.

„Das MAK ist eine großartige Institution, die ich schon als Kind erstmals betreten habe, deren Schausammlung ich im Zuge meines Studiums über großartige Kustodinnen kennenlernen durfte – und es ist ein Haus, das sich dennoch wieder neu positionieren und seine eigene Geschichte neu entdecken muss“, erzählt Hollein kurz vor ihrem offiziellen Dienstantritt am 1. September im Gespräch mit ORF.at.

Lilli Hollein als Hausherrin im MAK
Herbert Neubauer / APA
Aufwärts zu einer neuen Aufgabe in einem gut bekannten Haus

„Haben die Chance, Menschen in ihrem Alltag abzuholen“

„Ich glaube, wir haben die Chance, die Menschen bei ihren Alltagserfahrungen abzuholen. Im MAK befinden sich viele Gegenstände, die sehr viel mit dem Alltag und dem Leben der Menschen zu tun haben“, skizziert Hollein ihren Zugang zu diesem Traditionshaus. Und diese Erfahrung genauer in einem Museum unter die Lupe zu nehmen, das sei eine große Chance und Herausforderung. „Letztlich werden wir die Leute nicht beim Stolz auf etwas abholen, sondern können zeigen, dass wichtige Elemente der Design- und Gestaltungsgeschichte hier begonnen haben“, so Hollein.

„Wir müssen die Exzellenz der Gestaltung in diesem Haus leben und darstellen“, umreißt die Wiener Weltbürgerin ihr Credo. Und dieser Exzellenzanspruch müsse sich auch in den digitalen Raum hinein übersetzen. Und, so fügt sie hinzu: „Es muss gelingen, jene Erlebnisse zu schaffen, dass sich ein bekannter Ort neu anfühlt.“

Drei Säulen in der Neuausrichtung des MAK

Ein Museum, das wie Designhäuser in Skandinavien eine Art Leistungsschau nationaler Identität präsentiert, sei hier nicht zu realisieren – schon allein deshalb, weil das nicht dem österreichischen Umgang mit der eigenen Gestaltungsgeschichte entspreche. „Design ist bei den Skandinaviern eine Haltung“ – und die sei dort stark mit der nationalen Identität verwoben.

„Wir müssen mit dem MAK über den nationalen Blickwinkel und eine eurozentrische Perspektive mit unserem Museum hinauskommen“, skizziert Hollein ihre Ausrichtung. Damit liegt sie im gegenwärtigen Trend zu einem postkolonialen Blick auf die eigene Museumsgeschichte. „Ein Museum muss offen für ganz unterschiedliche Gruppen sein – und diese sollen im Museum so etwas wie den Platz für ihre Identität finden“, beschreibt sie ihren Zugang, der für sie auf drei Säulen ruhe: Einerseits die Schausammlung des Hauses wieder „neu zu erzählen“, was nicht über die Exponate an sich, sondern auch über die Biografien und Geschichten dazu möglich sei – andererseits den Raum für popkulturelle Themen zu eröffnen. Und schließlich, so sagt sie, müsse man die Lektion des digitalen Zeitalters, aber auch jene der Pandemie, genau lernen – und das Museum auch als eine Form der Kommunikationsarchitektur nach außen begreifen. Wichtige sei es eben, über den realen Raum hinaus „Bindungen und eine Verbundenheit“ zu erzeugen.

Künstlerisches Rendering der immersiven Installation Invocation for Hope, 2021
Superflux
Das Museum als Erlebnis- und Erkenntnisraum: Installation der Gruppe Superflux im Rahmen der bis Oktober noch laufenden Biennale for Change

Durch die kurze Zeit zwischen ihrer Bestellung (heuer im Frühjahr) und ihrem Amtsantritt, müssten sich Dinge ohnedies organisch weiter entwickeln. Aber, so fügt sie hinzu, dieser Ansatz komme ihrem Naturell entgegen, Dinge Schritt für Schritt zu entwickeln. Eine neue „Corporate Identity“ ist für die Designexpertin Hollein dabei zentral – frei nach ihrem Credo, dass Design eben nicht Aufputz, sondern Haltung und zentrales Element der Lebensgestaltung sei.

„Design war nie wichtiger als heute“

„Design und Kunst waren nie wichtiger als heute“, umschreibt Hollein ihr gelebtes Credo. Design habe für sie eine Moderatorenfunktion in der Gestaltung gesellschaftlicher Prozesse – und es wirke auf die Art, wie wir Produkte erlebten, ebenso ein, wie es auch Sehnsüchte erzeuge und kommuniziere.

Lilli Hollein, Generaldirektorin und wissenschaftliche Geschäftsführerin, und Teresa Mitterlehner-Marchesani, Wirtschaftliche Geschäftsführerin, MAK
Katharina Gossow/MAK
Lilli Hollein und die kaufmännische Leiterin Teresa Mitterlehner-Marchesani

Zu ihrem Amtsantritt hat Hollein noch zwei Schauen aus der Direktion ihres Vorgängers Christoph Thun-Hohenstein laufen, dem sie Rosen streut, auch für die gute Zusammenarbeit, die man etwa im Rahmen der Vienna Design Week gepflogen habe. Zu sehen sind noch die Schauen „Die Frauen der Wiener Werkstätte“ ebenso wie die „Vienna Biennale for Change“, die sich bis Ende Oktober dem großen Trend der Neuausrichtung unserer Lebensbereiche in Zeiten des Klimawandels stellt. Auch hier wird deutlich, welches Potenzial in den Antworten der Kunst steckt – und welche Erlebnisräume gerade auch zur Selbsterkenntnis in einem Museum führen können.

Viel Zeit, so verrät Hollein am Schluss, habe sie in den letzten Wochen in die Zusammenarbeit mit dem Team gesteckt. Verlassen wird sie sich auf die Expertise der Wirtschaftlichen Geschäftsführerin Teresa Mitterlehner-Marchesani, die bereits in ihre zweite fünfjährige Vertragsperiode startet. Stützen kann sie sich zudem auf ein breites Team erfahrener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit ihrer Expertise schon lange dem Haus verbunden sind. Genau an einer organischen Weiterentwicklung sei ihr gelegen, betont Hollein. Die Frage, ob es sie mittels Kooperationen weiter auch in den Offspace-Bereich ziehen werde, beantwortet Hollein mit einem Lachen: „Jetzt ist das MAK hier die Aufgabe.“ Außerdem habe das MAK Außenstellen, die es ebenso weiterzuentwickeln gelte.