Experte: Diskussion über Abschiebung von Afghanen „absurd“

Auch wenn die Taliban beteuern, abgeschobene, möglicherweise straffällige Afghanen aufzunehmen und vor ein Gericht zu stellen: Abschiebungen in das von den Radikalislamisten übernommene Land sind nicht zulässig. Sie wären eine klare Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), sagte heute der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak (Uni Wien).

Die von den Taliban angewandte – und von ihnen extrem strikt ausgelegte – Scharia stehe in klarem Widerspruch zum Artikel 3 der EMRK, wonach „niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden“ darf, sagte Nowak.

Denn die Auslegung der Scharia durch die Taliban sehe unmenschliche Strafen wie Amputationen und gar die Todesstrafe vor – und lasse alle rechtsstaatlichen Standards vermissen.

Schubhaft de facto ungesetzlich

Die Diskussion über Abschiebungen sei unsinnig, denn „jetzt geht es darum, gefährdete Menschen herauszubekommen“. Jetzt überhaupt über Abschiebungen nachzudenken sei auch „völlig absurd“ – und diene nur der Ablenkung.

Die Zahl der Afghanen in österreichischer Schubhaft sei gering – und sie müssten eigentlich sofort freigelassen werden. Denn angesichts der unmöglichen Rückführung in ihre Heimat werde hier de facto eine – gesetzlich nicht erlaubte – Sicherungshaft angewandt, merkte Nowak an.

Dass derzeit Abschiebungen nach Afghanistan nicht zulässig sind, ging vor zwei Wochen auch aus einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) hervor: Die Verfassungsrichterinnen und -richter gaben dem Antrag eines afghanischen Staatsbürgers auf aufschiebende Wirkung betreffend seine Anhaltung in Schubhaft statt – und stellten fest, dass angesichts der aktuellen Entwicklungen eine zeitnahe Abschiebung in das Land nicht möglich sei.

Nehammer: „Immer anhand der Menschenrechtskonvention“

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sagte, nur dann abzuschieben, wenn es „die rechtlichen Möglichkeiten hergeben“. „Abschiebungen richten sich immer nach einem ganz klaren gesetzlichen und rechtlichen Reglement: immer anhand der Europäischen Menschenrechtskonvention, anhand der europäischen Gesetze. Wenn diese das Abschieben möglich machen, dann schieben wir ab, wenn sie es nicht möglich machen, dann können wir nicht abschieben“, sagte Nehammer heute im Vorfeld eines Sondertreffens der EU-Innenminister.