Demo gegen Änderung des Abtreibungsgesetzes in Austin
APA/AFP/Getty Images/Sergio Flores
Gesetz in Kraft

Abtreibungen in Texas nun de facto verboten

Sobald der Herzschlag eines Fötus zu erkennen ist, sind Abtreibungen im US-Bundesstaat Texas seit Mittwoch verboten. Der Supreme Court äußerte sich bisher nicht zu dem Abtreibungsgesetz und einem Dringlichkeitsantrag von Abtreibungsbefürwortern. Damit trat das umstrittene Gesetz in Kraft.

Der Herzschlag ist mitunter schon in der sechsten Schwangerschaftswoche zu merken. Viele Frauen wissen dann oft noch nichts von ihrer Schwangerschaft. Die Empörung bei Frauenrechtsaktivistinnen und -aktivisten sowie Abtreibungskliniken ist groß. Das Abtreibungsgesetz in Texas ist das strengste in den USA. Der republikanische Gouverneur Greg Abbott hatte den Gesetzesentwurf im Mai unterzeichnet.

Mehrere Abtreibungskliniken und Frauenrechtsgruppen hatten gegen das Gesetz geklagt. Die Kliniken fürchten, dass mindestens 85 Prozent aller Abtreibungspatientinnen mit dem Gesetz von der Behandlung ausgeschlossen werden. Zudem befürchten Kritiker, dass das Gesetz nur schwer gerichtlich anfechtbar ist.

Greg Abbott
Reuters/Callaghan O’hare
Der republikanische Gouverneur Abbott unterzeichnete den Gesetzesentwurf im Mai

Gesetz ermächtigt Privatpersonen zur Klage

Denn das Gesetz sollen nicht Behörden, sondern Privatpersonen durchsetzen, die Menschen, die bei der Abtreibung helfen, klagen dürfen. Dafür winkt ihnen eine Belohnung von mindestens 10.000 Dollar (8.460 Euro) und der Ersatz der Anwaltskosten. Die Klagenden können aus allen US-Bundesstaaten kommen. Zu den Helfern zählen etwa Ärzte, Berater, aber auch Taxifahrer, die eine Patientin in die Abtreibungsklinik bringen.

Schon im April verliehen Hunderte texanische Anwälte ihren rechtlichen Bedenken in einem offenen Brief Ausdruck. Der weit gefasste Klagsgrund ermögliche selbst einem Vergewaltiger, die Familie und Helfer seines Opfers zu klagen und dafür auch noch Geld zu bekommen.

Noch keine Entscheidung über Verfassungsmäßigkeit

Abtreibungskliniken hatten beim Höchstgericht einen Dringlichkeitsantrag eingereicht, um das Gesetz in letzter Minute zu blockieren. Es wird eine baldige Reaktion des Gerichts erwartet. Damit könnte das Verbot doch noch gekippt werden.

Roe vs. Wade

Die Grundsatzentscheidung des Supreme Court von 1973 begründete ein verfassungsmäßiges Recht auf Abtreibung bis zur Lebensfähigkeit des Fötus – also bis zur 22. bis 24. Schwangerschaftswoche

Noch habe kein Gericht über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes entschieden, argumentierte der Jurist Stephen Vladeck an der University of Texas via Twitter: „Ungeachtet dessen, was einige sagen werden, ist das nicht das ‚Ende‘ von Roe (vs. Wade, Anm.).“

Bisher untersagte das US-Höchstgericht Staaten, Abtreibungen vor der Lebensfähigkeit des Fötus außerhalb des Mutterleibs zu verbieten (Roe vs. Wade). Mit dem neuen Gesetz könnte es Texas gelungen sein, diese Regelung zu unterlaufen, da nicht Behörden, sondern Privatpersonen für den Vollzug des Gesetzes zuständig sind.

Neue Position des Supreme Court möglich

Die Haltung des Supreme Court könnte sich aufgrund des Rechtsrucks unter den Höchstrichterinnen und Höchstrichtern ändern. In der mit Oktober beginnenden Legislaturperiode will das Gericht entscheiden, ob die Entscheidung Roe vs. Wade in einem Fall aus Mississippi aufgehoben wird. Bis Ende Juni 2022 soll ein Urteil fallen. Dabei geht es um ein Gesetz, das Abtreibungen nach der 15. Schwangerschaftswoche verbieten soll.

Republikanisch geführte Bundesstaaten wie Texas und Mississippi setzen nun auf die mit Ex-US-Präsident Donald Trump veränderte Zusammensetzung des Höchstgerichts zur Festigung ihrer Antiabtreibungspolitik. So ersetzte Richter Brett Kavanaugh den vorsichtigen Befürworter von Abtreibung, Anthony Kennedy. Die Richterin Amy Coney Barrett urteilt nun statt Ruth Bader Ginsburg, die den Zugang zu Abtreibung als wesentlich für die Gleichberechtigung der Frau ansah. Die konservativen Richter haben damit eine Mehrheit.

US-Präsident Joe Biden reagierte empört auf die neue Regelung. Der Demokrat argumentierte wie zahlreiche Frauenrechtsorganisationen, dass das Gesetz verfassungswidrig sei. Es verstoße gegen das Grundsatzurteil des Obersten Gerichts von 1973, bekannt als „Roe v. Wade“, das Abtreibungen landesweit legalisierte. Seine Regierung sei dem verfassungsmäßigen Recht verpflichtet und werde es „schützen und verteidigen“.