Wirecard-Hauptquartier in München
Reuters/Michael Dalder
Marsalek-Vertrauter

Weitere Verhaftung in Wirecard-Skandal

Seit dem Vorjahr wird weltweit nach dem Österreicher Jan Marsalek, der eine zentrale Rolle in der Milliardenpleite von Wirecard gespielt hat, gefahndet. Nun gibt es zumindest einen Zwischenerfolg: Laut der „Süddeutschen Zeitung“ wurde in Singapur nun mehr als ein Jahr nach dem Auffliegen des Skandals ein enger Vertrauter von Marsalek verhaftet.

Der Skandal um den deutschen Finanzdienstleister Wirecard, der rasant wuchs, hat das Nachbarland bis in höchste politische Kreise erschüttert und auch nach Österreich ausgestrahlt. Die inzwischen insolvente Wirecard AG um den ehemaligen österreichischen Firmenchef Markus Braun und den mutmaßlich ins Ausland geflüchteten ebenfalls österreichischen Vorstand Marsalek hatte im vergangenen Sommer eingestanden, dass in der Bilanz aufgeführte 1,9 Mrd. Euro nicht auffindbar sind.

Der nun verhaftete Marsalek-Vertraute, der 46-jährige Brite Henry O’Sullivan, sitzt laut „Süddeutscher Zeitung“ in Singapur nun „bis auf Weiteres“ im Gefängnis. Er werde wegen Beihilfe zur Veruntreuung von Wirecard-Vermögen gesucht. Der Geschäftsmann soll Marsalek geholfen haben, hohe Millionenbeträge beiseitezuschaffen.

Braun schiebt Schuld auf Marsalek

Der ehemalige Chef Braun und zwei weitere Ex-Vorstände wurden im Juli 2020 festgenommen. Marsalek flüchtete, er wird mit internationalem Haftbefehl gesucht. Braun äußerte sich im Mai über seinen Kommunikationsberater in der „Zeit“. Er will von dem milliardenschweren Betrug erst aus den Akten der Ermittler erfahren haben. Die Verantwortung schob er auf seinen früheren Geschäftspartner Marsalek.

O’Sullivan sei bereits am Montag festgenommen worden, berichtete die „Süddeutsche“ nun. Am Mittwoch sei er per Video von einem Bezirksgericht in Singapur angehört worden, wie die Zeitung unter Berufung auf die örtliche „Straits Times“ berichtete. Es soll bereits eine Anklage gegen ihn wegen Beihilfe zur Fälschung eines Dokuments vorliegen. O’Sullivan solle die in Singapur ansässige Firma Citadelle 2016 angestiftet haben, eine Saldenbestätigung zu fälschen. Mit diesem Dokument sei Wirecard-Vermögen auf einem angeblichen Treuhandkonto vorgegaukelt worden.

Abzuwarten bleibt, ob und wenn ja, wann O’Sullivan an die deutschen Behörden ausgeliefert wird. Unklar ist auch, ob O’Sullivan die Behörden auf die Spur von Marsalek führen kann oder will.

Geschäfte vorgetäuscht

Wirecard hatte Ende Juni 2020 Insolvenz angemeldet. Der Zahlungsdienstleister soll jahrelang seine Bilanzen gefälscht haben. Die Wirecard-Chefetage soll über Jahre Scheingeschäfte in Milliardenhöhe verbucht haben, um das Unternehmen über Wasser zu halten und Kredite zu erschwindeln.

Die Münchner Staatsanwaltschaft geht von einem „gewerbsmäßigen Bandenbetrug“ aus – und zwar seit dem Jahr 2015. Mit dem Skandal wurden ein Börsenwert von rund 24 Milliarden Euro vernichtet und zahllose Anleger und Anlegerinnen geschädigt. Auch bei der „Financial Times“, die den Skandal jahrelang recherchierte und aufdeckte, versuchten Braun und Marsalek laut dem Finanzblatt zu intervenieren.

Auch in Österreich bestens vernetzt

Das österreichische Duo war nicht nur in Deutschland, sondern auch hierzulande politisch bestens vernetzt. Marsalek wurde in Medienberichten auch als Informant von BVT-Infos an die FPÖ gehandelt. Die FPÖ dementierte einen entsprechenden „Presse“-Bericht des Vorjahres freilich umgehend. Fest steht, dass Marsalek gern mit seinen Kontakten zu Geheimdienstkreisen prahlte.

In Deutschland sorgte vor allem das Versagen der Aufsichtsbehörden, die trotz vorgebrachter Vorwürfe und entsprechender Medienberichte nicht aktiv wurden, für Aufsehen. Ein parlamentarischer U-Ausschuss hatte Dutzende Zeugen und Zeuginnen vernommen – darunter auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD).

Nicht zuletzt aufgrund des Bundestagswahlkampfs fielen die Schlussfolgerungen je nach Partei sehr unterschiedlich aus. Die Opposition sprach von einem „politischen Netzwerk“ und kritisierte CDU/CSU und SPD, dass diese nicht einmal den Anflug von Selbstkritik zeigen würden.