Demo gegen das Abtreibungsgesetz in Texas
AP/The Monitor/Joel Martinez
Texas

Höchstgericht stützt Abtreibungsgesetz

Der Oberste Gerichtshof der USA hat einen Eilantrag zur Blockierung eines äußerst strikten Abtreibungsrechts im US-Bundesstaat Texas abgelehnt. Der Supreme Court begründete seine Entscheidung am Mittwochabend (Ortszeit) mit „komplexen und neuartigen verfahrenstechnischen Fragen“. Damit traf er allerdings keine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des umstrittenen Gesetzes.

Die Entscheidung erfolgte durch eine knappe Mehrheit von fünf Richterinnen und Richtern, von denen drei vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump ernannt worden waren. Damit bilden Richter aus dem konservativen Lager in dem neunköpfigen Gremium die Mehrheit.

Die liberale Richterin Sonia Sotomayor bezeichnete die Entscheidung als „verblüffend“ und sagte, ihre Kollegen hätten sich dafür entschieden, „den Kopf in den Sand zu stecken“, anstatt ein „offenkundig verfassungswidriges Gesetz zu verhindern“. Mehrere Menschenrechtsgruppen hatten am Montag den Eilantrag beim Supreme Court eingereicht, in der Hoffnung, das Inkrafttreten des Gesetzes zu stoppen.

Abtreibung bei Herzschlag verboten

Das neue Abtreibungsrecht ist seit Mittwoch in Kraft. Seither sind Abtreibungen verboten, sobald der Herzschlag eines Fötus zu erkennen ist. Das ist mitunter schon in der sechsten Schwangerschaftswoche der Fall – viele Frauen wissen zu diesem Zeitpunkt noch nichts von ihrer Schwangerschaft. Selbst im Fall einer Vergewaltigung oder bei Inzest sieht das Gesetz keine Ausnahmen vor. Abtreibungen zu einem späteren Zeitpunkt sind nur erlaubt, wenn die Gesundheit der Schwangeren in Gefahr ist.

Es ist das strengste Abtreibungsgesetz der USA. Die Empörung bei Frauenrechtsaktivistinnen und -aktivisten sowie Abtreibungskliniken ist groß. Der republikanische Gouverneur Greg Abbott hatte den Gesetzesentwurf im Mai unterzeichnet.

Kliniken klagten

Mehrere Abtreibungskliniken und Frauenrechtsgruppen hatten gegen das Gesetz geklagt. Die Kliniken fürchten, dass mindestens 85 Prozent aller Abtreibungspatientinnen mit dem Gesetz von der Behandlung ausgeschlossen werden. Zudem befürchten Kritiker, dass das Gesetz nur schwer gerichtlich anfechtbar ist.

Greg Abbott
Reuters/Callaghan O’hare
Der republikanische Gouverneur Abbott unterzeichnete den Gesetzesentwurf im Mai

Für Empörung sorgt auch, dass nicht die Behörden die neuen Regelungen durchsetzen sollen, sondern Privatleute. Bürger werden ermutigt, jene zu verklagen, die sie verdächtigen, Frauen bei einer Abtreibung nach der sechsten Woche geholfen zu haben.

Dafür winkt ihnen eine Belohnung von mindestens 10.000 Dollar (8.460 Euro) und der Ersatz der Anwaltskosten. Die Klagenden können aus allen US-Bundesstaaten kommen. Zu den Helfern zählen etwa Ärzte, Berater, aber auch Taxifahrer, die eine Patientin in die Abtreibungsklinik bringen.

Schon im April verliehen Hunderte texanische Anwälte ihren rechtlichen Bedenken in einem offenen Brief Ausdruck. Der weit gefasste Klagsgrund ermögliche selbst einem Vergewaltiger, die Familie und Helfer seines Opfers zu klagen und dafür auch noch Geld zu bekommen.

Roe vs. Wade im Fokus

Bisher untersagte das US-Höchstgericht Staaten, Abtreibungen vor der Lebensfähigkeit des Fötus außerhalb des Mutterleibs zu verbieten (Roe vs. Wade). Mit dem neuen Gesetz könnte es Texas gelungen sein, diese Regelung zu unterlaufen, da nicht Behörden, sondern Privatpersonen für den Vollzug des Gesetzes zuständig sind.

Roe vs. Wade

Die Grundsatzentscheidung des Supreme Court von 1973 begründete ein verfassungsmäßiges Recht auf Abtreibung bis zur Lebensfähigkeit des Fötus – also bis zur 22. bis 24. Schwangerschaftswoche.

Die Haltung des Supreme Court könnte sich aufgrund des Rechtsrucks unter den Höchstrichterinnen und Höchstrichtern ändern. In der mit Oktober beginnenden Legislaturperiode will das Gericht entscheiden, ob die Entscheidung Roe vs. Wade in einem Fall aus Mississippi aufgehoben wird. Bis Ende Juni 2022 soll ein Urteil fallen. Dabei geht es um ein Gesetz, das Abtreibungen nach der 15. Schwangerschaftswoche verbieten soll.

Republikanisch geführte Bundesstaaten wie Texas und Mississippi setzen nun auf die mit Ex-US-Präsident Donald Trump veränderte Zusammensetzung des Höchstgerichts zur Festigung ihrer Antiabtreibungspolitik. So ersetzte Richter Brett Kavanaugh den vorsichtigen Befürworter von Abtreibung, Anthony Kennedy. Die Richterin Amy Coney Barrett urteilt nun statt Ruth Bader Ginsburg, die den Zugang zu Abtreibung als wesentlich für die Gleichberechtigung der Frau ansah. Die konservativen Richter haben damit eine Mehrheit.

Biden empört

US-Präsident Joe Biden reagierte empört auf die neue Regelung. Der Demokrat argumentierte wie zahlreiche Frauenrechtsorganisationen, dass das Gesetz verfassungswidrig sei. Es verstoße gegen das Grundsatzurteil des Obersten Gerichts von 1973, bekannt als „Roe v. Wade“, das Abtreibungen landesweit legalisierte. Seine Regierung sei dem verfassungsmäßigen Recht verpflichtet und werde es „schützen und verteidigen“.