Mikis Theodorakis, 1985
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1925–2021

Mikis Theodorakis ist tot

Der griechische Komponist Mikis Theodorakis ist am Donnerstag im Alter von 96 Jahren in Athen gestorben, wie griechische Medien übereinstimmend berichteten. International erlangte er als Musiker, Schriftsteller und Politiker Berühmtheit. Theodorakis schuf mit der Titelmelodie zum Film „Alexis Sorbas“ aus dem Jahr 1964 das möglicherweise bekannteste Stück griechischer Musik überhaupt.

Griechische Musik, griechischer Widerstand, griechische Kultur – all das versinnbildlicht Theodorakis. In seiner Heimat heißt es, „Mikis“ habe die griechische Seele in die Sprache der Musik übersetzen können, sodass sie weltweit verstanden wurde. Am 29. Juli hatte die „Stimme Griechenlands“ noch seinen 96. Geburtstag gefeiert, am Donnerstag starb Theodorakis in Athen.

Der fast zwei Meter große Mann wirkte in den vergangenen Jahren gebrechlich und hatte das Dirigieren aufgegeben, nahm jedoch noch im Juni 2019 an einem Konzert zu seinen Ehren im alten Athener Olympiastadion teil. Theodorakis war dabei geistig stets wach und dynamisch, etwa wenn er sich, im Rollstuhl sitzend, mit lauter Stimme und leuchtenden Augen zu politischen Themen seines Landes äußerte.

Auf seiner Website kommentierte er bis zuletzt das Geschehen griechischer Tagespolitik. Als die Coronavirus-Pandemie ausbrach, kritisierte er etwa scharf die Regierung in Athen, weil sie zunächst vergessen hatte, den arbeitslos gewordenen Musikerinnen und Musikern mit Zuschüssen unter die Arme zu greifen.

Dirigent und Komponist Mikis Theodorakis
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Mikis Theodorakis wurde vor allem für seine Filmmusik, allen voran für „Alexis Sorbas“ bekannt

„Alexis Sorbas“ als heimliche griechische Nationalhymne

Mit seinem Soundtrack für den Film „Alexis Sorbas“ mit Anthony Quinn in der Hauptrolle wurde Theodorakis Anfang der 1960er weltweit bekannt. Bis heute gilt der Titelsong als heimliche griechische Nationalhymne – mitsamt dem Tanz, bei dem Menschen weltweit Arm in Arm die Beine zum immer schnelleren Takt in die Höhe werfen.

Das prägnante „Tadam …“ des Liedes könne es in puncto Bekanntheit sogar mit Beethovens fünfter Sinfonie aufnehmen, sagen Musikwissenschaftler. Aber auch seine Filmmusik zu Costa-Gavras’ „Z“ (1969), der die griechische Militärdiktatur thematisierte und als Klassiker des politisch engagierten Kinos gilt, zu Sidney Lumets „Serpico“ (1973) sowie die Vertonung des „Canto General“ (1970–1981) nach Versen von Pablo Neruda machten ihn weltweit bekannt.

Faszination für Beethoven

Theodorakis wurde am 29. Juli 1925 auf der Insel Chios geboren. Zur Musik kam er durch einen alten Film über Beethoven. „Ich sah den Film zusammen mit meinem Vater. Ich war fasziniert“, erzählte er in einem Interview des griechischen Fernsehens. „Ich bat meinen Vater, der beruflich nach Athen fuhr, mir alles zu bringen, was er in der Hauptstadt über Musik finden konnte. So fing es an.“ Später studierte er Musik am Athener Konservatorium.

Während des Zweiten Weltkriegs schloss er sich dem kommunistisch dominierten Widerstand an. Im Bürgerkrieg (1947–1949) schlug er sich auf die Seite der Linken, wurde in die Verbannung geschickt und gefoltert. Als Komponist wurde Theodorakis Anfang der 1960er Jahre weltbekannt. Nachdem er zunächst klassische Musik komponiert hatte, bezog er sich auf seine Wurzeln in der griechischen Musik und baute auf dem Musikstil Rembetiko auf, der Volksmusik der griechischen Arbeiter und Außenseiter.

Miguel Littin, Patricia Reyes Spindola, Eduardo Lopez Rojas und Mikis Theodorakis im Jahr 1975
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Links im Bild: Theodorakis bei der Präsentation von „Actes de Marusia“ beim Cannes-Filmfestival 1975

Musik zeitweise in Griechenland verboten

Theodorakis produzierte so seinen „Mikis-Sound“, der bis heute unverkennbar ist – mal tragisch und melancholisch, dann wieder überraschend triumphal und revolutionär. Eine Art Magie zeichne seine Musik aus, sagen viele seiner Landsleute. Und auch international hatte der Komponist unzählige Fans – darunter auch Prominente wie Arthur Miller, Francois Mitterrand, Wolf Biermann, Martin Walser und Roger Willemsen. Letzterer schrieb nach einem Treffen mit dem Komponisten: „Europa hatte keinen Che Guevara, es hatte Mikis Theodorakis. (…) Wir waren mit ihm. Wer nie vom Umsturz der Diktaturen geträumt hat, wird bekanntlich nie erwachsen.“

1967 ging Theodorakis wieder in den Widerstand, diesmal gegen die Obristenjunta in Griechenland (1967–1974). Seine Musik wurde in Griechenland verboten, die Griechen hörten sie aber weiter zu Hause und in ausländischen Radiosendern, die damals die Quelle für unabhängige Nachrichten waren. Theodorakis wurde schließlich festgenommen. Nach internationalen Protesten konnte er das Land verlassen und lebte bis 1974 im Pariser Exil. Dort komponierte er „Axion Esti“, „Das Lied vom Toten Bruder“ und den „Canto General“.

Von den Kommunisten zu den Konservativen

Nach der Wiederherstellung der Demokratie 1974 kehrte er in seine Heimat zurück und startete ein politisches Wechselspiel. Theodorakis wurde Abgeordneter für die Kommunisten. Mit der moskauhörigen Politik der damaligen Kommunistischen Partei war er aber nicht einverstanden. Er zog sich zunächst zurück – und schloss sich wenig später den Konservativen an, für die er ins Parlament gewählt wurde. Eine Weile war Theodorakis Minister der konservativen Partei. Als diese ihn auch enttäuschte, näherte er sich den Sozialisten an.

Als Alexis Tsipras mit seinem Bündnis der Radikalen Linken die Wahl in Griechenland 2015 gewann, gab Theodorakis dem jungen Regierungschef seinen Segen: „Ich stehe dir bei“, sagte er dem Ministerpräsidenten. Er zögerte aber nicht, das wenige Monate später, im Sommer 2015, verkündete harte Sparprogramm deutlich zu kritisieren. Aus Protest gründete er eine Bewegung gegen die „Unterwerfung Griechenlands“, wie er damals sagte.

Dreitägige Staatstrauer in Griechenland

Die griechische Regierung hat unterdessen eine dreitägige Staatstrauer für Theodorakis angeordnet. „Seine Stimme ist verstummt – und mit ihr alle Griechen weltweit“, sagte Premier Kyriakos Mitsotakis am Vormittag. „Wir hatten vergessen, dass er sterblich ist. Aber er hinterlässt uns seine Lieder als Vermächtnis.“

Mitsotakis würdigte den griechischen Volkshelden auch als politischen Akteur, der in historisch-kritischen Momenten die Stimme erhoben habe. „Heute haben wir ein Stück der griechischen Seele verloren“, teilte auch die griechische Kulturministerin Lina Mendoni am Donnerstag mit.