ABBA auf der Bühne
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Wieder da statt für immer Baba

ABBA verkünden ihr spätes Comeback

In der Geschichte des Pop gibt es ja so was wie vier magische Buchstaben: ABBA. 1982 hatte die erfolgreichste schwedische Band aller Zeiten ein „Ende der Zusammenarbeit“ verkündet. Seit Donnerstagabend weiß die Welt: ABBA sind wieder zurück. Mit einem neuen Album – und einer Tour, bei der die Band ihr Image aus dem Höhepunktjahr 1979 erhalten will, statt sich mit 70 auf die Bühne zu wuchten. ABBA werden ab dem kommenden Jahr als Avatare in London auf der Bühne stehen. Dass man nur die ABBA-papas statt der echten vier zu sehen bekommt, sorgt für Debatten in den Foren.

Eine Auszeit nehmen – davon sprachen die Mitglieder der schwedischen Popgruppe ABBA, als sie 1982 das Ende ihrer Zusammenarbeit verkündeten. Seitdem gibt es so etwas wie ein ewiges Warten auf ein Comeback der Band. Das Agnetha Fältskog, Björn Ulvaeus, Benny Andersson und Anni-Frid Lyngstad durchaus genährt haben, etwa als man 2016 gemeinsam in Stockholm zumindest öffentlich für einen Fototermin auftrat.

Einen Hoffnungsschimmer nährte vor Kurzem der Twitter-Aufritt ihres Projekts „ABBA Voyage“. Am Abend des 2.9.2021 würde es Neuigkeiten geben, und man solle sich auf der dazugehörigen Website anmelden. Seit 19.00 Uhr weiß man: ABBA wird es wieder geben. Freilich in einer sehr marketing-gesteuerten Form, in der zwei Männer die Fäden ziehen.

ABBA: Comeback und neues Album

Die legendäre schwedische Popband ABBA hat am Donnerstagabend ihr Comeback und ein neues Album angekündigt. Das neue Werk von Agnetha Fältskog, Björn Ulvaeus, Benny Andersson und Anni-Frid Lyngstad wird den Titel „Voyage“ tragen, wie die Band bekanntgab. Es ist das erste Album seit fast 40 Jahren. ABBA wollen außerdem mittels Avataren auf Tournee gehen.

Aus dem Projekt von Anderson und Ulvaeus, zwei Songs zu schreiben, ist in den letzten drei Jahren ein ganzes Album geworden. Man habe erkannt, dass man einfach nicht ohneeinander könne. Das sagen die beiden Männer, die bei der Pressekonferenz in London ohne ihre Ex-Partnerinnen auftraten. Das gemeinsame Projekt trägt den Titel „Voyage“ – und der soll wohl für Band und Fans programmatisch sein. „I Still have Faith in You“ heißt die erste Single, die sich so präsentiert, wie ABBA sich im Jahr 2021 sehen möchten: als zeitlose Heldinnen und Helden im Glitzer der späten 1970er Jahre. Das sorgt nicht nur für Begeisterung, wie ein Blick in diverse Foren, auch etwa bei ORF.at auf Instagram, zeigt. „Wo sind die Frauen?“, wird etwa gefragt. Dass nur Männer erklären, warum man wieder zusammen gearbeitet habe, das wirkt im Jahr 2021 mehr als outdated.

ABBA-Schriftzug auf einer Veranstaltungshalle in London
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Rendering für die „ABBAArena“ in London, in der die Avatar-Konzerte stattfinden sollen

Am 5. November soll das Studioalbum „Voyage“ erscheinen – das ist dann 40 Jahre nach ihrem letzten Album „The Visitors“. Bei der Präsentation in London wurden zwei Songs veröffentlicht. Neben „I Still Have Faith in You“, der ja kompositorisch alle ABBA-Elemente (Solo – orchestrale Brücke – Chor mit dominanten Oberstimmen) hat, bekam die Welt auch die Nummer „Don’t Shut Me Down“ zu hören, die mehr wie eine Unterhaltungsnummer für den Stockholmer Grönalund-Park anmutet. Für „Don’t Shut Me Down“ hätte sich ABBA jedenfalls nicht wieder vereinigen müssen.

Die Hauptinspiration für das Comeback sei nicht so sehr der Studiobesuch, sondern auch die Überlegungen gewesen, wieder live aufzutreten, verkündete Anderson in London. „Tatsächlich?“, neckte ihn Ulvaeus bei der Präsentation.

Geheime Avatar-Erstellung

850 Menschen hätten, so erzählte es ein bei der Präsentation eingespielter Promo-Clip, per Motion-Capture-Technik an den Hologrammen für die vier ABBA-Avatare gearbeitet, die ab kommenden Jahr im Londoner Olympic Park in einer eigens errichteten „ABBAArena“ auftreten. Zehn Musiker spielen dann gemeinsam mit den Avataren, die nach den vier ABBA-Musikern aus dem Jahr 1979 modelliert sind.

Für die Erstellung aller Bewegungen hat die Band die letzten Jahre unter strenger Geheimhaltung einen ganzen Back-Katalog an Nummern eingespielt. Jede Bewegung der Avatare beruht auf den Bewegungen der Originale. Die Konzerte starten ab 27. Mai 2022. Pro Show sollen 3.000 Fans Platz finden. Wenn man so will, werden die ABBA-papa-Konzerte so etwas wie die Fortsetzung von „ABBA-Mania“ – nur eben in der Gestalt des Konzerts.

Bei den Fans stieß diese Ankündigung auf gemischte Reaktionen. Ob man nicht mehr im Alter auf der Bühne stehen dürfe, war oft zu lesen. Mit dem Ausdruck von Bedauern, dass es ein Comeback mit einigen Abers sei.

ABBA während Filmaufnahmen
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ABBA bei der Arbeit an den Avataren ihrer selbst

Aufstieg zu einer Weltkarriere

Ihren internationalen Durchbruch hatte die aus den beiden Paaren Agnetha und Björn sowie Anni-Frid und Benny bestehende Band beim Eurovision Song Contest 1974 in der englischen Stadt Brighton mit „Waterloo“. Der Song, der einen Bogen von der Niederlage des französischen Kaisers Napoleon zu einer Liebesgeschichte spannte, wurde für sie zum riesigen Triumph. Doch danach ging es erst einmal bergab. ABBA drohten, wie so viele Künstler beim ESC, als Eintagsfliege zu enden. „Jeder dachte, es sei bereits ausgemacht, dass wir in Vergessenheit geraten“, erinnerte sich einst Ulvaeus. Doch es kam anders. Bald folgte ein Hit nach dem anderen.

ABBA 2016 im Stockholmer Vergnügungspark Grönalund und einem Lokal das „Tyrol“ heißt
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ABBA 2016 im Stockholmer Vergnügungspark Gröna Lund und einem Lokal, das „Tyrol“ heißt. Seitdem rissen Gerüchte über eine Wiedervereinigung nicht ab.

Aus den acht Studioalben – von „Ring Ring“ (1973) bis „The Visitors“ (1981) – wurde eine Reihe von Nummer-eins-Singles ausgekoppelt: „Waterloo“, „S. O. S.“, „Mamma Mia“, „Fernando“, „Dancing Queen“, „Money, Money, Money“, „Knowing Me, Knowing You“, „Super Trouper“ und „One of Us“ sind mittlerweile ebenso Klassiker wie viele der ABBA-Nummern, die es nie in die Charts geschafft haben. Der erfolgreichste Longplayer ist das Best-of „ABBA Gold“, das alleine in den Deutschen Top 100 für 297 Wochen gelistet war. Zuletzt übrigens 2018. Insgesamt verkauften ABBA nach Angaben des ABBA Museums weltweit rund 380 Millionen Alben.

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Agnetha Faltskog
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Agnetha Fältskog
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Björn Ulvaeus
Benny Andersson
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Benny Andersson
Anni-Frid Lyngstad
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Anni-Frid Lyngstad

Eine saubere Band für viele Zielgruppen

ABBA tourten um die Welt. Sie machten mit außergewöhnlichen Outfits auf sich aufmerksam, aber verglichen mit anderen Bands waren die vier Schweden schon immer familientauglich. Von ABBA musste man keine Drogenskandale, unartigen Sprüche oder anderweitige Exzesse befürchten. Doch das Leben zwischen Bühne und Flugzeug forderte seinen Tribut: Agnetha und Björn trennten sich 1979, Benny und Anni-Frid folgten im Jahr 1981. Bald darauf war auch mit ABBA Schluss. Die beiden Sängerinnen konzentrierten sich auf ihre Solokarrieren. Björn und Benny, die für die Texte und Melodien der ABBA-Hits verantwortlich waren, setzten ihre Zusammenarbeit fort.

Während es um die beiden Frauen inzwischen weitgehend ruhig geworden ist, mischen Björn und Benny noch heute mächtig mit in der Musikindustrie. Mit „Chess“ brachten die beiden bereits 1986 ein Musical im Londoner West End zur Aufführung, das wohl vor allem mit dem Song „One Night in Bangkok“ in Erinnerung geblieben ist. Im Jahr 1999 folgte das erfolgreiche Musical „Mamma Mia!“, an dessen Entstehung die beiden beteiligt waren und das zur Grundlage für den gleichnamigen Film und dessen Fortsetzung wurde.

Ulvaeus wandte sich erst vor einigen Monaten als Präsident des Urheberdachverbands CISAC an die Presse, um für eine gerechtere Verteilung der Einnahmen durch Streaming in der Pandemie zu werben.

ABBA 1975 in Helsinki
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ABBA relativ am Beginn ihrer Karriere in Helsinki 1975

Kein richtiges Bühnencomeback mit 70 plus

Dass die Stars, die inzwischen alle über 70 Jahre alt sind, wieder auf die Bühne zurückkehren könnten, glaubte im Vorfeld kaum jemand. Aber bereits 2018 kündigte das Quartett an, mehrere neue Lieder zu veröffentlichen. Es habe sich angefühlt wie damals im Aufnahmestudio, und sie hätten viel Spaß gehabt, schwärmte der frühere ABBA-Gitarrist schon vor einigen Jahren. Dass die Songs nicht schon längst veröffentlicht wurden, war der Pandemie geschuldet.

ABBA-Sängerinnen Agnetha Faltskog und Anni-Frid Lyngstad in einer Sauna im schwedischen Ramshyttan, Juni 1975, während ihrer damaligen Schweden-Tour
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Pause in der Sauna 1975 während der ABBA-Schweden-Tour

Nun setzen ABBA ihre Karriere fort, bedienen die Sehnsucht der Fans – und setzen sich doch nicht der Peinlichkeit aus, im Rentneralter auf die Bühne zu treten. Lieber soll der Glanz von früher strahlen. Auch mit neuen Songs. Wirtschaftlich könnte die Rechnung aufgehen. ABBA haben weltweit immerhin mehr Alben abgesetzt als der „King of Pop“.