Bildmontage zeigt einen Arzt, der ein Pflaster mit Oberösterreich-Flagge auf einen Oberarm klebt
Getty Images/Aleksandr Zubkov; ORF.at (Montage)
Politik im Dilemma

OÖ-Wahl als Hemmschuh für CoV-Politik?

Steigende Infektionszahlen, mehr Menschen mit Covid-19 in den Spitälern und ein deutlich nachlassender Impffortschritt: Immer mehr Expertinnen und Experten warnen vor einer drastischen Coronavirus-Situation im Herbst. Die Regierung agiert bisher erstaunlich zurückhaltend – was auch mit der Landtagswahl in Oberösterreich am 26. September zusammenhängen könnte. Politologe Peter Filzmaier sieht vor allem die Regierungsparteien in einem Dilemma.

Mitten im Wahlkampf schlechte Nachrichten zu übermitteln und unpopuläre oder zumindest polarisierende Maßnahmen anzukündigen ist freilich schwierig. Für nächste Woche plant die Regierung ein Treffen mit den Landeshauptleuten unter Einbeziehung von Experten. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) verlautete, man habe einen „sehr konkreten Plan“ – verriet ihn aber noch nicht. Im Gespräch ist etwa, die Nachtgastronomie nur noch für Geimpfte zugänglich zu machen. Verstärkt wird auch ein Ende der kostenlosen Tests gefordert, um mehr oder weniger sanften Druck Richtung Impfung zu erzeugen.

Dass von der Regierung bisher keine konkreten Ansagen kamen, könne man durchaus in Zusammenhang mit der Oberösterreich-Wahl sehen, so Filzmaier. Er verweist auf die Aussagen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) um Frühjahr und Frühsommer, wonach „wir das Schlimmste hinter uns haben“ und die Pandemie für „jeden, der geimpft ist“, vorbei sei. Angesichts der Pandemiesituation ist aber jetzt wohl ein Kommunikationswechsel nötig – und dieser passe wohl schlecht in die Phase des Intensivwahlkampfs in Oberösterreich, so Filzmaier.

Mehr als nur Image steht auf dem Spiel

Der Politologe sieht die Regierung jedenfalls auch vor dem Termin nächste Woche im Dilemma: So drohe wieder „eine scheibchenweise Präsentation immer weitreichenderer Maßnahmen“, sollten etwa „das Schulkonzept nicht funktionieren wie erhofft oder die Intensivstationen noch schneller überlastet sein als inzwischen ohnedies befürchtet“. Das daraus resultierende Problem könnte weitreichender sein, so Filzmaier. Denn es gehe nicht nur darum, wie die Regierung imagemäßig aussteigt, „sondern ob sie da die Menschen nach den Versäumnissen im Sommer noch ausreichend von einer Einhaltung der Maßnahmen und Impfbereitschaft überzeugen kann“.

Schwierige Kommunikation

Eine weitere Herausforderung für die ÖVP sei, dass nach bundesweiten Daten bereits rund neun von zehn deklarierten ÖVP-Wählern geimpft seien. Wenn Kanzler und Landeshauptmann noch jemanden zur Impfung bewegen wollten, müssten sie sich also vor allem an Menschen „richten, die sicher nicht ÖVP wählen“, so Filzmaier. Und weiter: „Welcher Politiker will im Wahlkampf seine Zeit damit verbringen, mit Sympathisanten anderer Parteien zu kommunizieren, oder will mit diesen gemeinsame Bilder? Keiner.“

Einen offenen Streit mit der FPÖ würde zudem die Erzählung von Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) stören, der auf eine „Erfolgsbilanz aufgrund harmonischer Kooperation“ in Oberösterreich verweisen kann. Die Zusammenarbeit mit der FPÖ wird als De-facto-Koalition wahrgenommen, ist aber formal aufgrund des Proporzsystems keine.

FPÖ als Profiteur einer offensiveren Impfkampagne?

Eine offensive Impfkampagne der Bundesregierung wäre, so Filzmaier, für die FPÖ womöglich ein Kampfthema zur Mobilisierung – und könnte damit vielleicht auch ehemalige Wählerinnen und Wähler, die im Zuge von „Ibiza“, Spesenaffäre & Co. ins Nichtwählerlager gewechselt sind, zurückholen. In der Impffrage habe die FPÖ ein Alleinstellungsmerkmal, das sei „natürlich in der öffentlichen Kommunikation rein strategisch gesehen“ von Vorteil. „Man unterstellt einfach zwischen den Zeilen, es würde sowieso eine allgemeine Impfpflicht kommen, und macht diese zum Feindbild“, so Filzmaier. Mit der Behauptung, die Ungeimpften würden diskriminiert, erreiche man eine Gruppe, „die größer ist als die Zahl der FPÖ-Wähler“.

Dass FPÖ-Spitzenkandidat Manfred Haimbuchner in Sachen Coronavirus eine ganz andere Linie vertritt als Parteichef Herbert Kickl, scheint kein Problem zu sein, so Filzmaier: „Man hat sich offensichtlich auf eine Wortwahl verständigt, nämlich jene der freien Entscheidung für das Impfen, und vermeidet mit sprachlichem Jonglieren möglichst persönliche Differenzen.“

Auch Grüne und SPÖ gehemmt

Auch für die Grünen, und hier besonders Gesundheitsminister Mückstein, könnte der Wahlkampf als Bremse gesehen werden. Hätte er viel früher mit schärferen Coronavirus-Maßnahmen auf die vierte Welle reagieren wollen, wäre die Frage, ob er überhaupt genug Durchsetzungskraft hätte, so Filzmaier. Wenn der Koalitionspartner ÖVP sowie dessen Landeshauptleute und auch von der SPÖ geführte Länder den Weg nicht mittragen, wäre die Ohnmacht des Ministers offensichtlich, so der Politologe.

Auch die SPÖ und Parteichefin Pamela-Rendi Wagner sieht Filzmaier im Dilemma: Als Medizinerin und Infektiologin bemühe sich die SPÖ-Chefin um eine differenzierte Darstellung. Inhaltlich sei das wohl richtig – allerdings „komme es logischerweise zur Detailkritik und nicht pauschalen Gegenpositionen zur Bundesregierung, wie sie die FPÖ einnimmt“. Und Filzmaier meint auch, dass es in der SPÖ-Wählerschaft auch einige Impfunwillige gebe, was die Kommunikationsstrategie der Partei schwierig mache.

Hauptthema oder nicht?

Für NEOS sei die Kommunikation am einfachsten: „Man ist klar für das Impfen und vermeidet nur das Tabuwort ‚allgemeine Impfpflicht‘ bzw. spricht sich für eine solche in bestimmten Bereichen wie beim Gesundheitspersonal und vielleicht unter Lehrern aus.“

Offen ist freilich eine Frage, nämlich welche Themen bei der Wahl überhaupt eine Rolle spielen. Dass die Pandemie und deren Bekämpfung nicht nur die bestimmenden Themen der vergangenen Monate, sondern auch der Wahl sind, kann zwar angenommen werden. Fix ist das aber freilich nicht.