Frauen protestieren gegen das Abtreibungsgesetz in Texas
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Texas

Welle der Kritik an Abtreibungsgesetz

Seit Mittwoch sind Abtreibungen im US-Bundesstaat Texas de facto verboten. Gestützt wird das neue Gesetz von keiner geringeren Institution als dem Obersten Gerichtshof. Die Empörung bei Frauenrechtsaktivistinnen und -aktivisten sowie Abtreibungskliniken ist groß, nun meldeten sich weitere Kritikerinnen zu Wort.

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, sorgte am Donnerstag (Ortstszeit) mit einem Kommentar für Aufsehen: „Ich weiß, dass Sie noch nie vor dieser Entscheidung standen und auch noch nie schwanger waren, aber für die Frauen da draußen, die vor dieser Entscheidung standen, ist das eine unglaublich schwierige Sache“, sagte sie bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus.

Ein Journalist hatte zuvor die Frage aufgeworfen, wie US-Präsident Joe Biden trotz seines Glaubens Abtreibung unterstützen könne. Der 78-jährige Biden ist bekennender Katholik. „Er glaubt, dass es das Recht einer Frau ist. Es ist der Körper einer Frau und es ist ihre Entscheidung“, sagte die 42-jährige Psaki über die Haltung des Präsidenten zu Schwangerschaftsabbrüchen.

Jen Psaki, Sprecherin des Weißen Haues
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Psaki verteidigte die Haltung des US-Präsidenten zu Abtreibungen, es sei das Recht einer jeden Frau

Biden sagte, dass das Gesetz verfassungswidrig sei. Es verstoße gegen das Grundsatzurteil des Obersten Gerichtshofs von 1973, das Abtreibungen landesweit legalisierte. Seine Regierung werde das Recht „schützen und verteidigen“. Zudem ermächtige das Gesetz völlig Fremde, sich in die persönlichsten Gesundheitsentscheidungen einer Frau einzumischen. Und weiter: „Dieses Gesetz ist so extrem, dass es nicht einmal Ausnahmen im Fall von Vergewaltigung oder Inzest zulässt.“

Hollywood-Stars laufen Sturm

Auch Dutzende Hollywood-Stars sowie Künstlerinnen und Künstler, darunter die Oscar-Preisträgerinnen Reese Witherspoon (45) und Rita Moreno (89), laufen gegen das strenge neue Gesetz zu Schwangerschaftsabbrüchen in Texas Sturm.

„Ich stehe hinter den Frauen von Texas, die verfassungsmäßig das Recht haben, über ihre Gesundheit und ihren Körper zu entscheiden“, schrieb Witherspoon am Donnerstag auf Twitter. Sie verlinkte einen Aufruf der Familienplanungsorganisation Planned Parenthood, die mit einer Petition zur Gegenwehr aufruft.

Aufruf zum „Kampf für Selbstbestimmung“

US-Sängerin Pink mahnte auf Twitter, das „extreme“ Abtreibungsverbot in Texas werde als Blaupause für ähnliche Gesetze in anderen Bundesstaaten dienen, wenn nichts dagegen unternommen werde. Schauspielerin Kerry Washington rief zum „Kampf für Selbstbestimmung und freie Nachwuchsplanung“ auf. Auch Amy Schumer, Bella Hadid, Dua Lipa, Elizabeth Banks, Eva Longoria und viele weitere Prominente stellten sich hinter die Aktion.

Longoria schrieb auf Twitter: „Wir müssen für die reproduktive Freiheit aller kämpfen.“ Longoria, die besonders aus der Serie „Desperate Housewives“ bekannt ist, bezeichnete das neue Gesetz als „extrem“. Frauen sollten selbst Entscheidungen über ihre Gesundheit und ihre Zukunft treffen können.

Die Aufrufe in sozialen Netzwerken wurden oftmals mit dem Hashtag „Bans Off Our Bodies“ versehen, was auf Deutsch so viel bedeutet wie „Verbote weg von unserem Körper“.

Abtreibung bei Herzschlag verboten

Das neue Abtreibungsrecht ist seit Mittwoch in Kraft. Seither sind Abtreibungen verboten, sobald der Herzschlag eines Fötus zu erkennen ist. Das ist mitunter schon in der sechsten Schwangerschaftswoche der Fall – viele Frauen wissen zu diesem Zeitpunkt noch nichts von ihrer Schwangerschaft.

Roe vs. Wade

Die Grundsatzentscheidung des Supreme Court von 1973 begründete ein verfassungsmäßiges Recht auf Abtreibung bis zur Lebensfähigkeit des Fötus – also bis zur 22. bis 24. Schwangerschaftswoche.

Selbst im Fall einer Vergewaltigung oder bei Inzest sieht das Gesetz keine Ausnahmen vor. Abtreibungen zu einem späteren Zeitpunkt sind nur erlaubt, wenn die Gesundheit der Schwangeren in Gefahr ist. Es ist das strengste Abtreibungsgesetz der USA.

Kliniken klagten

Mehrere Abtreibungskliniken und Frauenrechtsgruppen hatten gegen das Gesetz geklagt. Die Kliniken fürchten, dass mindestens 85 Prozent aller Abtreibungspatientinnen mit dem Gesetz von der Behandlung ausgeschlossen werden. Zudem befürchten Kritiker, dass das Gesetz nur schwer gerichtlich anfechtbar ist.

Für Empörung sorgt auch, dass nicht die Behörden die neuen Regeln durchsetzen sollen, sondern Privatleute. Bürger werden ermutigt, jene zu klagen, die sie verdächtigen, Frauen bei einer Abtreibung nach der sechsten Woche geholfen zu haben. Dafür winkt ihnen eine Belohnung von mindestens 10.000 Dollar (8.460 Euro) und der Ersatz der Anwaltskosten. Sollte das Gesetz in Kraft bleiben, fürchten Frauenrechtsorganisation eine Jagd auf alle, die Schwangere bei Abtreibungen unterstützen.

Eine Frau spricht durch ein Megafon vor dem Supreme Court in Washington
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Während die einen Abtreibung als zentrales Recht auf Selbstbestimmung sehen, kritisieren es andere als Kindstötung

Höchstgericht lehnt Eilantrag zur Blockierung ab

Schon im April verliehen Hunderte texanische Anwälte ihren rechtlichen Bedenken in einem offenen Brief Ausdruck. Der Oberste Gerichtshof lehnte einen Eilantrag von mehreren Menschenrechtsgruppen zur Blockierung des Abtreibungsrechts aber ab. Der Supreme Court begründete seine Entscheidung am Mittwochabend (Ortszeit) mit „komplexen und neuartigen verfahrenstechnischen Fragen“. Damit traf er allerdings keine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des umstrittenen Gesetzes.

Die Entscheidung erfolgte durch eine knappe Mehrheit von fünf Richterinnen und Richtern, von denen drei vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump ernannt worden waren. Damit bilden Richter aus dem konservativen Lager in dem neunköpfigen Gremium die Mehrheit.

Pelosi: „Erschütternd“

Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, reagierte empört. „Die feige nächtliche Entscheidung des Supreme Court, einen ungeheuerlichen Angriff auf die Rechte und die Gesundheit von Frauen aufrechtzuerhalten, ist erschütternd“, kritisierte sie. Dass sich das „radikal parteiische Gericht“ dazu entschieden habe, ohne etwa eine Anhörung zu machen, sei beschämend. Sie kündigte Schritte im Kongress an, um die Rechte von Frauen bei diesem Thema zu stärken.

Abtreibungsgegner wiederum äußerten sich erfreut über die Entscheidung des obersten US-Gerichts und werteten es als kleinen Schritt in die richtige Richtung. Ihr Ziel ist es, das Grundsatzurteil „Roe v. Wade“ vor dem Supreme Court zu kippen.