Schüler mit Mund-Nasen-Schutzmasken gehen in einem Schulgang
Reuters/Leonhard Foeger
Pandemiebekämpfung

Schule wieder Testfall

Am Montag startet in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland das neue Schuljahr, eine Woche darauf in den anderen Bundesländern. Die Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen werden nicht zu übersehen sein, vermehrte Testungen die Inzidenzen in die Höhe treiben. Das Bildungsministerium beschäftigt derzeit aber auch ein anderes Phänomen: Schulabmeldungen sind deutlich gestiegen.

Fachleute sind sich einig, dass es in den kommenden Wochen zu einer Verschärfung der Coronavirus-Lage kommen werde. Neben dem Schulstart würden der saisonale Umschwung und die Rückkehr der Menschen aus dem Urlaub an ihre Arbeitsplätze eine Rolle spielen, sagte Komplexitätsforscher Peter Klimek am Freitag im Ö1-Morgenjournal. Je früher gegengesteuert werde, „desto sanfter kann man noch für eine Kurskorrektur sorgen“. Wenn man hingegen die Neuinfektionen „über Wochen hinweg noch weiter ansteigen lässt, muss man dann umso stärker gegensteuern“.

Die Eingangsphase mit drei verpflichtenden Tests pro Woche und Maskenpflicht außerhalb der Klasse sei sehr sinnvoll, sagte Klimek. Schließlich könnten im Schulsetting immer wieder größere Cluster entstehen, vor allem ohne flankierende Schutzmaßnahmen wie eine gute Lüftung, eine Teststrategie sowie durch nicht geimpftes Lehrpersonal. Er geht davon aus, dass auch nach der „Sicherheitsphase“ Tests und Masken notwendig sein werden.

Klimek rechnet aber damit, dass Fälle aus Schulen diesmal „weniger in Infektionsfälle in den Haushalten übersetzt“ werden, „weil da schon mehr Leute geimpft sind“. Als Hauptproblem sieht er eher, dass positiven Fällen unter den Kindern Isolations- und Quarantänemaßnahmen folgen und Jüngere von den Eltern betreut und beaufsichtigt werden müssen. Das werde bei hohen Fallzahlen mehr und mehr ein Thema werden.

Neubewertung nach drei Wochen

Wie es nach der Sicherheitsphase an den Schulen weitergehen soll, hängt gemäß den Plänen des Bildungsministeriums von der jeweiligen Risikostufe ab: Diese wird bundesländerweise auf Basis der Empfehlungen der CoV-Kommission festgelegt und orientiert sich an der risikoadjustierten 7-Tage-Inzidenz (einbezogen werden neben den Infektionszahlen auch die Zahl der Tests, die Aufklärungsrate, die Symptomatik und Dynamik des Infektionsgeschehens).

Bei einer Inzidenz unter 100 (geringes Risiko) gibt es keine Testpflicht für Schüler, sie können aber freiwillig testen. Bei einer Inzidenz zwischen 100 und 199 (mittleres Risiko) müssen ungeimpfte Schüler dreimal wöchentlich zum Test, wobei einer ein PCR-Test sein muss. Geimpfte müssen dagegen nicht testen. Der Test an der Schule kann auch durch einen externen Test einer befugten Stelle ersetzt werden.

Eine Schülerin bei der Durchfführung eines Gurgel-Tests
APA/Herbert Neubauer
In der „Sicherheitsphase“ müssen alle Kinder und Jugendliche dreimal wöchentlich testen – unabhängig davon, ob sie geimpft sind

Bei der Maskenpflicht gibt es ebenfalls ein Stufenszenario. In der Sicherheitsphase müssen Schülerinnen und Schüler außerhalb der Klasse einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Danach gilt: Bei geringem Risiko braucht man keine Maske, bei mittlerem Risiko gilt wieder eine Maskenpflicht außerhalb der Klasse, ab hohem Risiko (Inzidenz ab 200) müssen Schüler ab der neunten Schulstufe auch im Unterricht einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Unterschiede je nach Impfstatus gibt es nicht.

Strengere Regeln für Schulabmeldung

Auch auf eine andere Entwicklung im Zuge der Pandemie gedenkt das Bildungsministerium zu reagieren: Die Zahl der Schulabmeldungen ist zuletzt deutlich gestiegen, das Ressort will deshalb die Regeln für häuslichen Unterricht verschärfen. Zusätzlich zur Externistenprüfung am Jahresende soll künftig schon nach dem ersten Semester der Lernstand der Kinder erhoben werden und Eltern sollen nicht mehr entscheiden können, wo die Externistenprüfung stattfindet. Außerdem sollen den Eltern in Aufklärungsgesprächen die Konsequenzen der Abmeldung verdeutlicht werden.

Mehr als 5.600 Schulabmeldungen

Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Schulabmeldungen verdoppelt. Da viele Eltern ihre Kinder nicht impfen oder testen lassen wollen, unterrichten sie die Schüler nun zu Hause. Das Bildungsministerium will die Regeln für Heimunterricht verschärfen.

Laut derzeitigem, nicht endgültigem Stand sind die Spitzenreiter bei den Schulabmeldungen heuer Niederösterreich mit 1.400 Abmeldungen und die Steiermark und Oberösterreich mit mehr als 1.000 Abmeldungen. Die Zahl der Abmeldungen in Oberösterreich hat sich im Vergleich zum Herbst 2019, also vor Ausbruch der Pandemie, mehr als verfünffacht. Auch in Salzburg hat sich die Zahl seither mehr als vervierfacht und liegt jetzt bei über 380 Abmeldungen. In Wien wird mit rund 500 Abmeldungen eine Situation wie in den Vorjahren erwartet. Insgesamt sind derzeit gut 0,8 Prozent der rund 700.000 Pflichtschülerinnen und Pflichtschüler abgemeldet.

Experte: Ausweichen auf „Nebenkriegsschauplatz“

Eine Zahl, die Bildungswissenschafter Stefan Hopmann von der Universität Wien keineswegs erschreckt. Zwar halte er Abmeldungen grundsätzlich für keine gute Entscheidung, allerdings werde das in Österreich „fast ausschließlich von sehr bildungsengagierten Eltern gemacht, die in aller Regel auch gewährleisten können, dass die Kinder den einschlägigen Schulstoff dann für die Externistenprüfung beherrschen. Da, wo das Ministerium ansetzt, ist das Problem nicht.“

„Wir haben steigende Flucht in Privatschulen, rund die Hälfte der Kinder braucht entweder bezahlt oder unbezahlt fortlaufend externe Nachhilfe. Wir haben ein Schulsystem, dem viele Eltern nicht mehr zutrauen zu liefern, dass man in der Schule lernen kann, was es für die Schule braucht.“ Das seien die eigentlichen Probleme und die eigentlichen Beweggründe der Eltern für Schulabmeldungen. Dass das Ministerium sich jetzt überlege, wie man diese Eltern unter Druck bringt, käme dem Ausweichen auf einen „Nebenkriegsschauplatz“ gleich.