Skyline von Rio de Janeiro
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Brasilien

Neues Bezahlsystem fördert Entführungen

Ausgerechnet die brasilianische Notenbank hat mit einer technischen Innovation eine Welle an Blitzentführungen ausgelöst. Einschränkungen bei dem neuartigen und äußerst beliebten Sofortbezahlungsystem, das Überweisungen in Echtzeit am Handy ermöglicht, sollen den kriminellen Trend stoppen. Doch Fachleute zweifeln, dass das so gelingen kann.

In Brasilien gab es bis vor wenigen Monaten unter anderem folgendes Problem: Banken brauchten tagelang, bis sie Überweisungen durchführten. Da die Geldhäuser auf diese lukrative Geldquelle – das Geld der Kunden kann in der Zwischenzeit kurzfristig gewinnbringend eingesetzt werden – offenbar nicht verzichten wollten, entwickelte die Nationalbank das via Handy bedienbare Überweisungssystem Pix, mit Geldtransfers quasi in Echtzeit. Der Dienst verbreitete sich binnen kurzer Zeit – und rief auch Kriminelle auf den Plan, wie die „Financial Times“ berichtet.

Denn das weithin gelobte Bezahlsystem führte zu der unerwünschten Nebenwirkung, dass Blitzentführungen, die vor allem in den frühen 2000er Jahren in Sao Paulo und Rio de Janeiro stark verbreitet waren, ein Comeback feierten. Damals wurden Brasilianer in wohlhabenden Vierteln oft beim Verlassen ihrer Häuser oder Wohnungen abgepasst und entführt. Sie wurden zu einem Bankomaten gebracht und genötigt, Geld abzuheben und den Kriminellen auszuhändigen. Erst dann wurden sie wieder freigelassen.

„Haben praktisch geruht“

„Diese Blitzentführungen haben praktisch geruht. Aber nachdem Pix im letzten November eingeführt wurde, haben wir einen deutlichen Anstieg bei solchen Entführungen bemerkt“, so Tarsio Severo von der Sondereinheit der Polizei in Sao Paulo gegenüber lokalen Medien. Die Polizei habe allein seit Jahresbeginn 100 Leute, die einer solchen Entführung verdächtig werden, verhaftet.

Im ersten Halbjahr wurden im Bundesstaat Sao Paulo – dort leben 44 Millionen Menschen – einen Anstieg von 40 Prozent bei Blitzentführungen registriert. Mehrere Banken forderten daher von der Nationalbank (BCB), die Sicherheitsmaßnahmen zu erhöhen.

Bank verschärft Sicherheit der App

Letzte Woche kündigte die BCB daher mehrere Einschränkungen bei Pix an: So können zwischen 20.00 und 6.00 Uhr insgesamt zwischen zwei Konten umgerechnet maximal 200 Euro überwiesen werden. Um Limits zu ändern, wurde eine Wartefrist, bis das neue Limit in Kraft tritt, eingeführt. Außerdem können Userinnen und User untertags und nachts unterschiedliche Limits festlegen. Die Entführungen finden meist nachts statt.

„Soziale Lage verbessern“

Rafael Alcadipani vom Brasilianischen Forum für Öffentlichkeit zweifelt freilich, dass diese Maßnahmen wirklich etwas bringen: Verbrecher „finden immer den einfachsten Weg“, so Alcadipani. Die Maßnahmen seien zwar positiv, würden das Problem aber nicht lösen, ist der Experte überzeugt. Man müsse in die Polizei und die Justiz investieren, damit Kriminelle gefasst und gestraft werden. „Und wir müssen die soziale Lage verbessern.“ Ein Land mit so starken sozialen Gegensätzen „wird immer diese Art von Problemen haben“, so Alcadipani.