Für das Abtreibungsrecht protestierende Frauen in Edinburg, Texas
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Texas

Etappensieg gegen Abtreibungsverbot

Das strenge Abtreibungsgesetz im US-Bundesstaat Texas hat für eine Welle der Empörung gesorgt. Seit Mittwoch sind Abtreibungen in Texas de facto verboten – mit Unterstützung des Obersten Gerichtshofs. Ein Bezirksgericht erließ nun eine einstweilige Verfügung gegen eine Gruppe von Abtreibungsgegnern. Für Frauenaktivisten ist das aber nur ein kurzfristiger Etappensieg.

Denn die Wirkung dieser Verfügung gilt vorerst nur bis zum 17. September, berichtete die „New York Times“ („NYT“). Die Richterin Maya Guerra Gamble am Bezirksgericht in Travis County in Texas erließ am Freitag die Verfügung gegen die größte Antiabtreibungsgruppe in Texas, Texas Right to Life, die das strikte Abtreibungsgesetz durchsetzen will. Diese Gruppe wird nun vorläufig daran gehindert, die Familienplanungsorganisation Planned Parenthood, die sich für sexuelle Aufklärung einsetzt und Abtreibungen vornimmt, zu klagen.

Die Richterin stellte fest, dass das Gesetz eine „wahrscheinliche, nicht wiedergutzumachende und drohende Schädigung“ für Planned Parenthood, seine Beschäftigten und seine Patientinnen darstellt, die alle „keinen angemessenen Rechtsbehelf“ hätten, wenn sie von Texas Right to Life oder einer mit der Gruppe verbundenen Person geklagt würden. Die Verfügung schließt aber nicht aus, dass andere Abtreibungsgruppen, die nicht mit Texas Right to Life verbunden sind, die Organisation klagen können, berichtete die „NYT“.

Abtreibung bei Herzschlag verboten

Das neue Abtreibungsrecht ist seit Mittwoch in Kraft. Seither sind Abtreibungen verboten, sobald der Herzschlag eines Fötus zu erkennen ist. Das ist mitunter schon in der sechsten Schwangerschaftswoche der Fall – viele Frauen wissen zu diesem Zeitpunkt noch nichts von ihrer Schwangerschaft.

Roe vs. Wade

Die Grundsatzentscheidung des Supreme Court von 1973 begründete ein verfassungsmäßiges Recht auf Abtreibung bis zur Lebensfähigkeit des Fötus – also bis zur 22. bis 24. Schwangerschaftswoche.

Selbst im Fall einer Vergewaltigung oder bei Inzest sieht das Gesetz keine Ausnahmen vor. Abtreibungen zu einem späteren Zeitpunkt sind nur erlaubt, wenn die Gesundheit der Schwangeren in Gefahr ist. Es ist das strengste Abtreibungsgesetz der USA.

Für Empörung sorgt auch, dass nicht die Behörden die neuen Regeln durchsetzen sollen, sondern Privatleute. Bürger werden ermutigt, jene zu klagen, die sie verdächtigen, Frauen bei einer Abtreibung nach der sechsten Woche geholfen zu haben. Dafür winkt ihnen eine Belohnung von mindestens 10.000 Dollar (8.460 Euro) und der Ersatz der Anwaltskosten. Sollte das Gesetz in Kraft bleiben, fürchten Frauenrechtsorganisation eine Jagd auf alle, die Schwangere bei Abtreibungen unterstützen.

Abtreibungsgegner brauchen neuen Provider

Eine Website, auf der Schwangerschaftsabbrüche an den Pranger gestellt werden können, muss sich allerdings einen neuen Provider suchen. Die Betreiber der Website hätten gegen Nutzungsbedingungen verstoßen, argumentierte der Internetprovider GoDaddy. Es dürften nicht Informationen über Dritte ohne deren Einverständnis gesammelt werden.

Die Seite Prolifewhistleblower.com soll nach Angaben ihrer Betreiber unter Anwendung des neuen Abtreibungsgesetzes in Texas durch anonyme Hinweise von Nutzern dazu beitragen, „dass Gesetzesbrecher für ihre Taten zur Verantwortung gezogen werden“. Sie ruft dazu auf, jeden, der einen Schwangerschaftsabbruch nach Ablauf der nun geltenden Sechswochenfrist „unterstützt“ oder ihm „Vorschub leistet“, zu melden.

Gesetz für Biden verfassungswidrig

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, sorgte am Donnerstag (Ortstszeit) mit einem Kommentar für Aufsehen: „Ich weiß, dass Sie noch nie vor dieser Entscheidung standen und auch noch nie schwanger waren, aber für die Frauen da draußen, die vor dieser Entscheidung standen, ist das eine unglaublich schwierige Sache“, sagte sie bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus.

Ein Journalist hatte zuvor die Frage aufgeworfen, wie US-Präsident Joe Biden trotz seines Glaubens Abtreibung unterstützen könne. Der 78-jährige Biden ist bekennender Katholik. „Er glaubt, dass es das Recht einer Frau ist. Es ist der Körper einer Frau und es ist ihre Entscheidung“, sagte die 42-jährige Psaki über die Haltung des Präsidenten zu Schwangerschaftsabbrüchen.

Jen Psaki, Sprecherin des Weißen Haues
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Psaki verteidigte die Haltung des US-Präsidenten zu Abtreibungen, es sei das Recht einer jeden Frau

Biden sagte, dass das Gesetz verfassungswidrig sei. Es verstoße gegen das Grundsatzurteil des Obersten Gerichtshofs von 1973, das Abtreibungen landesweit legalisierte. Seine Regierung werde das Recht „schützen und verteidigen“.

Unterstützung von Hollywood-Stars

Auch Dutzende Hollywood-Stars sowie Künstlerinnen und Künstler, darunter die Oscar-Preisträgerinnen Reese Witherspoon (45) und Rita Moreno (89), laufen gegen das strenge neue Gesetz zu Schwangerschaftsabbrüchen in Texas Sturm.

„Ich stehe hinter den Frauen von Texas, die verfassungsmäßig das Recht haben, über ihre Gesundheit und ihren Körper zu entscheiden“, schrieb Witherspoon am Donnerstag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Sie verlinkte einen Aufruf der Familienplanungsorganisation Planned Parenthood, die mit einer Petition zur Gegenwehr aufruft.

Aufruf zum „Kampf für Selbstbestimmung“

US-Sängerin Pink mahnte auf Twitter, das „extreme“ Abtreibungsverbot in Texas werde als Blaupause für ähnliche Gesetze in anderen Bundesstaaten dienen, wenn nichts dagegen unternommen werde. Schauspielerin Kerry Washington rief zum „Kampf für Selbstbestimmung und freie Nachwuchsplanung“ auf. Auch Amy Schumer, Bella Hadid, Dua Lipa, Elizabeth Banks, Eva Longoria und viele weitere Prominente stellten sich hinter die Aktion.

Longoria schrieb auf Twitter: „Wir müssen für die reproduktive Freiheit aller kämpfen.“ Longoria, die besonders aus der Serie „Desperate Housewives“ bekannt ist, bezeichnete das neue Gesetz als „extrem“. Frauen sollten selbst Entscheidungen über ihre Gesundheit und ihre Zukunft treffen können.

Die Aufrufe in sozialen Netzwerken wurden oftmals mit dem Hashtag „Bans Off Our Bodies“ versehen, was auf Deutsch so viel bedeutet wie „Verbote weg von unserem Körper“.

Höchstgericht lehnt Eilantrag zur Blockierung ab

Schon im April verliehen Hunderte texanische Anwälte ihren rechtlichen Bedenken in einem offenen Brief Ausdruck. Der Oberste Gerichtshof lehnte einen Eilantrag von mehreren Menschenrechtsgruppen zur Blockierung des Abtreibungsrechts aber ab. Der Supreme Court begründete seine Entscheidung am Mittwochabend (Ortszeit) mit „komplexen und neuartigen verfahrenstechnischen Fragen“. Damit traf er allerdings keine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des umstrittenen Gesetzes.

Eine Frau spricht durch ein Megafon vor dem Supreme Court in Washington
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Während die einen Abtreibung als zentrales Recht auf Selbstbestimmung sehen, kritisieren es andere als Kindstötung

Die Entscheidung erfolgte durch eine knappe Mehrheit von fünf Richterinnen und Richtern, von denen drei vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump ernannt worden waren. Damit bilden Richter aus dem konservativen Lager in dem neunköpfigen Gremium die Mehrheit.

Abtreibungsgegner wiederum äußerten sich erfreut über die Entscheidung des obersten US-Gerichts und werteten es als kleinen Schritt in die richtige Richtung. Ihr Ziel ist es, das Grundsatzurteil „Roe v. Wade“ vor dem Supreme Court zu kippen.