Afghanische Widerstandsbewegung
APA/AFP/Ahmad Sahel Arman
„Werden nicht aufgeben“

Heftige Gefechte um Panjshir-Tal

Das Panjshir-Tal ist die einzige Provinz in Afghanistan, die noch nicht von den radikalislamischen Taliban kontrolliert wird. Widerstandskämpfer leisten seit Tagen erbitterten Widerstand gegen die Taliban. „Wir werden den Kampf für Gott, Freiheit und Gerechtigkeit niemals aufgeben“, sagte Ahmad Massoud, lokaler Widerstandsführer, am Samstag.

Panjshir sei „bisher standhaft geblieben“. Die Rebellen setzen sich aus ehemaligen Mitgliedern afghanischer Sicherheitskräfte und lokalen Milizen zusammen. In der Nacht auf Samstag hatten Taliban-Unterstützer auf dem Kurznachrichtendienst Twitter Gerüchte verbreitet, dass die Region gefallen und die Führung des Widerstands geflohen sei.

Der ehemalige Vizepräsident Amrullah Saleh dementierte diese Gerüchte umgehend in einem an die BBC übermittelten Video. Die Situation sei schwierig, „aber wir haben unser Land verteidigt“. Es werde keine Kapitulation geben. Saleh soll sich selbst in Panjshir aufhalten. Es gibt dafür aber keine Bestätigung.

„Taliban sitzen in der Falle“

Laut BBC soll es bei den Kämpfen um das Tal Hunderte Tote gegeben haben. In der bergigen Region leben zwischen 150.000 und 200.000 Menschen. Laut einem Sprecher der Nationalen Widerstandsfront drängten die Rebellen die Taliban in die Defensive: „Es gibt weit mehr als ein paar hundert Taliban, die in der Falle sitzen. Ihnen geht die Munition aus, und sie verhandeln gerade über die Bedingungen ihrer Kapitulation“, sagte er gegenüber der BBC am Samstag. Zuvor hatten Taliban-Vertreter allerdings den Sieg auch über dieses Gebiet verkündet.

Das Panjshir-Tal war auch während der ersten Taliban-Herrschaft zwischen 1996 und 2001 nicht erobert worden. Das lag einerseits an dem harten Widerstand der Nordallianz, andererseits an der geografischen Lage des Tals – der Eingang ist eng und gut zu verteidigen. Laut einem „Guardian“-Bericht verfügen die Rebellen über große Waffenlager.

Afghanische Widerstandsbewegung
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Widerstandskämpfer patrouillieren in Panjshir

„Halten Kommunikationskanäle zu Taliban offen“

Für den übrigen Teil des Landes wird in den nächsten Tagen erwartet, dass die Taliban eine Regierung einsetzen. Auch am Samstag wurde das erneut verschoben. Zunächst war die Bekanntgabe für Freitag erwartet worden. Grund für die Verzögerung könnte der anhaltende militärische Widerstand im Panjshir-Tal sein.

Die USA und die EU kündigten Verhandlungen mit den Taliban an, nicht aber deren Anerkennung als Regierung. US-Außenminister Antony Blinken will bereits am Samstag nach Katar reisen. Das Emirat spielt eine wichtige Rolle als Gastgeber von Friedensgesprächen und bei der Evakuierung. „Wir halten Kommunikationskanäle zu den Taliban offen, für Angelegenheiten, die wichtig sind“, sagte Blinken.

Die EU-Länder kündigten an, wieder eine gemeinsame diplomatische Präsenz in Kabul etablieren zu wollen. Dafür wurden „Sicherheitsgarantien“ von den Taliban gefordert. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell betonte zudem, dass jedes Engagement an Bedingungen geknüpft sei wie ein freier Zugang für humanitäre Helfer, die Achtung der Pressefreiheit und anderer Grundfreiheiten. Mit Hilfe des diplomatischen Personals könnten die EU-Länder die Ausreise von Staatsbürgern und -bürgerinnen aus Afghanistan organisieren, die es wegen der chaotischen Zustände auf dem Flughafen Kabul nicht zu den internationalen Militärmaschinen geschafft hatten.

Flughafen Kabul wieder in Betrieb?

Unterdessen soll der Flughafen der Hauptstadt katarischen Angaben zufolge wieder geöffnet worden sein. Die Startbahn sei in Zusammenarbeit mit afghanischen Behörden repariert worden, sagte der katarische Botschafter dem Sender al-Jazeera. Der Sender berichtete außerdem, Inlandsflüge in die Städte Masar-e-Sharif und Kandahar seien wieder aufgenommen worden. Katar hatte angekündigt, gemeinsam mit der Türkei und den Taliban an einer Wiederinbetriebnahme des Flughafens von Kabul zu arbeiten.

Taliban Kämpfer an einem Checkpoint in Kabul
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Taliban kontrollieren Pendler in Kabul

Zusammenstöße bei Frauen-Demo in Kabul

Bei einer Demonstration für Frauenrechte in Kabul kam es zu Zusammenstößen. Mindestens eine Frau sei dabei verletzt worden, hieß es von lokalen Journalisten am Samstag. Rund zwei Dutzend Frauen hatten zunächst friedlich in der Nähe des Präsidentenpalastes demonstriert, wie auf in sozialen Netzwerken geteilten Bildern zu sehen war.

Sie hielten Schilder in der Hand, auf denen etwa „Wir sind nicht die Frauen von vor 20 Jahren“ stand oder „Gleichheit – Gerechtigkeit – Demokratie!“. Auf Videos ist zu sehen, wie die Frauen von 50 oder mehr Sicherheitskräften der Taliban umzingelt sind und sich Schreiduelle mit Taliban liefern. Die Videos und Angaben konnten zunächst nicht unabhängig verifiziert werden. Auch der Sender CNN berichtete über den Frauenprotest. Zuvor hatten bereits am Freitag mehrere Frauen in Kabul für Frauenrechte demonstriert.

UNO-Konferenz für humanitäre Hilfe

Zur humanitären Hilfe für Afghanistan soll Mitte September eine UNO-Konferenz in Genf stattfinden. UNO-Generalsekretär Antonio Guterres werde das hochrangige Treffen am 13. September leiten, teilte sein Sprecher Stephane Dujarric am Freitag in New York mit. Nach der Machtübernahme der Taliban Mitte August sei Afghanistan von einer „humanitären Katastrophe“ bedroht, hob der UNO-Sprecher hervor.

Die Konferenz soll zum einen auf eine „rasche Erhöhung der Finanzierung“ hinwirken, „damit lebensrettende humanitäre Einsätze fortgesetzt werden können“, sagte Dujarric. Zum anderen gehe es darum, einen „vollständigen und ungehinderten humanitären Zugang“ zu Afghanistan zu erhalten, damit die Afghanen weiterhin mit dem Lebensnotwendigen versorgt werden könnten.

Hilfe an Bedingungen geknüpft

Guterres’ Sprecher machte deutlich, dass die Hilfen für Afghanistan an Bedingungen geknüpft werden sollen. Die bisherigen Entwicklungsfortschritte in dem Land müssten geschützt werden, sagte Dujarric. Außerdem seien Frauenrechte ein „wesentlicher“ Faktor für Afghanistans Stabilität in der Zukunft.

Afghanistan war bereits vor der Machtübernahme der Taliban in hohem Maße von humanitärer Hilfe aus dem Ausland abhängig. Rund 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden aus dem Ausland finanziert. Von den 38 Millionen Einwohnern und Einwohnerinnen Afghanistans sind nach UNO-Angaben 18 Millionen Menschen akut von einer humanitären Katastrophe bedroht. Diese Zahl könne sich noch verdoppeln.