RK-Bundesrettungskommandant Gerry Foitik
APA/Georg Hochmuth
„Nicht genug gemacht“

Rotkreuz-Chef Foitik kritisiert Regierung

Bis Juli war das Rote Kreuz für die Impfkampagne zuständig – Rotkreuz-Chef Gerald Foitik war als Berater für die Regierung in Sachen Pandemiemanagement und Krisenkommunikation tätig. Seit Juli liegen diese Kompetenzen nun beim Bundeskanzleramt. In der Ö1-Reihe „Im Journal zu Gast“ übte Foitik nun Kritik an der Regierung: „Der Sommer hätte zur Aufklärung genützt werden können.“

Auf die Frage, ob die Regierung über die Sommermonate genug gemacht habe, sagte Foitik: „Das glaube ich nicht, es hätte viel besser laufen können.“ Man müsse zum Ergebnis kommen, „dass nicht genug getan wurde“, so Foitik. Das Impfangebot sei gut („recht barrierearm“), es sei genügend Impfstoff vorhanden, und der Wille vieler, sich impfen zu lassen, sei anfangs groß gewesen. Doch die Zweifler zu überzeugen und zu informieren, dem sei man „nicht genügend nachgekommen“.

„Mit guter Aufklärung hätten vor allem jene erreicht werden können, die noch zögerlich sind“, so Foitik. Damit wäre die vierte Welle, vor der man jetzt stehe, „wesentlich leichter zu bewältigen gewesen“, sagte der Rotkreuz-Chef. „Genug“ könne freilich nie getan werden, aber man müsse Zielgruppen (an Impfskeptikern) gezielt ansprechen, etwa über soziale Netzwerke. Für die Kampagne sei nicht nur die Bundesregierung verantwortlich, „sondern wir alle“.

„Solidarität und Empathie“ als Rezept

Das Rezept für die kommenden Wochen laute „Solidarität und Empathie“. Man müsse „Bedenken ernstnehmen“, das Wichtigste sei, den Zweiflern zuzuhören und zu erfahren, was sie vom Impfen abhält. Eine vielfach geäußerte Sorge bestehe hier etwa bei jungen Frauen, die hinsichtlich eines Kinderwunsches verunsichert seien. Hier müsse man dann „Fakten“ einbringen und so zeigen, dass die Sorge, dass sich an der Fruchtbarkeit etwas ändert, unbegründet sei, so Foitik.

Man müsse sich mit den Zielgruppen möglichst individuell auseinandersetzen, diese seien ja mit der Gesellschaft („uns allen“) in Kontakt. Hier müsse die Kampagne ansetzen, sie müsse jene Fakten zur Verfügung stellen, mit denen Menschen in ihren Gruppen auch aufklären können. Gefragt zu den unter 30-Jährigen sagte Foitik, dass sich wohl viele noch im September und Oktober impfen lassen werden – die Impfmöglichkeit für diese Gruppe bestehe noch nicht so lange, und außerdem sei der Sommer ein Faktor gewesen.

Lotterie „überlegenswert“ – „‚1-G‘ notwendig“

Eine „Impflotterie“, wie zuletzt vom burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) ins Spiel gebracht, sei „überlegenswert“. Foitik ortete darin ein „gutes Konzept“, weil es von einem solidarischen Gedanken ausgehe – schließlich würden hierbei nicht nur individuelle Motive angesprochen.

Hingegen sei eine zusätzliche Barriere für Tests (Kostenpflicht) derzeit „kontraproduktiv“, so Foitik, weil sich die Welle gerade aufbaue. Darüber könne man nachdenken, wenn die Welle wieder abschwelle. Eine „1-G-Regel“ halte er für „notwendig“, so der Rotkreuz-Chef – jedoch nicht, um Druck aufzubauen, sondern um die Gesellschaft vor Infektionen zu schützen.

Mückstein impft selbst

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) führte unterdessen seine am Freitag gestartete „Impftour“ in Gemeinden mit niedriger Impfquote weiter. Startpunkt war Kittsee im Burgenland, wo derzeit knapp 43 Prozent der Bevölkerung vollimmunisiert sind. Ein paar Dutzend Impfwillige erschienen, um sich vom Gesundheitsminister und Allgemeinmediziner persönlich impfen zu lassen. Am Samstag teilte Mückstein in einer Aussendung mit, dass eine Steigerung der Durchimpfungsrate „notwendig“ sei, „wenn wir ohne Schließungen durch den Herbst und Winter kommen wollen“.

Ebenso am Samstag rief auch ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann in einem gemeinsamen Brief mit Familienbund, Kinderfreunden, dem Hauptverband katholischer Elternvereine und dem Katholischen Familienverband kurz vor Schulbeginn zur Impfung auf. „Wir können unsere Kinder – insbesondere jene unter zwölf Jahren – in der aktuellen Phase der Pandemie unterstützen, indem wir Erwachsene das Angebot einer CoV-Schutzimpfung wahrnehmen“, heißt es in dem Schreiben.

Experten sehen Gefahr für vierten Lockdown

Und während einzelne Minister Impfappelle aussprechen, sehen Experten und Expertinnen wie der Intensivmediziner Walter Hasibeder und die Virologin Dorothee von Laer die Gefahr eines weiteren Lockdowns – mehr dazu in tirol.ORF.at. Einen Grund sehen sie in der stagnierenden Durchimpfungsrate. „Die Erwachsenen sollen sich verdammt noch einmal impfen lassen“, forderte etwa von Laer hinsichtlich des bevorstehenden Schulstarts gegenüber der ZIB2.

Virologin von Laer zur aktuellen CoV-Lage

Die CoV-Lage in Österreich spitzt sich zu, die Zahl der Intensivpatienten steigt stark. Die Virologin Dorothee von Laer spricht darüber, ob ein neuer Lockdown droht, sowie über neue Varianten und welche Maßnahmen im Herbst vertretbar sind.

Virus „durchlaufen“ lassen

Von Laer plädierte dafür, die derzeitigen Maßnahmen endlich konsequent umzusetzen – so werde etwa die „3-G-Regel“ nicht überall kontrolliert. Darüber hinaus gebe es noch „ein paar Kleinigkeiten, an denen man drehen kann“. So könnte man etwa bei geimpften älteren K1-Personen künftig wieder Testungen durchführen. Bei dieser Gruppe habe sich zuletzt gezeigt, dass deren Impfschutz wesentlich niedriger liege als bei Jüngeren.

Wenn die Älteren und Risikopatientinnen und -patienten die Auffrischungsimpfung erhalten haben, könne man das Virus auch „durchlaufen“ lassen. Dann würden sich angesichts der hohen Infektiosität des Virus alle Nichtgeimpften anstecken. Von Laer ist offenbar davon überzeugt, dass sich eine Immunisierungsrate von 90 Prozent der Bevölkerung anders nicht erreichen lasse. Die einzige Alternative wäre eine Impfpflicht, die aber von der Politik bisher kategorisch ausgeschlossen wird.