Kabul: Warnschüsse bei Anti-Pakistan-Demo

Bei einer Protestkundgebung in Kabul mit vielen Frauen unter den Teilnehmenden haben Kämpfer der radikalislamischen Taliban heute Warnschüsse abgegeben.

Wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten, hatten sich in der afghanischen Hauptstadt viele Menschen, vornehmlich Frauen, versammelt, um gegen Pakistans Einmischung in afghanische Belange zu protestieren.

Offenbar Hunderte Protestierende

Die BBC berichtete von etwa 1.000 Protestierenden. Vielfach seinen Anti-Pakistan-Slogans gerufen worden, hieß es vom BBC-Korrespondenten von dort. Die Menschen hielten Schilder, auf denen „Pakistan – Pakistan – raus aus Afghanistan“ und „Freiheit“ stand.

Auch wurde lautstark moniert, dass Pakistan den Taliban bei ihrer Eroberung der Provinz Panjshir geholfen habe, die zuletzt nach tagelangen Gefechten an die Islamisten gefallen war. Viele erwähnten zudem den Besuch des Chefs des pakistanischen Geheimdienstes ISI, Faeez Hamid, der sich gestern und heute mit der Taliban-Führung in Kabul traf. Um die Menge vor der pakistanischen Botschaft auseinanderzutreiben, gaben Taliban-Kämpfer Warnschüsse ab.

In einem auf Twitter geteilten Video des Protests sagt ein Mann: „Das ist Kabul, Männer und Frauen sind auf den Straßen und skandieren gegen Pakistan und gegen die Taliban.“ Erneut sind „Freiheit“-Rufe zu hören.

Botschafterin Bakhtari: Taliban sind Terroristen

Unterdessen rief die afghanische Botschafterin in Wien, Manizha Bakhtari, die Regierungen weltweit auf, ein Taliban-Regime in Afghanistan nicht anzuerkennen. „Das sind Terroristen. Wie können sie als Terroristen eine legitime Regierung bilden?“, sagte Bakhtari in einem Interview mit der „Kronen Zeitung“ (Dienstag-Ausgabe).

Die Botschafterin sprach sich auch dagegen aus, in Österreich straffällig gewordene Asylwerber nach Afghanistan abzuschieben: „Man würde auf alle Fälle ihr Leben riskieren.“

Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid hatte vor einer Woche gegenüber der „Kronen Zeitung“ die Rücknahme nicht asylberechtigter und möglicherweise straffälliger Afghanen aus Österreich und Deutschland zugesichert und erklärt, sie würden in Afghanistan vor Gericht gestellt. Botschafterin Bakhtari sagte dazu: „Die Taliban nutzen einen offenen Gerichtshof, da geht es wild zu.“ Man würde „auf alle Fälle“ das Leben der Abgeschobenen riskieren.

Verweis auf Menschenrechtskonvention

Zur Ankündigung von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Österreich werde keine Afghanen mehr aufnehmen, meinte Bakhtari, Kurz habe „jedes Recht zu entscheiden, was für das Land am besten ist“. Es gebe aber die Menschenrechtskonvention, die besage: „Wenn jemand Hilfe oder eine sichere Zukunft braucht, hat er auch das Recht dazu. Egal, ob Österreicher, Syrer oder Afghane.“

Enttäuscht zeigte sich Bakhtari von der Reaktion der österreichischen Regierung auf ihren vor einem Monat geäußerten Wunsch nach einem verlängerten Abschiebestopp für abgewiesene afghanische Asylwerber. Die Botschafterin war daraufhin ins Außenministerium bestellt worden.

„Der Außenminister (Alexander Schallenberg, ÖVP, Anm.) hat mit seinem pakistanischen Amtskollegen (Shah Mehmood Quereshi, Anm.) über die Situation geredet, aber nicht mit uns“, sagte Bakhtari im Interview.

Zu den Meldungen, die Taliban hätten den Widerstand in der Provinz Panjshir nördlich der Hauptstadt Kabul gebrochen, sagte Bakhtari: „Wir haben anderes gehört.“ Die Botschafterin kritisierte in diesem Zusammenhang das Nachbarland Pakistan.

Die pakistanische Luftwaffe habe die Taliban bei den Angriffen im Panjshir-Tal unterstützt. „Der pakistanische Außenminister lobbyiert für die Taliban, Pakistan war immer ein sicherer Hafen, und sie reisen mit pakistanischen Pässen“, so Bakhtari.

„Enttäuscht und angewidert“ von Präsident Ghani

„Enttäuscht und angewidert“ zeigte sich die Botschafterin vom afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani: „Er hat in seinen Reden angekündigt, er würde kämpfen. Und am nächsten Tag floh er heimlich.“

Wenig Glauben schenkte Bakhtari den Erklärungen der Taliban, sie hätten sich im Vergleich zu ihrer Regierungszeit von 1996 bis 2001 in Afghanistan geändert. „Sie kündigen immer nur an, etwas zu ändern“, so die Botschafterin: „Sie sagen, sie wollen mit den Menschen in Panjshir eine friedliche Lösung, und töten dann dort wehrlose Zivilisten.“

Einem neuerlichen Taliban-Regime in Afghanistan räumte Bakhtari jedoch keine lange Lebensdauer ein: „Wenn uns die Geschichte Afghanistans eines gelehrt hat, dann, dass sich kein Regime lange halten konnte.“