Kontrolle des „grünen Passes“ in Mailand
AP/Antonio Calanni
„Grüner Pass“

Draghi für Ausweitung auf alle Arbeitsplätze

Im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie steht in Italien eine Ausweitung der „Grüner Pass“-Regel auf alle Arbeitsplätze zur Debatte. Premier Mario Draghi will die „grüne Karte“ maximal ausnutzen, hieß es dazu in italienischen Medien am Dienstag. Nichtgeimpfte bzw. jene, die noch nicht infiziert waren, müssen in Italien bereits jetzt in vielen Bereichen einen negativen Test vorlegen. Dieser darf nicht älter als 48 Stunden sein und muss im Gegensatz zu Österreich bereits seit Wochen wieder aus eigener Tasche bezahlt werden.

Der Anfang August zunächst für Gastroinnenbereiche, die Teilnahme an Veranstaltungen, für Fitnesszentren, Sportstadien und Vergnügungsparks eingeführte „Grüne Pass“ wurde zuletzt auch für den Zugang zu Hochgeschwindigkeitszügen, Inlandsflügen und Bussen verpflichtend.

Der „Grüne Pass“ ist zudem Bedingung für den Zugang zu Schulen und Universitäten. Dadurch müssen etwa Lehrkräfte einen „3-G“-Nachweis haben, um zum Präsenzunterricht kommen zu dürfen. Wer fünf Tage lang den „Grünen Pass“ nicht vorweist, wird ohne Gehalt vom Dienst suspendiert.

Bereits ausgemachte Sache sei nach Angaben des Nachrichtenportals Sky24 eine Ausweitung auf öffentlich Bedienstete. Erklärtes Ziel von Draghi sei allerdings eine Ausweitung auf alle Arbeitsbereiche, wie die Zeitung „La Repubblica“ berichtete. In den bereits angelaufenen Gesprächen mit den Sozialpartnern habe die Industriellenvereinigung Confindustria grundsätzliche Zustimmung signalisiert. Diese erwarte von der Regierung allerdings noch ein Entgegenkommen bei der Kostenfrage – und damit die Rückkehr zu Gratis-CoV-Tests.

Mario Draghi
AP/Fabio Frustaci
Draghi will im Kampf gegen die vierte CoV-Welle die „grüne Karte“ maximal ausspielen

Gewerkschaften warnen vor Diskriminierung

Weit skeptischer zeigen sich Vertreter der Gewerkschaften CGIL, CISL und UIL. Diese wollen laut Sky24 eine Diskriminierung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ohne „Grünen Pass“ verhindern und sprachen sich den Angaben zufolge für die Einführung der zuletzt ebenfalls ins Spiel gebrachten Impfpflicht aus. Draghi hatte am Donnerstag auf einer Pressekonferenz bejaht, dass er sich vorstellen könne, eine allgemeine Impfpflicht einzuführen, sollte bis Ende September nicht die Zahl von 80 Prozent der geimpften Bevölkerung erreicht werden.

Hinweisschild zum „grünen Pass“ in Südtirol
ORF.at
Im Innenbereich ist der „Grüne Pass“ in der Gastronomie in Italien seit Anfang August Pflicht

Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die Europäische und die italienische Arzneimittelagentur die Impfstoffe nicht mehr mittels Notfallzulassung, sondern vollständig zulassen. Der Chef der Sozialdemokraten, Enrico Letta, begrüßte die Aussage Draghis. Eine klare Absage kam vom Chef der rechtspopulistischen Lega, Matteo Salvini. Die weitere Vorgehensweise gegen die Pandemie wird Beobachtern zufolge somit auch zunehmend zu einer Kraftprobe für die von Draghi aus nahezu allen Parlamentsparteien zusammengewürfelte Koalition.

„Bürgerliche und moralische Pflicht“

Staatschef Sergio Mattarella hatte am Sonntagabend seinen Appell an die Italiener indes bekräftigt, sich impfen zu lassen. Die Impfung sei eine „bürgerliche und moralische Pflicht“. Das Thema Gesundheit sei ein Gut der gesamten Gemeinschaft, sagte er. Man könne sich „nicht auf die Freiheit berufen, sich der Impfung zu entziehen, um so die Gesundheit und das Leben anderer zu gefährden“, so Mattarella. Er bezeichnete die Impfung gleichzeitig als Instrument, „das uns die Wissenschaft mit großer Geschwindigkeit zur Verfügung gestellt hat, um das Virus zu besiegen, und das es uns ermöglicht, die Folgen nicht nur in gesundheitlicher, sondern auch in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht zu überwinden“.

Im dem rund 60 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zählenden Land gibt es bereits seit Mai einen Impfzwang für das Gesundheitspersonal. In Italien haben mittlerweile rund 80 Prozent der über Zwölfjährigen zumindest die erste Impfdosis erhalten. „Das ist ein wichtiger Meilenstein: Ende September können wir das Ziel von 80 Prozent vollständig Geimpfter in der Bevölkerung erreichen. 43,2 Millionen Bürger werden über den Impfausweis verfügen“, sagte am Dienstag der für die Impfkampagne zuständige Regierungskommissar Francesco Paolo Figliuolo.

Der Regierungskommissar erklärte sich wegen der 1,8 Millionen Bürgerinnen und Bürger im Alter zwischen 50 und 59 Jahren besorgt, die noch nicht geimpft sind. Zugleich kündigte er an, dass Italien mit der Abgabe der dritten Dosis für ältere und immungeschwächte Menschen beginnen wird. Hinter der Ausweitung der CoV-Maßnahmen steht so wie in vielen anderen Ländern die Angst vor einer vierten Welle. Nach Angaben des italienischen Gesundheitsministeriums gibt es mit Stand Montag rund 136.000 gemeldete Coronavirus-Fälle. Die Zahl der im Zusammenhang mit einer Infektion verstorbenen Menschen stieg um 52 auf 129.567.