Silicium-Wafer
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Chipgigant Arm

Poker um Deal mit weltweiten Folgen

Ein geplanter Megadeal in der Chipbranche sorgt für Kritik von Wettbewerbshütern auf der ganzen Welt: Das US-Unternehmen Nvidia will den britischen Chipdesigner Arm kaufen, dessen Technologie den Kern jedes modernen Smartphones bildet. Bisher gehörte Arm dem japanischen Telekomkonzern SoftBank und galt damit praktisch als „neutral“ – dass Arm nun in US-Hand kommen soll, beunruhigt nicht nur China.

Im Gegensatz zu Chipherstellern wie Intel lizenziert Arm Technologien an andere Unternehmen, die auf dieser Basis dann eigene Chips herstellen. Mit Erfolg: Arm-Designs sind heute in praktisch jedem Smartphone vorzufinden, egal ob von Apple, Google oder Samsung – sie alle zahlen Lizenzgebühren an Arm. Auch in Supercomputern und Servern spielt Arm, vor allem wegen Vorteilen bei der Energieeffizienz, zunehmend eine gewichtige Rolle.

Vor genau einem Jahr erklärte der japanische Telekomgigant SoftBank, sich nach dem Kauf im Jahr 2016 wieder von Arm trennen zu wollen – für 54 Milliarden US-Dollar (rund 45 Mrd. Euro) soll der Chipdesigner an das US-Unternehmen Nvidia gehen. Nvidia gilt als Spezialist für Grafikkarten, stellt aber auch eigene Chips her, etwa für autonome Fahrzeuge – und natürlich auf Arm-Basis.

China wegen Handelskrieg mit USA besorgt

Bisher galt Arm eigentlich als „neutraler“ Player auf dem Markt – wie das Technologieportal ArsTechnica schreibt, stellt der Telekomriese SoftBank keine Konkurrenz für die Arm-Lizenznehmer dar. Und im Gegensatz zu den USA befindet sich Japan mit China nicht in einem großangelegten Handelskrieg, der auch auf dem Technologiesektor mit scharfen Sanktionen verbunden ist. Während der Smartphone-Hersteller Huawei seither etwa auf das Google-Betriebssystem Android verzichten muss, wird bei den Chips in ihren Handys nach wie vor auf Arm-Designs gesetzt.

Nvidia-Logo auf Hauptquartier
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Der Grafikkartenhersteller Nvidia kündigte den Kauf im September 2020 an

Mit entsprechend großer Sorge sind die Kaufpläne international aufgenommen worden. In China wird der Deal seit dem Frühsommer von den dortigen Wettbewerbshütern untersucht – das könnte bis zu 18 Monate in Anspruch nehmen und wird damit den ursprünglich geplanten Zeitrahmen für den Kauf durch Nvidia sprengen, schreibt die „Financial Times“ („FT“).

Gegenwind aus Peking erwartet

Und nachdem praktisch die gesamte Chipindustrie Chinas auf Arm-Technologie angewiesen ist, ist wohl mit enormem Gegenwind zu rechnen. Das war schon seit Ankündigung des Deals klar, auf den aus Peking umgehend mit Skepsis reagiert wurde.

Nvidia könnte im Gegenzug versuchen, Druck auf China auszuüben – im Vorjahr wurde gemutmaßt, dass Nvidia mit dem Rückzug vom chinesischen Markt drohen könnte, wie die „FT“ damals schrieb. Nvidias Grafikkarten sind durchaus von Bedeutung für den dortigen Markt – wenngleich Nvidia nicht der einzige Grafikkartenanbieter auf dem Markt ist und eine etwaige Drohung damit wohl auch ins Leere laufen könnte.

Gegenwind aus London und Brüssel

Neben China gibt es auch in Großbritannien Zweifel: Die Wettbewerbsbehörde CMA rief zu einer genauen Untersuchung der Übernahme auf. Es bestehe die Sorge, dass Nvidia den Zugriff auf Arm-Designs einschränken könnte. Das könnte Innovationen hindern – in Bereichen wie Rechenzentren, Gaming und autonomen Fahrzeugen, zitiert die „FT“ CMA-Chef Andrea Coscelli.

Und auch die Wettbewerbshüter der EU sind offenbar skeptisch. Noch diese Woche wird damit gerechnet, dass Nvidia bei Brüssel die Freigabe für den Deal beantragt – doch eine Zustimmung gilt nicht als gesichert, wie ein Beamter gegenüber der „FT“ sagt. Auch hier sieht man offenbar die Gefahr, dass Nvidia die Arm-Designs nicht mehr anderen Unternehmen zugänglich machen könnte.

Zugeständnisse und Lobbyismus für drei Regionen

Nvidia reagierte mit Zugeständnissen auf die Kritik aus Großbritannien: Man wolle den Zugang zu Chipdesigns für andere Unternehmen nicht einschränken – und auch nicht das Produktsortiment einschränken, so die „FT“. London reagierte laut dem Blatt unbeeindruckt – weswegen der gesamte Deal mittlerweile wackelt.

Auf einer eigenen Website zählt Nvidia die Pläne für den britischen, europäischen und chinesischen Markt auf, die sich offenbar ganz gezielt an ranghohe Vertreter der jeweiligen Regionen wendet: Auf der europäischen Seite wird etwa die „Digitale Souveränität“ angesprochen, die der Deal fördern soll – eines der großen Stichwörter in Brüssel beim Thema Digitalisierung.

USA könnten Dominanz bei Chips ausbauen

Sollte der Kauf trotz Widerstandes aus Europa und China zustande kommen, würde das wohl längerfristig die Dominanz der USA bei Prozessoren zementieren. Während der Großteil der herkömmlichen Desktop- und Servercomputer noch immer mit der Rechnerarchitektur, praktisch das Grundgerüst eines Computers, von Konkurrent Intel betrieben werden, wird der Markt mit Mobilgeräten von Arm bestimmt, wenn auch eben über Lizenznehmer wie Samsung, Apple und Nvidia selbst.

Dabei ist die Chipherstellung längst kein rein wirtschaftliches Thema mehr – vor allem dann nicht, wenn die Chips in praktisch jeder Hosentasche zu finden sind. London äußerte diesbezüglich auch Sicherheitsbedenken, sollte der Deal durchgehen – Nvidia sieht dieses Problem freilich nicht. Doch die britischen Zweifel zeigen, dass Chips heute auch politisch eine gewichtige Rolle innehaben. Das zeigte nicht zuletzt die Debatte über die Verwendung von 5-G-Technologie des chinesischen Herstellers Huawei, die auf Widerstand im Westen stieß.

Worst-Case-Szenario als Chance für offene Alternative

Sollte die Übernahme von Arm durch Nvidia tatsächlich Auswirkungen auf die weltweite Rechnerproduktion haben, könnte das – zumindest längerfristig – dazu führen, dass sich Hersteller nach Alternativen zu den Arm-Designs umsehen. Einen Kandidaten – bisher grober Außenseiter – gibt es dafür schon. Mit RISC-V existiert ein Konkurrenzstandard mit einem enormen Vorteil: Die Rechnerarchitektur ist offen verfügbar – das heißt, für die Verwendung in Chips fällt an sich keine Lizenzgebühr an.

Der Umstieg ist jedoch extrem mühsam – nicht nur, weil passende Chips erst entwickelt und damit auch der Fertigungsprozess komplett geändert werden müsste. Auch sind verschiedene Rechnerarchitekturen nicht miteinander kompatibel – Software müsste in vielen Fällen also erst aufwendig verändert werden, um überhaupt auf den neuen Chips lauffähig zu sein.

Noch länger keine Entscheidung in Sicht

Für Aufsehen sorgte jedenfalls vergangene Woche eine Jobanzeige des iPhone-Herstellers Apple, der erst seit kurzer Zeit auf Arm-Designs in seinen Mac-Computern setzt. Gesucht wurde eine RISC-V-Spezialistin oder ein -Spezialist, was umgehend Gerüchte befeuerte, Apple könnte erneut die Chipproduktion umstellen und damit künftig Lizenzgebühren einsparen. Das gilt aber aufgrund des komplizierten Umstiegs als extrem unwahrscheinlich, auch die Stellenanzeige deutet eher auf einen sehr spezialisierten Einsatzzweck hin.

Und dennoch: Sollte Arm als relativ „neutraler“ Chipdesigner wegfallen, wird das Interesse an RISC-V wohl rasant zunehmen. Auch das könnte den Umgang Nvidias mit dem britischen Chipdesigner maßgeblich beeinflussen, eine Änderung des bisherigen Geschäftskonzepts damit unattraktiver machen. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Kauf überhaupt durchgeht – das wird sich wohl frühestens 2022 entscheiden.