Geldstrafen für Polen: „Sehr außergewöhnlicher Schritt“ der EU

Im Streit über die polnische Justizreform hat die EU-Kommission heute Finanzsanktionen gegen das Mitgliedsland beantragt. Sollte der Europäische Gerichtshof (EuGH) dem Wunsch folgen, würde es tägliche Geldbußen für Polen geben, bis sich das Land der Rechtsprechung beugt. Für die EU-Kommission sei das ein „sehr außergewöhnlicher Schritt“, hieß es von der Brüsseler Behörde. Einen ähnlichen Fall habe es erst einmal gegeben, im Jahr 2017 auch gegen Polen. Damals ging es um die Abholzung des geschützten Urwalds Bialowieza.

EU beantragt Strafzahlungen für Polen

Die EU-Kommission hat beim Europäischen Gerichtshof finanzielle Sanktionen gegen Polen beantragt. Hintergrund ist die Justizreform des Landes, die gegen geltendes EU-Recht verstößt.

Seit Jahren streitet die EU-Kommission mit der polnischen Regierung über die Justizreform. Dabei geht es unter anderem um die 2018 geschaffene Disziplinarkammer am Obersten Gerichtshof in Warschau. Das Gremium kann etwa Richterinnen und Richter suspendieren und disziplinieren. Die EU und zahlreiche NGOs sehen darin ein Mittel zur unbotmäßigen Einflussnahme der Regierung auf die Justiz.

ie Regierung in Warschau argumentiert hingegen, mittels der Disziplinarkammer Fehlverhalten zu bekämpfen. In Polen läuft derzeit auch vor dem Verfassungsgericht ein Verfahren dazu, ob polnisches Recht Vorrang vor EU-Recht hat – ein weiterer Streitpunkt mit Brüssel.

Gericht muss entscheiden

Bereits vor rund zwei Monaten hatte der EuGH geurteilt, die Disziplinarkammer solle ihre Arbeit einstellen – was bisher de facto trotz anderslautender Versprechen nicht geschehen ist. Auch ein Ultimatum der Kommission verstrich Mitte August.

Nun muss der EuGH entscheiden, ob er tatsächlich tägliche Geldstrafen über Polen verhängt und wenn ja, wie hoch diese sein sollen. Wie lange eine solche Entscheidung dauern wird, sei nicht abzusehen, hieß es in Brüssel. Auch über die mögliche Höhe der Strafen wollte man nicht spekulieren.

Polen ortet „Angriff“

Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte in einer Aussendung, die „Justizsysteme in der Europäischen Union müssen unabhängig und fair sein. Die Rechte der EU-Bürger müssen überall in der Europäischen Union in gleicher Weise gewährleistet werden.“ Justizkommissar Didier Reynders betonte, die Kommission werde „nicht zögern, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die vollständige Anwendung des EU-Rechts zu gewährleisten“.

Die Regierung in Warschau ortete einen „Angriff“ auf Polen. Der stellvertretende polnische Justizminister Sebastian Kaleta schrieb auf Twitter: „Die Europäische Kommission blockiert auf ungesetzliche Weise Geldmittel für Polen und beantragt Geldbußen.“ Das sei ein „Angriff“ auf Warschau.

„Unter dem Vorwand des Rechts haben wir es hier mit einer Aggression gegen Polen zu tun“, schrieb Justizminister Zbigniew Ziobro. Man könne das nur in diesen Kategorien kommentieren, als „juristischen hybriden Krieg“.

Erst gestern hatte die Kommission bestätigt, auch die milliardenschweren CoV-Hilfen für Polen wegen Rechtsstaatlichkeitsbedenken zurückzuhalten. Polen soll insgesamt 40 Milliarden Euro an Zuschüssen und Krediten erhalten.

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