Eine Person öffnet mit einem Handschuh einen Container mit Pestiziden
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Wie „Mafia“

Handel mit illegalen Pestiziden floriert

Nicht alle Pestizide sind überall erlaubt – und schon gar nicht frei erhältlich. Die Hintertür ist der Bezug aus dem Ausland, am einfachsten via Internet. Oft sind illegale Pestizide im Paket, verboten wegen Gesundheitsrisiken, die Rede ist von einer Pestizid-„Mafia“. Im Handel mit den verbotenen Mitteln werden Hunderte Millionen Euro umgesetzt. Die Post kommt oft nicht einmal von sehr weit her.

Laut einem aktuellen Medienbericht aus Tschechien etwa werden allein dort pro Jahr von Herstellern und Lieferanten nicht zugelassener bzw. gepanschter Pestizide knapp 40 Mio. Euro umgesetzt. Das Geschäft damit boomt nicht nur im Nachbarland. Bei einer Großaktion von Europol seien zuletzt an die 1.200 Tonnen illegaler Pflanzenschutzmittel mit einem Verkaufswert von rund 80 Mio. Euro aus dem Verkehr gezogen worden – zwischen 13. Jänner und 25. April, wie die EU-Polizeibehörde im Juni mitteilte.

Die gesamte Summe, die mit dem illegalen Gift umgesetzt wird, lässt sich wahrscheinlich nur schätzen bzw. aus beschlagnahmten Mengen hochrechnen. Laut einem Bericht des deutschen MDR aus dem Vorjahr sind es nach Zahlen der Europäischen Kommission rund 120 Mio. Euro pro Jahr für die Hintermänner des florierenden Handels allein in der EU. Laut dem Bericht von damals kann ein verbotenes Pestizid, das im Verdacht steht, krebserregend zu sein, und in der EU seit 2019 nicht mehr zugelassen ist, ganz einfach über das Internet aus Polen bezogen werden.

Offenes Werben mit dem Verbotenen

Der Onlinemarktplatz, den der MDR in seinem Bericht nannte, wirbt aktuell offen damit, Produkte „auch ohne Sachkundenachweis“ und solche, die etwa „in Deutschland nicht mehr zugelassen“ sind, zu liefern. Tausende „treue, zufriedene Stammkunden aus der ganzen EU“ könnten nicht irren. Als Verkaufshit wird das Pestizid Roundup mit dem Wirkstoff Glyphosat, über dessen Verbot in der EU seit Jahren gestritten wird, angepriesen. Dazwischen eingestreut: einige eher harmlose Substanzen.

Kunststoffbehälter mit Chemikalien
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Die europäische Polizeibehörde Europol ist den Herstellern illegaler Pestizide in der Opertion „Silver Axe“ auf der Spur

In Österreich Nachweis erforderlich

In Österreich ist für den Erwerb von Pflanzenschutzmitteln (mit Ausnahmen und über Kleinmengen hinaus) seit Jahren ein Sachkundenachweis (Ausweis), wie ihn das Portal nennt, erforderlich, Kurs inklusive. Zuvor waren die meisten Pflanzenschutzmittel frei erhältlich, auch solche, die heute verboten sind.

„Die Mafia“, wie das tschechische Nachrichtenportal Hlidaci Pes mit Schwerpunkt investigative Recherche kürzlich schrieb, habe das Potenzial des Handels mit den verbotenen Pflanzenschutzmitteln längst erkannt und verdiene viel Geld damit. Laut Schätzungen könnte der Marktanteil dieser Produkte in Tschechien bei 15 Prozent und mehr liegen. Für Österreich nennt das Onlinemagazin knapp über zwölf, für Deutschland über elf Prozent und bezieht sich dabei auf Zahlen der zuständigen tschechischen Behörden.

Irgendwo zwischen hochgiftig und unwirksam

Die Probleme bei Bezug und Verwendung derartiger Substanzen sind bekannt und vielschichtig. Natürlich ist der Handel damit verboten, dasselbe gilt für die Verwendung. Im schlimmsten Fall sind die Produkte hochgiftig, im Idealfall – zumindest für Lebewesen und Umwelt – schlicht unwirksam, ähnlich wie beim Handel etwa mit Medikamentenplagiaten. Für den Handel mit illegalen Pestiziden drohen Haftstrafen, allerdings sei es schwierig, Herstellern und Händlern auf die Spur zu kommen. Der vom MDR genannte Händler verstecke sich hinter einer Briefkastenadresse, hieß es. Aber nicht nur online, auch auf grenznahen Märkten würden die verbotenen Pflanzenschutzmittel angeboten.

In Tschechien würden pro Jahr Hunderte Kontrollen bei landwirtschaftlichen Betrieben durchgeführt, fündig werde man dort selten, folglich würden auch kaum Strafen verhängt. Mitunter würden die verbotenen Pflanzenschutzmittel auch aus Unwissenheit über Verbote gekauft. Der MDR nannte in seinem Bericht eher den Hausgarten als „Tatort“ für den Einsatz und die Chemiekeule gegen Blattlaus, Wühlmaus und unerwünschte Pflanzen in nicht kommerziellen bzw. nicht professionellen Händen. In Tschechien sollte künftig der professionelle Pestizideinsatz über ein Register dokumentiert werden. Das Gesetz lasse allerdings auch sich warten – und es soll offenbar nur Großbetriebe betreffen.

Im Garten und auf dem Balkon

Es sind aber nicht immer nur prinzipiell verbotene Pflanzenschutzmittel, die sich im Handel finden. Für die Schweiz etwa berichtete der SRF im Juni von bis zu 1.300 Pestiziden, deren Verkauf an „Laien“ untersagt sei. Dennoch fänden sich einige davon in den Regalen der Bau- und Gartenmärkte. Etwa zehn Prozent aller Pestizide, die pro Jahr im Land verkauft werden, schätzte der Schweizer Sender, würden im Hausgarten und auf dem Balkon angewendet. „Das sind rund 220 Tonnen pro Jahr.“

Der französisch-deutsche TV-Sender Arte berichtete erst diese Woche in einer halbstündigen Dokumentation unter dem Titel „Illegale Pestizide – Den Giften auf der Spur“ über der Weg der illegalen Pestizide, die Angst von Landwirten vor Wettbewerbsnachteilen, weil sie gewisse Substanzen nicht (mehr) verwenden dürfen, und den Kampf von Europol im Rahmen der Operation „Silver Axe“ dagegen.

Periodisch ist auf der Website der Polizeibehörde die Rede von der Beschlagnahme Hunderter Tonnen einschlägiger verbotener Produkte. Oft stammten die Chemikalien, die für verbotene Pestizide verwendet würden, aus deutschen Chemiefabriken. Über das Ausland kehrten sie später – und dann als verbotene Mixturen – zurück.