Menschen mit Maske in Einkaufscenter
APA/Erwin Scheriau
Neue CoV-Regeln

Geteiltes Echo und offene Fragen

Die von der Regierung am Mittwoch angekündigten neuen CoV-Regeln rufen ein geteiltes Echo hervor. Zustimmung kam neben Wirtschaftskammer und Industrie von den Landeshauptleuten. Letztere hatten ja bis zuletzt mit der Regierung über die Details des Dreistufenplans gefeilscht. Während Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ein „Einschwenken auf den Wiener Weg“ ortete, kam von der Opposition im Bund teils herbe Kritik. Auch gibt es offene Fragen, etwa wer die Maskenpflicht für Ungeimpfte kontrollieren soll.

Unter anderem wird ab 15. September die FFP2-Maske wieder den Mund-Nasen-Schutz ersetzen. Zudem werden Ungeimpfte verpflichtet, auch im Handel, der nicht dem täglichen Bedarf dient, also beispielsweise in Modegeschäften, FFP2-Maske zu tragen. Für Geimpfte wird das Tragen der Masken empfohlen. Steigen die Zahlen an den Intensivstationen weiter, könnten weitere Verschärfungen kommen.

Doch schon die anstehende Maskenregelung ließ Fragen aufkommen: Der Einkaufszentrenverband ACSP begrüßte zwar „den verantwortungsvollen und vorausschauenden Umgang“, den man unterstützen werde, um einen weiteren Lockdown zu verhindern. Doch sei „nicht klar, ob und für wen eine Maskenpflicht in unseren Malls gilt“. Überprüfen werde man das nicht können. Ganz gleich der Tenor von Handelsvertreter Rainer Trefelik und Handeslverbandschef Rainer Will. Trefelik sagte im Ö1-Morgenjournal wörtlich: Der Handel sei „sicher nicht die Polizei“. Aber auch die Polizeigewerkschaft wehrt sich dagegen. Gewerkschafter Hermann Greylinger betonte, die Polizei habe andere Aufgaben.

CoV-Maßnahmen: Viele offene Fragen

Rechtlich ist laut Verfassungsjuristen und -juristinnen eine Unterscheidung zwischen Geimpften und Ungeimpften bei den CoV-Maßnahmen unbedenklich. Die tatsächliche Umsetzung und die Kontrolle der Einhaltung der Maßnahmen gestaltet sich allerdings schwierig.

Verweis auf „persönliche Verantwortung“

Zur FFP2-Pflicht für Ungeimpfte im Handel hieß es von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne), man empfehle auch den Geimpften „ausdrücklich“, dort auf diese Maßnahme zu setzen. Kontrolliert werden soll das „stichprobenartig“ durch die Polizei, doch wurde von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch auch auf eine „persönliche Verantwortung“ verwiesen.

Die Landeshauptleute äußerten sich zu den Regeln zustimmend: Stellvertretend betonte Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) das Einvernehmen mit allen Ländern und Gemeinden. "Die Beschlüsse werden mitgetragen, es wird an einem Strang gezogen. Den Paradigmenwechsel „von der 7-Tage-Inzidenz hin zur Intensivbettenbelegung“ begrüße man.

Gartlehner: „Ursachenbekämpfung“ fehlt

Hingegen gibt es von Expertenseite Kritik: Dem Epidemiologen Gerald Gartlehner fehlt in dem Plan, „dass eigentlich nichts dabei ist, das die Ursache des Problems behandelt – nämlich wie wir die Impfrate erhöhen“. Man müsse sich vor Augen halten, dass die sich zuspitzende Covid-19-Situation „völlig vermeidbar“ ist, wenn sich mehr Leute impfen lassen würden. Dass der Fokus nun auf den Krankenhauskapazitäten liegt, findet Gartlehner „gut“.

Leider handle es sich bei dem Paket um „Symptombekämpfung“, die noch dazu nicht unmittelbar einsetzen soll. Warum Verschärfungen nämlich nach dem Erreichen von bestimmten Grenzwerten bei der Belegung der Intensivstationen erst sieben Tage später in Kraft treten, „kann ich überhaupt nicht nachvollziehen“, so der Experte für Evidenzbasierte Medizin von der Donau-Universität Krems: „Es sieht ja jeder, in welche Richtung es geht und worauf man sich vorbereiten muss.“

Epidemiologe Gartlehner zu den Maßnahmen

Nach dem Verkünden der geplanten CoV-Maßnahmen übt Epidemiologe Gerald Gartlehner Kritik an den geplanten Schritten. Vieles davon sei nur „Symptombekämpfung“.

Impfkampagne und mehr Druck gefordert

„Stufe 2“ des Plans sieht etwa sieben Tage nach Überschreitung einer Intensivstationsauslastung von 15 Prozent (300 Betten) u. a. die „2-G-Regel“ in der Nachtgastro und bei Veranstaltungen ohne zugewiesene Sitzplätze mit mehr als 500 Personen vor. Diesen Schwellenwert sieht Gartlehner „eigentlich schon ums Eck“.

Die breitere Rückkehr der FFP2-Maske bewertet Gartlehner als positiv. Zumindest parallel zu den präsentierten Regeln sollten deutlich mehr Impfkampagnen gefahren oder der Druck auf Ungeimpfte erhöht werden. Da habe sich im Sommer nicht viel getan, obwohl die Regierung „ja nicht gerade ungeübt“ im Fahren von Kampagnen sei, so Gartlehner. Außerdem sei es in Österreich „fast noch ein bisschen zu bequem, ungeimpft zu sein“.

SPÖ: „Zu spät, zu zögerlich“

Von den Oppositionsparteien kommt teilweise scharfe Kritik. Die Regierung habe den Sommer über nichts getan, um den Impffortschritt zu erhöhen, hieß es vonseiten der SPÖ. Kurz habe im Gegenteil behauptet, die Pandemie sei gemeistert. Die vierte Welle und eine hohe Belastung der Intensivstationen seien von Kurz in unverantwortlicher Weise in Kauf genommen worden. Die nun präsentierten Maßnahmen kämen „zu spät, zu zögerlich und sind nicht konsequent genug“, teilte SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher per Aussendung mit.

Die Regierung sage, die Impfung sei die Lösung, setze aber keine Initiativen, um die Impfquote zu erhöhen. Es stelle sich die Frage, wo die „Impfkampagne (sei), um mehr Menschen von der Wichtigkeit der Impfung zu überzeugen“. Das „exorbitante Werbebudget verschleudert Kurz lieber für Eigen-PR statt für eine Impfoffensive“, so Kucher. Die niedrige Impfquote Österreichs sei „hausgemacht“ und „Zeichen des Vertrauensverlusts der Bevölkerung in die Kurz-Regierung“, so Kucher.

FPÖ: „Brandmarkung für Ungeimpfte“

Scharfe Kritik kam von der FPÖ: Parteichef Herbert Kickl bezeichnete die Maßnahmen-PK als „in jeder Hinsicht grotesk“. Die „Absurdität“ beginne schon bei der Aussage von einer „Pandemie der Ungeimpften“, so Kickl. Denn in Wahrheit handle es sich um eine „Brandmarkung für Ungeimpfte“. Mit den Aussagen von Kurz würde die Bevölkerung „verächtlich gemacht“, sagte Kickl. Das erinnere an „dunkle Zeiten der Geschichte“ – und geschehe „ohne jede Evidenz“.

„Andere Länder hatten keine FFP2-Masken-Pflicht und auch keine schlechteren Zahlen. Und wie stark wurden seit Beginn der Pandemie die Intensivstationen und die Anzahl des dortigen Personals ausgebaut?“ Dazu verschweige sich der türkise Kanzler, so Kickl. Als „verräterisch“ bezeichnete der blaue Obmann „das Gerede vom ‚Schutz für Ungeimpfte‘“, denn damit würde Kurz die Zwangsmaßnahmen „euphemistisch verbrämen“.

„Freiheitseinschränkungen als ‚Schutz‘ für Menschen, die der Regierung nicht Folge leisten – das haben wir spätestens mit dem Fall der Regime im Osten als endgültig überwunden geglaubt.“ Nunmehr habe die „Impf-Apartheid endgültig begonnen“, Österreich befinde sich in einer türkis-grünen „Impfokratur“, befand Kickl. „Die Endstation lautet Hausarrest für Ungeimpfte, die stigmatisiert und ausgegrenzt werden.“

NEOS: „Zögerlich, zaudernd, zerfleddert“

Auch von NEOS kam einiges an Kritik: Es sei zwar gut, dass die Regierung nun „endlich Genesene mit Geimpften gleichsetzt“, doch habe Kurz „sein Versprechen schon wieder gebrochen“, so Gesundheitssprecher Gerald Loacker: Schließlich habe es geheißen, dass Geimpfte nicht mehr von Einschränkungen betroffen sein würden – doch gelte nun die FFP2-Masken-Pflicht im Lebensmittelhandel und in öffentlichen Verkehrsmitteln doch wieder für alle.

Grundsätzlich seien die Pläne „zu zögerlich, zaudernd und zerfleddert“, als dass die Menschen in Österreich sie einfach nachvollziehen können. „Die Bundesregierung lässt die, die sich impfen lassen, für ihr eigenes Versagen zahlen. Der Stufenplan basierend auf Auslastung der Spitäler ist zu kompliziert und unübersichtlich“, so Loacker. Die FFP2-Empfehlung für Geimpfte und gleichzeitige Pflicht für Ungeimpfte werde „nicht durch das Personal im Handel kontrollierbar sein können“.

WKO und IV zufrieden

Zufrieden mit den neuen Maßnahmen zeigten sich die Wirtschaftskammer (WKO) und die Industrie. „Aus Sicht der Wirtschaft ist es alternativlos, dass alles darangesetzt wird, weitere Lockdowns zu verhindern“, meinte WKO-Präsident Harald Mahrer.

Erleichtert zeigte sich auch Handelsvertreter Rainer Trefelik: „Wir freuen uns, dass mit Ausnahme des Lebensmittelhandels die FFP2-Maskenpflicht im Handel österreichweit nur für Ungeimpfte eingeführt wird.“ Kontrollieren werde der Handel das aber nicht, betonte Trefelik auch gleich. Tourismusobmann Robert Seeber bezeichnete die Ankündigungen der Bundesregierung als „Schritt mit Augenmaß zum richtigen Zeitpunkt“. Zufrieden zeigten sich auch Mario Pulker, Obmann des Fachverbands Gastronomie, und Susanne Kraus-Winkler, Obfrau des Fachverbands Hotellerie.

Astrid Legner, Obfrau des Fachverbandes Freizeit- und Sportbetriebe, sagte: „Der heute verkündete Stufenplan lässt unsere Betriebe nach Wochen der Verunsicherung endlich etwas aufatmen und sorgt für eine gewisse Planbarkeit.“

Der private Handelsverband stellte fest, die differenzierte Einführung der FFP2-Masken-Pflicht im gesamten österreichischen Handel sei eine überraschende Maßnahme, da der Handel mit einem Fallanteil von nur 0,3 Prozent nachweislich kein CoV-Hotspot sei. Die Industriellenvereinigung (IV) wiederum sprach von einer „Perspektive für den Herbst“.

„Politischer Eiertanz“

Dass die neu präsentierten CoV-Maßnahmen inklusive Stufenplan relativ kompliziert sind, sei laut Politikberater Thomas Hofer indes alles andere als Zufall. „Das ist der typische politische Eiertanz.“ Man wolle keine Zielgruppe – weder die Geimpften noch Ungeimpften – verprellen, so Hofer, der die CoV-Maßnahmen als ein „wahnsinnig spalterisches Thema“ bezeichnete und in diesem Zusammenhang zum Schluss kommt: „Wie man es macht, macht man es falsch“ – mehr dazu in wien.ORF.at.