Menschen im Zentrum von Kopenhagen
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Aus für CoV-Beschränkungen

Dänemark und der AstraZeneca-Effekt

Dänemark hat mit Freitag alle CoV-Einschränkungen aufgehoben. Schweden will Ende des Monats folgen. Die dänische Impfrate liegt bei rund 80 Prozent der Bevölkerung ab zwölf Jahren. Das könnte laut der dänischen Epidemiologin Lone Simonsen mit dem frühzeitigen Verzicht auf den Impfstoff von AstraZeneca zusammenhängen, wie sie in einem Interview sagte.

Aufgrund der „rekordhohen“ Impfrate sei die Epidemie unter Kontrolle und gelte nun nicht mehr als Bedrohung für die Gesellschaft, hatte Gesundheitsminister Magnus Heunicke bereits Ende August bei der Ankündigung des Abschieds von CoV-Maßnahmen gesagt. Man habe eine sehr hohe Impfrate, bei den ab Zwölfjährigen seien mehr als 80 Prozent der 5,8 Millionen Einwohner und Einwohnerinnen mittlerweile doppelt geimpft, so Simonsen im Interview mit dem deutschen „Spiegel“.

Die Pandemiebekämpfung sei gutgegangen, da die Regierung oft kurzfristig reagiert habe. Die Regierung habe auch auf Einschränkungen verzichtet, die die Dänen und Däninnen nicht akzeptiert hätten. Als Beispiel nannte sie etwa das Recht, in die Natur zugehen. Auch der recht früh eingeführte „CoV-Pass“ habe dieses Jahr geholfen.

Menschen warten in Kopenhagen dicht gedrängt auf der Straße auf die Öffnung eines Nachtlokals
Reuters/Ritzau Scanpix
In Dänemark wird das Nachtleben wieder ohne Auflagen genossen

Rechtzeitig „auf AstraZeneca verzichtet“

In Sachen Impfgegner sagte Simonsen, dass die Entscheidung wichtig gewesen sei, auf den Impfstoff von AstraZeneca zu verzichten, nachdem in seltenen Fällen schwere Nebenwirkungen festgestellt worden waren. Das habe zu einem großen Vertrauen in die Gesundheitsbehörden geführt, erklärte Simonsen die hohe dänische Impfrate.

Daher glaubten die Dänen, vor Nebenwirkungen geschützt zu sein, so Simonsen im „Spiegel“ weiter. In anderen Ländern hatte es heftig Diskussionen über die tatsächliche Gefährlichkeit der Nebenwirkungen des britisch-schwedischen AstraZeneca-Impfstoffes gegeben. In den meisten Ländern, auch in Österreich, war der Impfstoff weiterverwendet worden. Auch ein weiterer Punkt hatte die Debatte über AstraZeneca belastet: Das Unternehmen hatte auch nicht wie von der EU gefordert den Impfstoff rechtzeitig geliefert.

Dänemark hebt CoV-Maßnahmen auf

Aufgrund einer hohen Impfquote und stark sinkender CoV-Infektionszahlen werden in Dänemark am Freitag die letzten CoV-Einschränkungen aufgehoben. Wie der Alltag in Dänemark nach dieser Öffnung verläuft, berichtet ORF-Korrespondentin Raffaela Schaidreiter.

Spätestens im Herbst und Winter werde es zu einer Epidemie bei Kindern und Ungeimpften kommen, glaubt Simonsen. Das sei der Preis einer offenen Gesellschaft, die man mit dem Ende der Maßnahmen wieder werde. Man gehe aber nicht mehr von einer Überlastung der Krankenhäuser aus. Es werde auch weniger Todesfälle geben, so Simonsen weiter. „Aber die (Pandemie) wird so lange weitergehen, bis die Herdenimmunität erreicht ist“, so Simonsen.

Schrittweise Aufhebung

Auch Heunicke sieht die Epidemie noch nicht vollständig überwunden. Seine Regierung werde rasch handeln, sollte sie erneut die „wesentlichen Bereiche“ des gesellschaftlichen Zusammenlebens bedrohen, sagte er weiter. Mit der Einführung des „CoV-Passes“ im April begann das Land, seine Beschränkungen schrittweise wieder zu lockern. Maskenpflicht und Abstandsregeln wurden im Zuge dessen weitgehend aufgehoben.

Dänemark beendet alle Coronavirus-Maßnahmen

Dänemark ist das erste Land in Europa, in dem – am 10. September – sämtliche CoV-Maßnahmen zurückgefahren werden.

Seit dem 1. September brauchten die Dänen in Restaurants, Sportzentren und bei Friseuren keinen Impfnachweis mehr, seit Freitag muss der „CoV-Pass“ auch nicht mehr für den Besuch von Nachtclubs und Großveranstaltungen vorgelegt werden. Diskotheken und Nachtclubs hatten bereits kurz zuvor wieder geöffnet.

Schweden kündigt Lockerungen für Ende September an

Nach Dänemark will auch Schweden seine CoV-Beschränkungen weitgehend aufheben. Finnland will im Oktober folgen. Die schwedische Sozialministerin Lena Hallengren sagte am Dienstag, dass die Personenbegrenzungen bei öffentlichen Veranstaltungen wie Konzerten und Fußballspielen und bei privaten Feiern am 29. September aufgehoben würden. Auch die Empfehlung, von zu Hause aus zu arbeiten, werde zurückgenommen.

„Dank einer erfolgreichen Impfkampagne sind wir im Umgang mit der Pandemie weit gekommen“, sagte die Ministerin. Die schwedische Gesellschaft befinde sich in einer besseren Situation. Nun seien es hauptsächlich ungeimpfte Menschen, die krank würden und im Krankenhaus behandelt werden müssten.

In Schweden haben inzwischen rund 82 Prozent der Bevölkerung über 16 Jahren eine Impfdosis und 70 Prozent zwei Dosen bekommen. Der Direktor der Gesundheitsbehörde, Johan Carlson, sagte, Geimpfte könnten nach dem 29. September im Prinzip ein normales Leben führen. Für Ungeimpfte bestehe weiterhin die Gefahr einer schweren Erkrankung.

Düstere Aussichten in Norwegen

Norwegen verzeichnete indes erneut die höchste Zahl an CoV-Neuinfektionen innerhalb einer Woche seit Beginn der Pandemie. Wie die Gesundheitsbehörde am Mittwoch mitteilte, wurden in der vergangenen Woche fast 10.000 neue Fälle registriert, 15 Prozent mehr als in der Woche davor. Aufgrund der steigenden CoV-Zahlen will sich die Regierung noch nicht auf ein Ende der Pandemiebeschränkungen festlegen.

Rund 77 Prozent der erwachsenen Bevölkerung ab 16 Jahren haben beide Impfdosen bekommen. Erst in der letzten Woche gab die Regierung das Go für die Impfung für Kinder von zwölf bis 15 Jahren. Vor allem unter Kindern und Jugendlichen gibt es hohe Ansteckungsraten. Massentests an Schulen sollen verhindern, dass ganze Jahrgänge in Quarantäne gehen müssen.

Norwegens Gesundheitsminister Bent Hoie sagte, das Ziel sei, bis Ende September 90 Prozent der erwachsenen Bevölkerung zu impfen. „Wenn wir uns diesem Ziel nähern, werden wir wahrscheinlich öffnen und uns auf eine normale Gesellschaft zu bewegen.“