Flugzeug der Qatar Airways auf dem Flughafen in Kabul
APA/AFP/Wakil Kohsar
Afghanistan

Erster Evakuierungsflug seit US-Abzug

Zehn Tage nach dem Abzug der US-Truppen aus Afghanistan sind erstmals Ausländerinnen und Ausländer an Bord eines zivilen Evakuierungsflugs außer Landes gebracht worden. Rund 110 Personen, darunter auch US-Bürger, verließen am Donnerstag den Kabuler Flughafen an Bord einer Maschine der katarischen Fluggesellschaft Qatar Airways. Die Menschen wurden nach Doha gebracht.

Unter den Passagieren waren neben US-Amerikanern auch Staatsbürger Deutschlands, Kanadas, Großbritanniens, Italiens, der Niederlande und der Ukraine, berichtete die „Washington Post“ unter Berufung auf Diplomaten in Kabul. Den rund 110 afghanischen Doppelstaatsbürgern war zuvor von den Taliban-Behörden die Ausreise aus Afghanistan gestattet worden. Zunächst war von etwa 200 Personen die Rede gewesen.

Der Abflug wurde vom Außenminister Katars, Scheich Mohammed bin Abdulrahman Al Thani, in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad bestätigt. Der katarische Sondergesandte für Afghanistan, Mutlak al-Kahtani, sprach von einem „historischen Tag“ für den Kabuler Flughafen. Das sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur „Wiedereröffnung des Flughafens für internationale Flüge“.

Flugzeug der Qatar Airways auf dem Flughafen in Kabul
APA/AFP/Wakil Kohsar
Das Flugzeug beim Abflug – Ziel ist die katarische Hauptstadt Doha

123.000 Menschen ausgeflogen

Die nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban gestarteten Evakuierungsflüge aus Kabul waren Ende August mit dem Abzug der US-Truppen eingestellt worden. Über die Luftbrücke waren binnen weniger Wochen etwa 123.000 Menschen aus Afghanistan ausgeflogen worden. Jedoch konnten nicht alle Ausländer und gefährdeten Afghanen außer Landes gebracht werden. Das hatte heftige Kritik an dem chaotischen Abzug der internationalen Truppen ausgelöst.

Seit dem Ende der großen Evakuierungsmission bemühen sich westliche Länder, ihren Staatsangehörigen und ihren früheren afghanischen Ortskräften die Ausreise zu ermöglichen. US-Außenminister Antony Blinken hatte die Taliban am Mittwoch bei einem Besuch auf der US-Luftwaffenbasis Ramstein in Deutschland aufgefordert, ihre Zusage einzuhalten, Afghanen mit entsprechenden Reisedokumenten ausreisen zu lassen.

Flugzeug der Qatar Airways auf dem Flughafen in Kabul
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Etwa 200 Flugpassagiere verließen am Donnerstag Kabul

Ziel der ersten gestarteten Maschine ist freilich nicht zufällig Katar: Das Land ist in der Afghanistan-Krise ein Schlüsselakteur. In dem Golfstaat fanden 2020 die Verhandlungen zwischen den Taliban und der US-Regierung über einen Truppenabzug aus Afghanistan statt. Später wurden in Katar die Verhandlungen zwischen der Miliz und der damaligen afghanischen Regierung geführt. Am Donnerstag beriet sich der katarische Außenminister auch mit seinem iranischen Kollegen.

Taliban schlagen Journalisten

Unterdessen wurden in Kabul nach Angaben des Chefredakteurs der Zeitung „Etilaat Roz“, Saki Darjabi, zwei Journalisten in Polizeigewahrsam geschlagen, nachdem sie über Proteste von Frauen gegen die neuen Machthaber berichtet hatten und von Taliban festgenommen wurden.

Er veröffentlichte in sozialen Netzwerken verstörende Bilder seiner Mitarbeiter mit großen, roten Striemen auf Rücken und Beinen. In ihren Gesichtern waren Blutergüsse und Schnittwunden zu sehen. Auf anderen Videos ist einer der Journalisten zu sehen, der nicht mehr selbstständig gehen kann und deswegen von zwei Personen gestützt werden musste.

Protestverbot im Vorfeld des „Massoud-Tages“

Unterdessen wurden in Afghanistan Mittwochabend (Ortszeit) von den Taliban vorerst weitere Proteste verboten. In der ersten offiziellen Erklärung des Innenministeriums nach der Regierungsbildung hieß es, niemand solle derzeit versuchen, Proteste zu organisieren. Bei Verstößen wird mit ernsthafter Strafverfolgung gedroht. Die Anordnung kam nach drei Tagen Protesten in Kabul.

Außerdem stand der „Massoud-Tag“, der Todestag des legendären Taliban-Gegners und Anführers der Nordallianz, Ahmad Shah Massoud, unmittelbar bevor. Üblicherweise fahren am „Massoud-Tag“ Tausende seiner Anhängerinnen und Anhänger, ein großer Teil davon aus dessen Heimatprovinz Panjshir, vermummt und bewaffnet in langen Auto-, Motorrad- und Fahrradkorsos durch Kabul. Am Donnerstag gab es keine Berichte von derartigen Umzügen.

Taliban verbieten Proteste

Die herrschenden Taliban haben Proteste in Afghanistan verboten.

Grab von Massoud zerstört?

Dafür kursierten in sozialen Netzwerken Videos und Bilder, die zeigen, dass das Grab des von vielen als Nationalheld verehrten Massoud im Panjshir-Tal offenbar teils zerstört wurde. Auf diesen ist zu sehen, dass die Glasplatte über dem Grab kaputt ist und der Stein am oberen Ende des Grabes umgefallen und in drei Stücke zerbrochen ist.

Massoud, besser bekannt als der „Löwe von Panjshir“, hatte in den 1990er Jahren erbitterten Widerstand gegen die Taliban geleistet, bis er bei einem Selbstmordattentat zwei Tage vor dem 11. September 2001 getötet wurde. Es ist unklar, wie das Grab zerstört wurde. Die Taliban haben nach rund einer Woche schwerer Gefechte mit Widerstandskämpfern in dem Tal am Montag erklärt, die Provinz stünde unter ihrer Kontrolle.