Herdenimmunität noch nicht erreicht

Zumindest die CoV-Erstimpfung haben bisher etwas über 62 Prozent der Bevölkerung erhalten, dazu kommen fast 700.000 Genesene. Klar sei angesichts dieser Daten, dass Österreich von einer Art Herdenimmunität noch entfernt ist.

„Vielleicht liegen wir nur zehn Prozent daneben“, sagten die Komplexitätsforscher Stefan Thurner und Peter Klimek gegenüber APA. Leider fehle es immer noch an gezielten Kampagnen, um Impfskeptikerinnen und Impfskeptiker zu überzeugen.

„Weiches“ Schutzkonzept

Die Herdenimmunität beginnt aus herkömmlicher Sicht bei einer Immunitätsrate von rund 50 Prozent, die einen gewissen kollektiven Schutz biete. Bei 70 Prozent Durchimpfung sollte es dann eigentlich kaum mehr Ausbrüche geben. Bei diesen Annahmen gehe man aber immer davon aus, dass jede Person gleich viele Kontakte pflegt.

Seit einigen Jahren sei diese Sichtweise aber überholt, was nicht zuletzt die Coronavirus-Pandemie zeigt. Der Herdenschutz sei vielmehr „ein sehr weiches Konzept“, sagte der Leiter des Complexity Science Hub Vienna (CSH) Thurner, der auch Teil des CoV-Prognosekonsortiums ist. Auch wenn 30 oder 35 Prozent der Bevölkerung ungeschützt sind, könne es eben noch zu größeren Ausbrüchen kommen.

Klar sei: Je mehr Menschen ungeimpft sind und bleiben, desto höher ist die Chance auf eine noch ausgeprägtere vierte Welle. Allerdings würden die Infektionszahlen auch nicht mehr in jene Höhen gehen, wie bei pessimistischen Prognosen im vergangenen Herbst und Winter. „Da sind wir in der Impfung schon weit genug“, sagte Klimek. Das Ziel müsse jetzt sein, die Infektionszahlen möglichst gut über die Zeit zu verteilen, um die Spitalskapazitäten nicht zu überschreiten.

Ruf nach PR-Profis

Das starke Einschlafen des Impffortschritts hierzulande im Sommer habe viele überrascht, sagten die beiden Wissenschaftler. Es verwundere, dass hier in den vergangenen Wochen nicht mehr professionell organisierte Überzeugungsarbeit in verschiedenen Skeptikergruppen oder unter Menschen, die trotz des breiten Angebots aus irgendwelchen Gründen nicht zur Impfung kamen, geleistet wurde. Thurner: „Ich habe noch kein PR-Unternehmen gesehen, das eine Kampagne zum Impfen gestartet hat. Da gibt es doch Profis“, die auch wissen, wie man die Leute erreicht, die keine klassischen Medien konsumieren.