Menschen auf Stiegenaufgang
ORF.at/Christian Öser
Umfrage

Krisen setzen Demokratiezufriedenheit zu

Das Bekenntnis in Österreich zur Demokratie ist stabil, die Zufriedenheit mit deren Funktionieren unterliegt aber beträchtlichen Schwankungen – und diese hängen meist mit Krisen zusammen. Das geht aus Befragungsdaten hervor, die die Meinungsforscher Peter Ulram und Peter Hajek am Freitag präsentiert haben.

Am größten war die Unzufriedenheit bei den Österreichern und Österreicherinnen während der Flüchtlingskrise 2015/16 – damals war mehr als die Hälfte sehr oder eher unzufrieden. In der CoV-Krise bekundeten indes „nur“ 39 Prozent Unzufriedenheit und 59 Prozent Zufriedenheit. Der Befragungszeitraum war der April 2021. Weiche Indikatoren wie das abgefragte Demokratiebewusstsein unterlägen starken Schwankungen, da sie sehr stark auf aktuelle Ereignisse reagierten, hieß es von den Studienautoren.

Doch nicht jede Krise führt automatisch zu Unzufriedenheit und Zweifeln, wie die hohe Demokratiezufriedenheit gerade in CoV-Zeiten zeigt. Längerfristig unterliegt die Demokratiezufriedenheit in Österreich beträchtlichen Schwankungen. So stieg die Unzufriedenheit in den 90er Jahren merkbar an, danach nahm sie leicht ab. Im Jahr der Finanzkrise 2009 war ein Viertel der Befragten unzufrieden.

Grafik zum Funktionieren der Demokratie
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: GfK/Spectra/Hajek

80er Jahre „demokratiepolitische Bruchstelle“

Die Unzufriedenheit mit der Demokratie habe seit den 80er Jahren einen signifikanten Anstieg erfahren, so Hajek. Dieses Jahrzehnt könne als demokratiepolitische Bruchstelle mit Nachkriegsösterreich bezeichnet werden. „SPÖ und ÖVP konnten die neuen Wählersegmente nicht mehr an sich binden, was zum Aufstieg der Haider-FPÖ, der Grünen und mit Verspätung der Liberalen geführt hat.“ Trotz des breiteren politischen Angebots blieb die Unzufriedenheit aber erhalten, so Hajek.

Bei der Einschätzung der Problemlösungsfähigkeit der Demokratie war der negative Ausreißer ebenfalls die Flüchtlingskrise mit einem Anteil von 28 Prozent Zweiflern. In der Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 sahen hingegen nur 13 Prozent die Demokratie nicht zur Problemlösung in der Lage, in der CoV-Krise 14 Prozent. Der Befragungszeitraum war der April 2021.

Autoritäres Potenzial „stets um zehn Prozent“

Bei dem konsolidierten Demokratiebewusstsein als hartem Indikator bevorzugen 83 Prozent die Demokratie. Acht Prozent bevorzugen eine Diktatur, vier Prozent ist es als „Entfremdeten“ egal. Der Anteil der Demokraten ist in den vergangenen Jahren zwar von einst 90 Prozent gesunken, für Ulram gab es aber in all den Jahren keinen signifikanten Anstieg des autoritären Potenzials, das sich stets um die zehn Prozent bewegt habe. Aktuell sind es laut der Erhebung zwölf Prozent.

Demokratiezufriedenheit in Österreich sehr hoch

Laut einer aktuellen Studie halten 80 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher die Demokratie für die beste Staatsform. Obwohl die Demokratiezufriedenheit während der Pandemie gesunken ist, gibt es in Österreich wenig autoritäres Potenzial.

Die Beurteilung eben der Problemlösungskompetenz der Demokratie als härteren Faktors unterliege weniger Schwankungen als die Zufriedenheit mit der Demokratie, heißt es in der Studie. Für ein gefestigtes, konsolidiertes Demokratiebewusstsein sei ausschlaggebend, in welchem Ausmaß eine autoritäre Alternative („unter Umständen kann eine Diktatur besser als eine Demokratie sein“) auf potenzielle Zustimmung stoße bzw. ob man sich gleichgültig zeige („macht für mich keinen Unterschied“).

Wie die Jungen erreichen?

Hier zeigen sich laut den Studienautoren in den letzten 25 Jahren keine Veränderungen – sowohl in der Vorkrisenperiode wie in den Krisenperioden weist rund ein Zehntel eine autoritäre Orientierung auf. „Das ist erfreulich, doch es bleibt das Problem eines autoritären bzw. ambivalenten Restes."

Dieser autoritäre Rest war zwar zu Beginn der Zweiten Republik deutlich größer, hat sich aber im letzten Jahrhundert auch nicht verringert. „Manche Menschen verlassen diesen Bodensatz, andere kommen dazu“, heißt es weiter. Der autoritäre Rest findet sich nicht – wie häufig vermutet – nur auf der rechten Seite des politisch-ideologischen Spektrums, sondern verläuft quer durch alle Lager und ist in der jüngeren Generation stärker vertreten als unter den Älteren.

Wolle man diesem Problem begegnen, brauche es einen unvoreingenommenen analytischen Blick auf die Motivlage der autoritären Newcomer und eine geänderte Kommunikationsstrategie. „Mit Parolen gegen rechts wird man die jungen Grenzgänger nicht zurückgewinnen“, so Ulram.

Wo die Impfgegner sind

Für Ulram belegen die Daten, dass Krisen nicht zwangsläufig zu mehr Zweifel an der Demokratie führen. Die Hinwendung zum Autoritarismus bleibt aus, eher ändere die Unzufriedenheit die Optimismus-Pessimismus-Relation innerhalb der Demokratieüberzeugten. Die Österreicher und Österreicherinnen hätten den demokratischen Lackmustest bestanden, zeigte er sich überzeugt.

Hajek sagte, dass bei den „Demokratinnen und Demokraten“ der Anteil der Geimpften bzw. Impfbereiten mit 57 Prozent am höchsten war, 29 Prozent sind Skeptiker und 18 Prozent Gegner. Die meisten Impfgegner fanden sich mit 45 Prozent bei den von der Demokratie entfremdeten. Bei den Geimpften oder Impfbereiten waren es 34 Prozent, 21 Prozent sind skeptisch. Die meisten Impfskeptiker fanden sich mit 39 Prozent unter den Autoritären. Hier waren 36 Prozent für und 25 Prozent gegen die Impfung.

Bezüglich der politischen Verortung unterstrich Hajek: „Es ist nicht so, dass die Impfgegner oder Impfskeptiker (FPÖ-Chef, Anm.) Herbert Kickl nachlaufen. Es ist umgekehrt, Herbert Kickl läuft den Impfgegnern nach.“ Insofern würde auch ein FPÖ-Meinungsschwenk beim Impfen nur eine geringe Anzahl von Menschen erreichen.