Screenshot von Tik Tok zeigt einen Affen, der mit Pop it  spielt
Screenshot www.tiktok.com/Gaitlyn Rae
Pop-it

Spielzeughype dank Affenvideo

Es ist der Spielzeughype des Jahres: In unzähligen Formen und Farben sind die aus Silikon gefertigten Pop-its erhältlich. Im Wesentlichen geht es darum, Noppen mit einem Plop auf die andere Seite zu drücken. Doch die Geschichte hinter dem Spielzeug ist wesentlich schillernder: Vor Jahrzehnten von einem israelischen Ehepaar erfunden, landete die Idee in der Schublade, bis ein kanadisches Unternehmen sie umsetzte. Doch erst ein Affe machte den Ladenhüter zum Hype.

Die Faszination des Spiels ähnelt ein bisschen der beim Zerdrücken von Luftpolsterfolie – allerdings mit dem Unterschied, dass die Noppen einfach zurückgedrückt werden können. Pop-it kann zu zweit nach unterschiedlichen Regeln gespielt werden, dient aber genauso als Anti-Stress-Spielzeug. Bei Passagieren mit Flugangst wird es genauso eingesetzt wie bei der Arbeit mit autistischen Kindern.

Das ursprüngliche Pop-it wurde von zwei israelischen Spieldesignern erfunden: Theo und Ora Coster. Gemeinsam hat das Ehepaar über 190 Spiele entwickelt, von denen eines der bekanntesten „Guess Who?“ ist, das auf Deutsch unter dem Titel „Wer ist es?“ verkauft wird.

Inspiration im Traum

Theo wurde 1928 in Amsterdam geboren und war ein Klassenkamerad von Anne Frank. Er überlebte den Holocaust: Seine Eltern mussten untertauchen, er selbst wurde von einer nicht jüdischen Familie aufgenommen und änderte seinen Namen von Maurice Simon auf Theo. 1955 reiste er nach Israel, wo er sich niederließ und seine Frau Ora, eine Kunstlehrerin, kennenlernte. Aus ihren Namen leiteten sie den Namen ihrer Firma, Theora Design, ab. Sie begannen mit der Herstellung von Werbegeschenken und widmeten sich dann der Spieleentwicklung.

Ein Mädchen spielt mit Pop it
Getty Images/Mehmet Hilmi Barcin
Mittlerweile gibt es unzählige Formen und Farben

Wie die BBC berichtet, war Oras Inspiration für die Spielidee, die ihr in einem Traum kam, gleichermaßen tragisch wie schlüpfrig. Als ihre Schwester 1974 an Brustkrebs starb, sagte sie zu ihrem Mann: „Theo, stell dir ein großes Feld mit Brüsten vor, Frauenbrüste, bei denen du auf die Brustwarze drücken kannst.“ Sie habe sich selten ein Blatt vor den Mund genommenen, beschreibt ihr Sohn Boas Coster seine Mutter. Schon längere Zeit leitet er das Unternehmen gemeinsam mit seinem Bruder Gideon.

Idee aus der Schublade geholt

Jedenfalls fertigte Vater Theo aus einem Teppich den ersten Prototyp, bei dem man Noppen von einer Seite auf die andere drücken konnte. Nur eignete sich das Material nicht – die Zeit war noch nicht reif dafür.

Doch vor einigen Jahren gruben die Brüder die Idee wieder aus – und mit Silikon stand mittlerweile das ideale Material zur Verfügung. Sie schlossen einen Vertrag mit der kanadischen Spielefirma Foxmind und brachten das Spiel 2014 auf den Markt. Nur: Der Erfolg blieb aus. 2019 nahm die US-Supermarktkette Target das unter „Last One Lost“ vermarktete Spiel ins Sortiment auf. Zwar stieg der Absatz, aber von einem großen Erfolg war man weit entfernt.

Kapuzineraffe auf TikTok

Doch dann kursierten die ersten Videos auf YouTube und TikTok. „Und da gab es einen bestimmten Clip mit einem kleinen Affen, der von einer Seite drückt und dann dreht und von der anderen Seite drückt“, sagte Boas der BBC. Der Kapuzineraffe heißt Gaitlyn Rae und gehört dem Ehepaar Jessica und Paul Lacher, die in North Carolina leben und ihr Haustier zu einem kleinen Star auf TikTok, Facebook und Instagram gemacht haben.

Im Oktober 2020 veröffentlichten sie ein Video, in dem der Affe mit dem Spielzeug hantiert. „Irgendwer hat es ihr (dem Affen) als Geburtstagsgeschenk geschickt“, sagte Jessica Lacher der BBC. „Es war das erste Pop-it, das wir je gesehen haben.“ Das Video wurde millionenfach geklickt – mittlerweile hätten sie kistenweise von Fans zugeschickte Pop-its, sagt Lacher. Gleichzeitig sorgten weitere Videos, vor allem auf TikTok, für einen internationalen Hype.

Markt mit Imitaten überschwemmt

Er nehme an, es seien 500 Millionen bis eine Milliarde Pop-its in den unterschiedlichsten Designs. 99,9 Prozent davon seien allerdings Nachahmerprodukte, sagte Boas Coster der BBC. Die Produktpiraten würden keine Lizenzgebühren bezahlen – weder an seine Firma noch an Foxmind.

Ein Mädchen spielt mit Pop it
Getty Images/iStockphoto/Inna Reznik
Kaum ein Kind ohne Pop-it

Foxmind-Chef David Capon sagte der Website des kanadischen TV-Senders TVA, dass seine Firma 2020 rund zehn Millionen Pop-its verkauft habe. Doch dann sei der Markt mit Imitaten überschwemmt worden. Er schätzt, dass es international rund 120.000 Hersteller gibt, die das Spiel eins zu eins ohne Lizenzrechte produzieren.

Erfinderin erlebte Erfolg noch mit

Foxmind plant unterdessen, einen Teil dieses Marktes mit innovativeren eigenen Designs zurückzuerobern. Und man tut, was man kann, um die Nachahmer rechtlich zu bekämpfen: „Ich verbringe meine Tage mit Anwälten, statt neue Spiele zu erfinden“, sagt der Foxmind-Chef.

Von den ursprünglichen Erfindern erlebte nur Ora Coster den Erfolg noch mit. Es habe sie sehr glücklich gemacht, so ihr Sohn. Sie verstarb vor wenigen Monaten in Tel Aviv. Ihr Mann Theo starb bereits im April 2019: „Zu unserem großen Bedauern hat unser Vater es nie gesehen“, sagt Boas Coster: „Aber als Designer weiß ich, dass er es sehr zu schätzen gewusst hätte.“