Balkon mit roten Sonnenschirmen in einem Plattenbau in Hoyerswerda
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Plattenbau zwischen Abbruch und Aufbruch

Im Osten Deutschlands kämpfen viele Städte mit großer Abwanderung. Die ersten DDR-Planstädte, Eisenhüttenstadt und Hoyerswerda nahe der polnischen Grenze, sind von Zigtausenden Menschen verlassen worden, Tausende Wohnungen wurden „rückgebaut“ und viele Häuser komplett abgerissen. Der unaufhaltsame Strukturwandel im Osten gilt auch als Chance – und die Städte als Beispiel für den Umgang mit Überalterung.

„Hier hat ein Elfgeschoßer gestanden, jetzt steht noch ein Knie, das war alles dicht bebaut, jetzt ist alles weg.“ Dietmar Wolf kennt seine Heimatstadt Hoyerswerda in Sachsen wie kaum ein anderer – an jeder Ecke kann der für die Bautätigkeiten der Stadt Zuständige erzählen, was dort einst stand und damit passiert ist. Seit seiner Geburt lebt Wolf in der Altstadt von Hoyerswerda, wo man früher die Kohlen, die quasi vor der Haustür abgebaut wurden, zum Heizen noch in die Wohnungen schleppen musste.

In der ab den 1950er Jahren hochgezogenen Neustadt von Hoyerswerda war Kohleschleppen kein Thema – die zweite Planstadt der DDR sollte modernes, sozialistisches Wohnen auf höchstem Niveau bieten. Fernwärme aus dem nahe gelegenen Kraftwerk, fließendes warmes Wasser aus der Wand, Platz für Familien und Kinder und Arbeit für alle – das waren die Versprechen, mit denen Zigtausende Menschen in die Plattenbauten nach Hoyerswerda und das nördlicher gelegene Eisenhüttenstadt gelockt wurden.

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Luftansicht über die Stadt Hoyerswerda
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Seit der Wende sind viele Plattenbauten in Hoyerswerda abgerissen worden, auf den ersten Blick fällt das kaum auf
Buntes Mural an einem Plattenbau in Hoyerswerda
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Ein Wimmelbild an der Fassade eines Plattenbaus in der Hoyerswerdaer Neustadt von Michael Fischer-Art
Zeitungskiosk in Hoyerswerda
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Der Zeitungsstand von Bärbel Rosenberg im WK 1 ist für viele Menschen im Viertel tägliche Anlaufstelle
Neue Wohngebäude in Hoyerswerda
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Zwischen den Plattenbauten werden auch immer wieder Stadtvillen oder Mehrfamilienhäuser gebaut – sie verkaufen sich besonders gut und sind schnell weg
Zum Abriss bestimmtes Gebäude in Hoyerswerda
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Ein weiterer Bau in Hoyerswerda, der vor dem Abbruch steht
Mural und Waldfläche in Hoyerswerda
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Derselbe Platz: einst mit den neu erbauten Plattenbauten und jetzt mit frischer Aufforstung
Rathaus und Straßenschilder in Hoyerswerda
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Besuchern und Besucherinnen präsentiert sich Hoyerswerda als aufgeräumte und ruhige Stadt
Menschen auf einem Wochenmarkt in Hoyerswerda
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Der Wochenmarkt wird von Produkten aus der Umgebung dominiert, wie Gurken, Erdäpfeln, Paradeisern und Zwiebeln – Exotisches ist nicht zu finden

Arbeit in der Schwarzen Pumpe

Arbeit gab es unter anderem im Gaskombinat Schwarze Pumpe nahe Hoyerswerda, in anderen Kombinatverwaltungen oder im Bergbau. Zu DDR-Zeiten kamen 95 Prozent des Stadtgases für die ganze Republik aus der Schwarzen Pumpe mit je drei Kraftwerken und drei Brikettfabriken, 13.000 Menschen arbeiteten dort. Bis heute wird in der Schwarzen Pumpe Braunkohle aus dem Lausitzer Braunkohlerevier verstromt, wenn auch effizienter und umweltschonender als früher – allerdings auch mit deutlich weniger Arbeitsplätzen.

Mittlerweile haben sich im neu gegründeten Industriepark andere Firmen angesiedelt, die Wolken des noch aktiven Kraftwerks sind im flachen Umland aber weithin zu sehen – und lösen sich mit anderen Braunkohlekraftwerken in der Lausitz wie Jänschwalde oder Boxberg gefühlt nahtlos ab. Auch der Tagebau hat seine Spuren in den zahlreichen Seen rund um die Stadt hinterlassen. Ende 2038 soll laut Plan der deutschen Regierung das Kraftwerk Schwarze Pumpe stillgelegt werden.

Braunkohle-Kraftwerk Schwarze Pumpe
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Das Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe ist auf dem flachen Land weithin zu sehen

Eine Stadt, auf dem Reißbrett für Großes geplant

Rund 110 Kilometer entfernt in Brandenburg, direkt an der polnischen Grenze, liegt Eisenhüttenstadt. Die erste DDR-Planstadt wurde 1950 auf dem Reißbrett als Wohnstadt für das Eisenhüttenkombinat Ost (EKO, mittlerweile ArcelorMittal Eisenhüttenstadt) entworfen. Wie in Hoyerswerda gibt es einen alten Stadtteil, doch für die Zigtausenden Arbeiter und Arbeiterinnen mussten weit mehr Wohnungen gebaut werden – die Menge an vorhandenem Platz wurde dabei großzügig genutzt.

Mit jeder Erweiterung des Werks kam ein weiterer Wohnkomplex (WK) dazu, erzählt Frank Balzer, selbst 35 Jahre im Stahlwerk tätig, und mittlerweile Oberbürgermeister Eisenhüttenstadts. Eigentlich sei die Stadt, die 1953 im damals gültigen Ortsgebiet noch ein paar tausend Bewohner und Bewohnerinnen hatte, für 30.000 Menschen geplant gewesen. Knapp vor der Wende wurde mit 53.048 (1988) der Höchststand erreicht, dann fiel die Bevölkerungszahl rapide. 1995 gab es 47.376 Bewohner, 2003 knapp 37.000 – in dem Jahr wurden auch die ersten Gebäude in der Stadt abgerissen.

Frank Balzer, Bürgermeister von Eisenhüttenstadt
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Balzer vor einem Bild von Eisenhüttenstadt – das rund zehn Jahre alte Bild ist überholt, einige Häuser stehen nicht mehr

Weniger Menschen brauchen weniger Wohnungen

Heute wohnen knapp 24.000 Menschen in Eisenhüttenstadt – jedes Jahr werden es ein paar hundert weniger, weil mehr Menschen sterben als geboren werden oder zuziehen. Die Abwanderung der jungen und gebärfähigen Menschen über Jahrzehnte hinweg und vor allem nach der Wende zeigt sich deutlich an der Altersstruktur: Die Mehrheit der Bevölkerung war 2019 zwischen 55 und 65 Jahre alt, in zehn Jahren werden diese als Pensionisten die Mehrheit stellen.

Dabei gebe es mit 6.000 Einpendlern mittlerweile doppelt so viele Menschen, die in der Stadt arbeiten, als jene, die täglich auspendeln, vermeldet Balzer sichtlich stolz – und fügt hinzu, dass er sich eine Stagnation der Bewohnerzahlen doch sehr wünschen würde.

Mit dem Wegzug der Menschen wurden auch viele Wohnungen überflüssig – 21.799 Wohnungen gab es laut offiziellen Angaben im Dezember 2003 bei Abrissbeginn in Eisenhüttenstadt, im heurigen Juni waren es noch 15.857. Der Leerstand bei den Wohnungen konnte in dem Zeitraum um über 50 Prozent gedrückt werden. Im gleichen Ausmaß musste auch andere Infrastruktur wie etwa Schulen zurückgebaut werden, um Leerstände und damit Vandalismus zu vermeiden, wie etwa am ehemals ersten Hotel der Stadt, dem Lunik, zu sehen ist.

Statt für 11.000 nur noch Arbeit für 2.500

Einst waren im EKO 11.000 Menschen beschäftigt, nicht nur im Stahlwerk, sondern auch im Plattenwerk und im Zementwerk, zudem wurde, wie in allen Kombinaten, ein gewisser Prozentsatz Konsumgüter wie Fleisch und Backwaren im Betrieb hergestellt bzw. verarbeitet, es gab etwa eine Näherei, eine Gärtnerei, eine Molkerei und eine Wäscherei.

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Stahlwerk in Eisenhüttenstadt
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Das Stahlwerk prägt nicht nur Teile des Stadtbilds, sondern ganz Eisenhüttenstadt
Balkone in Eisenhüttenstadt
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Erste Planstadt der DDR, daher wurden in Eisenhüttenstadt schnell viele Wohnungen gebraucht – und auch gebaut
Wäsche auf einer Wäscheleine in Eisenhüttenstadt
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Ein sich öfter wiederholendes Bild im Osten: In den Innenhöfen können die Bewohner und Bewohnerinnen ihre Wäsche aufhängen
Breite Straße in Eisenhüttenstadt
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Die DDR-Führung hatte die Infrastruktur in den Planstädten sehr großzügig angelegt, auch die Straßen
Kunstwerk an einem Gebäude in Eisenhüttenstadt
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Die für die DDR-Führung wichtigsten Elemente sind in diesem Mosaikbild vereint
Eingang eines verlassenen Hotels in Eisenhüttenstadt
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Das einst beste Hotel Eisenhüttenstadts, das Lunik, ist heute eine Ruine – der Besitzer will aber auch nicht verkaufen
Fernwärmeleitung in Eisenhüttenstadt
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Die Fernwärmerohre sind in der Nähe des Stahlwerks unübersehbar und wirken fast wie eine Art Wegweiser
Zwei ältere Personen sitzen vor einem Gebäude in Eisenhüttenstadt
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Viele Bauten in der Stadt stammen noch aus der Zeit der großen Prosperität, viele stehen auch unter Denkmalschutz

Wirtschaftlich rentabel war langfristig nichts davon: Bei der Eröffnungsbilanz habe sich gezeigt, dass das Werk schlicht pleite war, erzählt Balzer weiter. In weiterer Folge wurde ausgegründet, verkauft, geschrumpft – das Stahlwerk hat aktuell noch 2.500 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, dazu kommen Lehrlinge. Im Umfeld sind durch Ausgründungen ca. 2.000 Arbeitsplätze erhalten worden. Das Werk ist weiterhin der größte Arbeitgeber der Stadt.

DDR ließ Städte stark wachsen

In Hoyerswerda ist mittlerweile der größte Arbeitergeber das Klinikum, gefolgt von der Stadt selbst. Das ehemalige Ackerbauerstädtchen wurde von der Abwanderung noch härter getroffen als Eisenhüttenstadt. In den 1950er Jahren eine Kleinstadt mit rund 7.000 Einwohnern, zählte Hoyerswerda Mitte der 1980er über 74.000 Menschen – bis 1965 kamen jährlich durchschnittlich 3.500 Menschen dazu. Heute sind es noch knapp 32.000 – Tendenz ebenfalls fallend. Und weil viele Junge weggegangen sind, hat sich auch hier gleichzeitig die Altersstruktur deutlich verschoben.

Im DDR-Fernsehen sei damals Werbung gemacht worden, damit die Menschen nach Hoyerswerda kommen, erinnert sich Fleischermeister Frank Sinapius, dessen Familie seit Generation im Ort ein Geschäft betreibt. „Viele Dinge, die die DDR hier angeboten hat, waren nicht selbstverständlich und Luxus, wie fernbeheizte Wohnungen, es gab Kindergärten, Einkaufsmöglichkeiten und Arbeit.“ Zahlreiche Menschen aus schlechten Verhältnissen seien dem Ruf gefolgt, etwa aus dem Erzgebirge oder von der Ostsee.

Es sei alles organisiert gewesen: Die Menschen wurden mit Bussen zur Schicht gefahren und wieder zurück, es wurde Kultur geboten, es gab – und gibt bis heute – zahlreiche Vereine, die Kinder hatten Spielkameraden und wurden gemeinsam beaufsichtigt bzw. wechselte man sich ab. Zeitweise sei Hoyerswerda die jüngste Stadt der DDR gewesen, es sei für viele Menschen „heile Welt“ gewesen – der Prototyp eines Wohlfahrtsstaates, sofern man dem System entsprochen habe, fügt Sinapius nachdenklich hinzu.

Mit dem Mauerfall kam die totale Wende

Mit der Wende brach das System Stück für Stück zusammen, die einst verlockenden Wohnungen waren plötzlich nicht mehr so toll: „Die Leute waren der Meinung, jetzt kommt der nächste Schritt, noch weiter, noch besser, noch höher, noch schneller“, erzählt Sinapius. Mitte der 90er Jahre hätten dann viele erkannt, dass man in der westdeutschen Welt auch Opfer bringen und Dinge selbst in die Hand nehmen müsse – als die Arbeitslosigkeit kam, mussten viele umschulen, viele gingen weg zum Arbeiten und schickten aus der Ferne Geld nach Hause oder zogen ganz weg.

Wende als Einschnitt

Mit der Wende seien die Angebote der DDR nicht mehr interessant gewesen, erzählt Fleischermeister Frank Sinapius.

Bis zu 6.000 Menschen verließen nach der Wende pro Jahr die Stadt, das wirkte sich natürlich auch in Hoyerswerda auf die Wohnungszahlen aus: Rund 10.000 Wohnungen wurden mittlerweile abgerissen, weitere Abrisse sind in Vorbereitung. Man habe zuerst lange mit dem Rückbau gezögert, erinnert sich Herr Wolf, schließlich passte das nicht zum eigentlich versprochenen Aufschwung. Doch die Leerstände waren mit bis zu 20 Prozent deutlich, auch die Eingliederung von fünf Ortsteilen konnte das Schrumpfen nicht aufhalten.

Städte werden behutsam entdichtet

Schließlich entschloss man sich, Hoyerswerda von außen nach innen zurückzubauen, so Wolf. Seit 2000 werden nach und nach Teile abgerissen, dort ein Haus, hier ein Elfgeschoßer, es gibt dazu einen Stadtentwicklungsplan. Manchmal wurden nur Teile rausgenommen, manchmal ganze Viertel. Immer noch fallen pro Jahr zwei bis drei Blöcke, wobei man sich am Bedarf, der Lage und dem Zustand der Bauten orientiert, was genau abgerissen wird. Von WK 10 etwa gibt es noch ein Würfelhaus, weil daran die Fernwärme hängt. Rund 19.000 Wohnungen gibt es derzeit, die fehlenden Häuser fallen nur bedingt auf, auch zu DDR-Zeiten gab es oft brachliegende Flächen.

Park als Nachnutzung für einen Plattenbau

Dietmar Wolf zeigt anhand eines ehemaligen Plattenbaus im Zentrum von Hoyerswerda, wie eine Nachnutzung – in dem Fall ein Park – aussehen kann.

Manche Menschen seien schon mehrfach umgezogen, weil ihr WK wieder einmal vor dem Abriss stand, erzählt Wolf, wobei die städtische Wohnungsbaugesellschaft versucht, den Umzug möglichst einfach zu gestalten: Die Ersatzwohnungen sind frisch renoviert, es gibt Umzugshilfe bis hin zur Adaptierung der Küche an die neuen Räumlichkeiten, schließlich will man die Mieter halten. Mit der örtlichen Genossenschaft gibt es dabei ein wenig Konkurrenzkampf, nach dem Motto wer bietet mehr beim Umzug.

Kaum ein Haus ist unsaniert

Was nicht fällt, wird saniert, nicht zuletzt auch, weil – wie in Eisenhüttenstadt – einiges unter Denkmalschutz steht. Kaum ein Haus, das in den beiden Städten noch großen Sanierungsbedarf hat, meist sind zumindest Fenster, Türen und das Dach neu. Einzig die Straßen bestehen oft noch aus Betonplatten aus der DDR, unkaputtbar, wie Wolf meint. Ihr Rückbau ist teuer, denn im Gegensatz zu allem anderen wird das nicht mit Fördermitteln unterstützt. 90 Mio. Euro sind bisher allein in die Erhaltung von Hoyerswerda geflossen, dafür wurden auch Parks angelegt, Kanäle versiegelt, aufgeforstet und Freizeitmöglichkeiten geschaffen.

Auch Neubauten gibt es in beiden Städten, von der Stadtvilla bis zum Einfamilienhaus – und sie sind meist sofort vergriffen, kaum dass ihr Bau ruchbar wird. Eigentum sei stark gefragt, so Wolf, und auch deutlich günstiger als anderswo. Ebenso die Mieten: 4,8 Euro pro Quadratmeter im Durchschnitt kostet eine städtische Wohnung in Hoyerswerda, 7,5 Euro pro Quadratmeter Stadtvillen mit höherem Standard wie direktem Glasfaseranschluss. Und es sind immer einige hundert Wohnungen frei.

Schulen gebe es ebenfalls „ohne Ende“, ebenso Kindergartenplätze, sagt Wolf – „das glaubt uns ja keiner, dass wir da einen Überhang haben“ – und erzählt auch, dass man Schulen rückbauen bzw. umwidmen musste mangels Bedarf. Und Arbeit? Auch die gebe es ausreichend, sagen Balzer und Wolf, und verweisen auf den laufenden Zuzug und Rückzug von ehemaligen Bewohnern, pro Jahr einige hundert.

Eisenhüttenstadt überlegt Wohnen auf Probe

Eisenhüttenstadt will den Zuzug nun aktiv fördern und demnächst Probewohnen anbieten, erzählt Balzer: Bis zu zwei Monate lang sollen Interessierte unverbindlich testen, ob das Leben in der kleinen Stadt etwas für sie ist. „Wir wollen Stadt bleiben“, skizziert er seinen Zukunftsplan – dafür versuche man auch aktiv Betriebsansiedlungen zu bekommen. Was derzeit fehle, seien die Frauen, die könne man über entsprechende Ausbildungsangebote in die Stadt holen – und dann gleich mit den Männern aus dem Stahlwerk verkuppeln, schmunzelt er.

Landstraße umrahmt von Föhrenwäldern
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Der Osten Deutschlands ist zum Teil dicht bewaldet – auch ein Relikt der DDR

Man habe für die Erhaltung des Stahlwerks gekämpft, nun wolle er für die Stadt kämpfen, sagte Balzer, der sich viel von der Entwicklung zum Grünen Stahl für die Zukunft des Werks verspricht. Ohne die Erhaltung wäre der Landstrich wirtschaftlich tot gewesen nach der Wende, argumentiert er den Einsatz. Er möchte seine Stadt auch als erweitertes Hinterland für die Hauptstadt Berlin propagieren. „Kommen Sie nur, wir haben hier alles“, das sei das Motto.

Hoyerswerda will Seenlandschaften vermarkten

Hoyerswerda setzt auf die touristische Nutzung der Seenlandschaft rund um die Stadt sowie Kultur und weitere Freizeitangebote. Man will einen Kontrapunkt zum Thema Ausländerfeindlichkeit setzen, mit dem die Stadt immer wieder in Verbindung gebracht wird – im September 1991 machten gewalttätige Übergriffe von Neonazis auf ein Flüchtlingswohnheim die kleine Stadt schlagartig bekannt, es war der Auftakt einer Reihe weiterer solcher Übergriffe in ganz Deutschland.

Am kommenden Wochenende wird mit zahlreichen Veranstaltungen an den Herbst 1991 erinnert. Die Erinnerungskultur sei sehr wichtig, erzählt Constanze Metz von der RAA Hoyerswerda/Ostsachsen, die sich der Stärkung von Bildung, Demokratie und Lebensperspektiven verschrieben hat – doch das sei längst nicht alles, was Hoyerswerda ausmache.

Was von der DDR auch übrig blieb

Es gebe neben der großen Zahl an Vereinen viele Initiativen und Angebote im Bereich Kultur und Freizeit in der Stadt, dazu direkte Nachbarschaftshilfen wie für Senioren einkaufende Jugendliche oder Unterstützung für Geflüchtete – man versuche dabei, alle Bürger und Bürgerinnen mitzunehmen. Auch die Stadt bemüht sich mit diversen Bürgerbeteiligungen, wie aktuell einem Workshop für den Bau eines Bike- und Skateparks – das Fördergeld gibt es dafür schon.

In der Tradition der Jugendarbeit der DDR ist auch die Kulturfabrik der Stadt verankert, die etwa mit dem ESF-Projekt „Stadtteilanker Bürgerwiesen“ gezielt zu den Menschen in die Viertel der Neustadt geht, erzählt Projektleiter Christian Völker-Kieschnick. Mit niederschwelligen Angeboten sollen die Menschen wieder in Kontakt mit ihrer Nachbarschaft gebracht werden. Platz genug gebe es ja, nun solle er auch lustvoll genutzt werden. Und schließlich würden sich auch Kommunen aus dem Westen dafür interessieren, wie man mit dem Schrumpfen so umgehe, erzählen die beiden – und so für ihren eigenen anstehenden Strukturwandel lernen.