IAEA-Chef Rafael Grossi und der neuen iranischen Atomchef Mohammed Eslami .
Reuters/Wana News Agency
Atomstreit

Teheran erlaubt IAEA Zugang zu Kameras

In den festgefahrenen Atomstreit mit dem Iran kommt offenbar etwas Bewegung. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) soll wieder Zugang zu ihren Aufzeichnungsgeräten zur Überwachung iranischer Atomprojekte erhalten. Das sei bei einem Treffen am Sonntag von IAEA-Chef Rafael Grossi und dem neuen iranischen Atomchef Mohammed Eslami in Teheran vereinbart worden, teilte die IAEA mit.

Grossi war zum ersten Mal in Teheran, seit im Iran im August die neue Regierung übernommen hat. Die Verhandlungen seien sehr konstruktiv, rein technisch und total unpolitisch gewesen, wird der iranische Atomchef Eslami von der halbamtlichen Agentur ILNA zitiert. Nach seinen Worten wird der Iran der IAEA die Wartung ihrer Kameras und die Installation neuer Speicher erlauben, um so Videoaufnahmen der iranischen Atomanlagen weiterhin zu ermöglichen. Zuvor hatte der Iran der IAEA monatelang den Zugang zu seinen Atomanlagen verwehrt.

In der Aussendung der IAEA hieß es: „IAEA-Inspektoren wird es gestattet sein, die festgelegte Ausrüstung zu warten und deren Speichermedien zu ersetzen.“ Die Speichermedien würden dann unter gemeinsamer Ägide der IAEA und der iranischen Atombehörde im Iran verwahrt. Auch die konkreten Modalitäten sowie ein Zeitplan sei zwischen beiden Seiten akkordiert worden. Grossi werde zudem „in naher Zukunft zu Konsultationen auf hoher Ebene“ erneut nach Teheran zurückkehren.

Grossi: Nun Raum für diplomatische Gespräche

Grossi selbst äußerte sich nach seiner Rückkehr am Sonntagabend in Wien, wo die IAEA ihren Sitz hat, vor der Presse. Vor seiner Reise nach Teheran habe es einen „großen Kommunikationszusammenbruch“ mit dem Iran gegeben, dieser sei nun überwunden. Die nun gefundene Lösung soll Raum für diplomatische Bestrebungen schaffen, so Grossi.

Er sagte jedoch dass Teheran und die IAEA noch keine dauerhafte Lösung zur Überwachung der iranischen Nuklearanlagen erreicht hätten. Inspektoren der Atomenergiebehörde würden auch weiterhin keinen Zugang zu den Daten haben, die von den Geräten gespeichert werden. „Das kann keine dauerhafte Lösung sein“, so Grossi.

Die IAEA hatte erst vergangene Woche Teheran in einem Bericht mangelnde Kooperation bei der Kontrolle seines Atomprogramms vorgeworfen. Der Iran hatte im Februar den Zugang zu einigen seiner Nuklearanlagen für IAEA-Inspektoren eingeschränkt. Danach hatten die Organisation und die iranische Regierung einen Kompromiss ausgehandelt, um wenigstens ein gewisses Maß an Kontrolle zu gewährleisten.

Dieser Kompromiss lief jedoch im Juni aus, nachdem die Verhandlungen über einen Neustart des internationalen Atomabkommens von 2015 zum Stillstand gekommen waren. Die neue Vereinbarung soll nun sicherstellen, dass den Verhandlungen nicht völlig die Grundlage entzogen wird.

EU und Russland begrüßen Annäherung

Die EU und Russland zeigten sich nach Grossis Reise erfreut. „Dies ist ein positiver Schritt, um die Kontinuität des Wissens über das iranische Nuklearprogramm zu gewährleisten. Es gibt Raum für Diplomatie. Ich schätze die Bemühungen. Das Ziel der EU bleibt die vollständige Umsetzung des #JCPOA (Atomabkommen, Anm.) durch alle. Dafür ist es entscheidend, dass wir die Wiener Gespräche so schnell wie möglich wieder aufnehmen“, schrieb der EU-Verhandlungsführer und Chefkoordinator der Atomverhandlungen, Enrique Mora, auf Twitter.

„Erfreulicherweise sind Russland und die EU in diesen Punkten gleichgesinnt. Wir begrüßen die Ergebnisse von Herrn Grossis Besuch in Teheran. Wir fordern eine baldige Wiederaufnahme der Wiener Gespräche zur Wiederherstellung von #JCPOA. Ich hoffe, Herrn Mora und andere Kollegen bald am Verhandlungstisch zu sehen“, schrieb der russische Gesandte Michail Uljanow auf Twitter.

Thema bei Schallenberg-Besuch in Saudi-Arabien

Der derzeit auf Eis liegende Atomdeal war am Sonntag auch Gesprächsthema bei einem Besuch von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad mit seinem Amtskollegen Prinz Faisal bin Farhan al-Saud. Selbst ein „schlechter Deal“ sei besser als „gar kein Deal“, bekräftigte Schallenberg. „Wir wollen keinen Iran mit Atomwaffen und auch keine nukleare Aufrüstung in der Region.“ Dass es ein neues Abkommen geben kann, sah er nach eigenen Angaben „nicht mehr so optimistisch wie noch im Frühjahr.“

Außenminister Alexander Schallenberg und der saudische Prinz Faisal bin Farhan Al Saud.
APA/BMEIA/MICHAEL GRUBER
Beim Besuch von Schallenberg in Riad ging es unter anderem auch um den Atomstreit mit dem Iran

Prinz Faisal erklärte, dass nur ein wirklich starker Vertrag mit dem Iran Sinn habe. Der Iran halte sich nicht an die Vorgaben der IAEA, kritisierte er bei einem gemeinsamen Pressegespräch mit Schallenberg. Das Abkommen existiere nicht mehr. Ein allfälliger neuer Deal müsse längerfristig und stärker angelegt sein.

Auflagen derzeit nicht eingehalten

Teheran hat laut IAEA-Bericht die Menge an bis zu 60 Prozent angereichertem Uran zuletzt noch einmal aufgestockt und dabei immer leistungsfähigere Zentrifugen eingesetzt. Damit verstößt der Iran weiterhin deutlich gegen Auflagen des Wiener Atomabkommens. Die neue iranische Regierung unter Präsident Ebrahim Raisi hatte sich bisher unbeeindruckt von dem IAEA-Bericht gezeigt und auch wenig Interesse an Grossis Vermittlungsversuchen signalisiert. Der Iran hatte das Atomabkommen 2015 mit den drei europäischen Ländern sowie mit den Vereinigten Staaten, Russland und China abgeschlossen. Washington stieg 2018 unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump aus dem Abkommen aus. Seitdem steht das Abkommen auf der Kippe.

Die USA haben wieder Sanktionen gegen Teheran verhängt, der Iran wiederum ignoriert die vereinbarten Einschränkungen seines Atomprogramms. Die im April gestarteten Wiener Verhandlungen über einen Neustart des Nuklearabkommens waren nach der Wahl des Hardliners Raisi zum iranischen Präsidenten zum Stillstand gekommen. US-Außenminister Antony Blinken hatte zuletzt gewarnt, die Zeit für eine Wiederbelebung des Abkommens werde knapp.