Mitarbeiterin von Alipay sitzt vor einem Computer
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Wichtigster Bezahldienst

China will Alipay zerschlagen

Das Bezahlservice Alipay ist in China allgegenwärtig. Es hat nicht nur mehr als eine Milliarde Nutzerinnen und Nutzer, sondern bei mobilen Zahlungen einen Marktanteil von rund 80 Prozent. Weil das 2004 von Alibaba gegründete Unternehmen so weit verbreitet und eng mit anderen Services verwoben ist, verfügt es über einen riesigen Datenschatz. Der Regierung ist das offenbar zu viel Macht. Wie die „Financial Times“ am Montag berichtete, will Peking Alipay offenbar zerschlagen und das lukrative Kreditgeschäft ausgliedern. Die Nutzerdaten sollen teils Staatskonzerne übernehmen.

Laut dem Bericht der „Financial Times“ will die Regierung eine eigene Plattform für das Kreditgeschäft aufbauen. Sie soll bereits angewiesen haben, dass die Kreditservices Huabei und Jiebei ausgegliedert werden. Huabei funktioniert nach demselben Prinzip wie Kreditkarten, über Jiebei werden Konsumkredite vergeben. In Zukunft soll es auch getrennte Apps geben. Die beiden Services gehören zu den profitabelsten Bereichen der Ant Group.

Die Nutzerdaten, die das Fintech bei seinen Kreditentscheidungen zugrunde legt, sollen in ein neues Gemeinschaftsunternehmen ausgelagert werden, an dem sich staatseigene Firmen beteiligen. Das würde wohl einen weitgehenden Zugriff der Regierung erlauben. Auch andere Internetkreditanbieter seien von der schärferen Regulierung betroffen, hieß es in dem Bericht.

„Die Regierung denkt, dass die Monopolstellung der Big-Tech-Konzerne auf ihrer Kontrolle der Daten basiert“, zitierte die „Financial Times“ eine ihrer Quellen. „Sie will das beenden.“ Bereits in der Vergangenheit wurde der Datenreichtum von Alibaba und der abgespaltenen Ant Group mit dem Aufbau von Chinas Sozialkreditsystem in Verbindung gebracht. Mit diesem will China seine Bevölkerung nach Verhalten beurteilen und entsprechend belohnen oder bestrafen.

Nächster Schlag gegen Ant Group

Es ist nicht der erste Schlag der chinesischen Regierung gegen das Mutterunternehmen Ant Group. So hatte die chinesische Aufsicht im vergangenen Jahr den Börsengang des Konzerns zwei Tage vor dem geplanten Termin spontan abgeblasen. Es hätte mit veranschlagten 30 Mrd. Euro der weltgrößte Börsengang werden sollen. Alibaba- und Ant-Group-Gründer Jack Ma verschwand zu dieser Zeit wochenlang von der Bildfläche.

Geschäftsmann Jack Ma
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Jack Ma gründete Alibaba, ist Chinas reichster Mann und steht derzeit im Zentrum der Umstrukturierung der Wirtschaft

Die Abspaltung des Kreditgeschäfts wäre nun der gröbste direkte Eingriff in das Geschäft der Ant Group selbst. Der Schritt reiht sich in eine ganze Serie von Maßnahmen ein, mit denen die chinesische Regierung derzeit die Wirtschaft umstrukturiert und insbesondere die groß gewordenen Technologiekonzerne an die Kandare nimmt. Auch andere Sektoren – etwa Bildung, Finanz und Immobilien – werden derzeit rigoros reguliert. Erst am Montag kündigte die Regierung an, es gebe „zu viele“ E-Auto-Hersteller, man strebe eine Konsolidierung an.

Auch gesellschaftlich zeichnen sich erhebliche Umwälzungen an, so schränkte China zuletzt den „Starkult“ ein und geißelte „unpatriotische“ Kultur und „verweichlichte Männerbilder“. Dazu wurde Minderjährigen das Videospielen weitgehend verboten, auch Talentshows soll es künftig nicht mehr geben. Dafür wird die marxistische und auf den Präsidenten Xi Jinping fokussierte Propaganda ausgebaut, sie findet künftig schon in den Volksschulen statt. Im Zuge dessen wurde zuletzt auch privater Nachhilfeunterricht verboten und damit de facto eine ganze Branche ausgelöscht.

„Allgemeiner Wohlstand“ als Chinas neues Schlagwort

Damit soll nach Jahren des rasanten Wachstums die Kontrolle über Wirtschaft und Gesellschaft wieder gestärkt werden. Mit den Regulierungsmaßnahmen wolle Chinas Machthaber Xi die Marktordnung korrigieren, den Wettbewerb fördern sowie Verbraucherrechte und das sozialistische Marktwirtschaftssystem schützen, hieß es dazu jüngst in der staatlichen „Volkszeitung“. Beobachter orteten eine Rückwendung zu sozialistischen Wurzeln.

Die Neujustierung der Beziehung zwischen Staat und privat läuft unter dem Schlagwort „allgemeiner Wohlstand“ („common prosperity“), das auf Mao Zedong zurückgeht. In Reden von Präsident Xi und den Staatsmedien gehört es derzeit zum Standardrepertoire. Gemeint ist eine aggressive Umverteilung, denn China muss sich angesichts des rasant gewachsenen Wohlstandes zunehmend mit gravierender Ungleichheit auseinandersetzen. Dazu kommen Probleme wie die demografische Entwicklung – das Land kämpft nach wie vor mit den Folgen der Einkindpolitik.

Regulierung via Gesetz

In einem ersten Schritt wurden dazu Tech-Konzerne und Superreiche zu Spenden aufgefordert, sie versprachen Milliarden. Unternehmen werden zudem via Kartellrecht sowie Daten-, Arbeitnehmer- und Jugendschutz stärker reguliert. Kürzlich erklärte das Höchstgericht beispielsweise den in chinesischen Tech-Unternehmen berüchtigten „996“-Arbeitstag (von 9.00 bis 21.00 Uhr, sechs Tage die Woche) für illegal, zudem gründeten JD.com und der Fahrdienstleister DiDi – wohl nicht ganz freiwillig – eine Gewerkschaft. Zuletzt wurden die Tech-Konzerne auch verpflichtet, gegenseitige Verlinkungen zuzulassen. Dies war bisher unüblich.

Mehrere Firmengründer in der Tech-Branche zogen sich jüngst auch aus dem operativen Geschäft zurück – etwa Richard Liu von JD.com, Zhang Yiming vom TikTok-Mutterunternehmen ByteDance und Zhang Yiming von der E-Commerce-Plattform Pinduoduo.