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APA/dpa/Michael Kappeler
Migration

Rückführungen aus EU scheitern am System

Die Europäische Union hat in den vergangenen Jahren 18 Abkommen abgeschlossen, um Menschen ohne Aufenthaltsrecht rückzuführen. Die Zwischenbilanz ist allerdings mau – nur rund ein Drittel kehrte zurück, wie der Europäische Rechnungshof (EuRH) in einem Sonderbericht feststellte. Das System sei derzeit so ineffizient, dass es „das Gegenteil dessen, was es eigentlich soll“, bewirke.

Seit etlichen Jahren schon pflegt die Europäische Union mit Drittländern Vereinbarungen zur Rückführung von Menschen ohne Aufenthaltsberechtigung. Die Umsetzung allerdings war in vielen Fällen ausbaufähig. 2015, im Jahr der großen Fluchtbewegung, veröffentlichte die EU-Kommission einen Aktionsplan, der die Mitgliedsstaaten bei der Durchsetzung unterstützen sollte.

Dennoch waren die Maßnahmen zur Rückführung in Drittländer seither zwar „relevant“, aber nur in begrenztem Umfang von Ergebnissen gekrönt. Zu diesem ernüchternden Schluss kam der EuRH in einem neuen Sonderbericht. Seit dem Jahr 2008 seien jährlich im Schnitt rund 500.000 ausländische Staatsangehörige aufgefordert worden, die EU zu verlassen, etwa weil sie unbefugt eingereist seien. Tatsächlich seien aber nur 29 Prozent auch in das Drittland zurückgekehrt. Bei Ländern außerhalb Europas sinkt der Schnitt noch einmal deutlich.

Grafik zur Rückkehr von Migranten
Grafik: ORF.at; Quelle: EU-Rechnungshof/Eurostat

Geben und Nehmen

Zwischen 2015 und 2020 habe die EU nicht nur beim Abschluss der Abkommen lediglich begrenzte Fortschritte erzielt. Auch seien ihre Maßnahmen nicht straff genug gewesen, um sicherzustellen, dass die Gesprächspartner den Verpflichtungen zur Rücknahme tatsächlich auch nachkommen, so der Bericht. Entscheidend sei oft einfach der politische Wille der Drittländer – und hier habe die EU zu wenige Anreize geschaffen, so der Rechnungshof.

„Im Bereich der internationalen Beziehungen verhandeln Länder gewöhnlich Abkommen zu gegenseitigem Nutzen. Dagegen können Rückübernahmeabkommen, obwohl sie im Sinne der Gegenseitigkeit verfasst werden, von Drittländern als vorwiegend zum Vorteil der EU betrachtet werden“, heißt es. Oft gebe es in den betroffenen Drittstaaten feindselige Reaktionen, wenn Menschen zurück in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden. Das hänge etwa auch mit den beträchtlichen Beträgen zusammen, die von den Migrantinnen und Migranten in der EU an ihre Familien im Heimatland überwiesen werden. Dieses Geld sichere „den Lebensunterhalt ganzer Gemeinschaften“ und könne „die öffentliche Entwicklungshilfe bei Weitem übersteigen“.

Neue Anreize gefordert

Auch gebe es mitunter bereits großzügige bilaterale Abmachungen mit einigen EU-Mitgliedsstaaten. Dann sei der Anreiz für die Drittländer noch geringer. Doch immer, wenn die Mitgliedsstaaten sich eng abgestimmt hätten, habe das zum Abschluss von Vereinbarungen geführt. Die EU müsse also gegenüber Drittländern geschlossen auftreten, Synergien nutzen und wichtige Mitgliedsstaaten miteinbeziehen.

Grafik zur Rückkehr von Migranten
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: EU-Rechnungshof/Eurostat

Der EuRH plädiert auch für die Schaffung besserer Anreize und für informellere, flexiblere Abkommen. Oft seien schon nicht rechtsverbindliche Pakte erfolgreicher. Das allerdings ist oft eine rechtliche schwierige Angelegenheit.

Datenlage mangelhaft

Fortschritte gebe es bei der Visapolitik, so der Bericht. Diese als Hebel einzusetzen könne bei der Erreichung von Deals helfen. Lob gab es auch zumindest für den Versuch in Brüssel, die EU-Mitgliedsstaaten bei der Verbesserung der Zusammenarbeit zu unterstützen. Es seien etwa Netzwerke gefördert worden, die erfolgreich nationale Ressourcen gebündelt hätten. Auch wurde die Unterstützung durch die Grenzschutzagentur Frontex verstärkt – gerade bei der schwierigen Feststellung von Identitäten sei das bedeutend. Diese Maßnahmen seien auch „im Großen und Ganzen“ wichtig gewesen. Eine Überprüfung der Wirksamkeit stehe aber aus – die Datenlage sei zu mangelhaft.

EU-Rechnungshof kritisiert System der Rückführungen

Der Europäische Rechnungshof kritisiert das System der Rückführungen illegaler Migranten aus der europäischen Union. Jedes Jahr sollte eine halbe Million illegal eingereister Menschen die EU wieder verlassen. Aber nur ein Fünftel wird tatsächlich rückgeführt. Der Rechnungshof bemängelt in diesem Zusammenhang fehlende Einigkeit unter den EU Staaten in Sachen Migration.

Migrationspakt steht noch aus

Der Rechnungshof nennt in seinem Bericht keine Länder explizit, die zu kritisieren seien. Man wolle Möglichkeiten aufzeigen und nicht Spannungen anheizen. Der EuRH tut das auch in Hinblick auf künftige Vereinbarungen. Neben den 18 bestehenden rechtsverbindlichen Rückübernahmeabkommen gibt es Verhandlungen mit sechs weiteren Ländern. Außerdem steht auch noch der lange diskutierte Asyl- und Migrationspakt der EU aus. Er soll vor allem schnellere Verfahren bringen.

„Wir gehen davon aus, dass unsere Prüfung in die Debatte über das neue Migrations- und Asylpaket der EU einfließen wird, da eine wirksame und gut gesteuerte Rückübernahmepolitik ein Eckpfeiler einer umfassenden Migrationspolitik ist“, so Leo Brincat von EU-Rechnungshof. „Das derzeitige EU-Rückkehrsystem ist jedoch in hohem Maße ineffizient und bewirkt daher das Gegenteil dessen, was es eigentlich soll: Statt abzuschrecken, leistet es illegaler Migration Vorschub.“