Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Unions-Spitzenkandidat Armin Laschet
AP/Markus Schreiber
Wahlkampftief der Union

Merkel kommt als Krisenfeuerwehr spät

Die scheidende deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich im aktuellen Wahlkampf merklich zurückgehalten. Im Finale vor der Bundestagswahl am 26. September soll sie nun etwas präsenter sein und gemeinsam mit dem Unionsspitzenkandidaten Armin Laschet mehrere Auftritte absolvieren. Allerdings komme Merkel als Krisenfeuerwehr, wie es in der deutschen Presse heißt, etwas spät.

Merkel wird gemeinsam mit Laschet, der Bundesvorsitzender der CDU und Ministerpräsident des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen (NRW) ist, nicht nur bei der Wahlkampfabschlusskundgebung auftreten, sondern zuvor auch noch in der Stadt Aachen. Außerdem soll es einen gemeinsamen Auftritt mit der Noch-Kanzlerin in ihrem bisherigen Wahlkreis Stralsund (Mecklenburg-Vorpommern) geben. Geben werde es auch mehrere Termine gemeinsam mit dem bayrischen CSU-Chef Markus Söder, wie Laschet auf eine Frage danach sagte. Aus der CSU waren zuletzt kritische Töne zu Laschet zu hören.

Erst kurz vor Schluss mache nun Merkel doch noch Wahlkampf für Laschet, hieß es zuletzt etwa in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“). Dazu die Frage: „Reicht das?“ Die deutsche Kanzlerin habe nie sonderlich Spaß am Wahlkämpfen gehabt, nicht einmal für sich selbst, schrieb die deutsche Tageszeitung. „Noch unangenehmer ist für sie womöglich nur, Wahlkampf für jemand anderen machen zu müssen. Zumindest kam ihre für den Wähler vernehmbare Unterstützung für Armin Laschet ziemlich spät.“

Kritische Töne und Bekenntnisse

Letzterer könne angesichts der Umfragewerte Unterstützung brauchen, schließlich führe er nicht nur einen „(Wahl)-Kampf“ gegen die Spitzenkandidaten von SPD und Grünen, Olaf Scholz und Annalena Baerbock. Etwa auch die CSU mache ihm das Leben schwer, Söder, der gerne selber ins Rennen gegangen wäre, könne „unwidersprochen grummeln“, dass er der bessere Kandidat gewesen wäre.

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Unions-Spitzenkandidat Armin Laschet
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Merkel hatte angekündigt, sich nicht zu viel in den Wahlkampf einzumischen, und hielt sich lange daran – vielleicht zu lange

Es gab auch kritische Töne zu Laschet aus den eigenen Reihen, etwa von CSU-Generalsekretär Markus Blume, der gemeint hatte, mit Söder stünde die Union in Umfragen besser da. Er korrigierte sich später und sagte, seine Aussage sei nur auf Bayern gemünzt gewesen. Söder musste ein Bekenntnis zu Laschet abgeben. Die CSU stünde „zu 100 Prozent“ hinter dem Spitzenkandidaten der Union. „Wir wollen, dass du Kanzler der Bundesrepublik Deutschland wirst“, versicherte Söder Laschet schließlich auf dem CSU-Bundesparteitag letztes Wochenende in Nürnberg.

„Warum hat sie sich so lange zurückgehalten?“

Gleichfalls die „FAZ“ stellte vor einigen Tagen die Frage: „Warum hat sie (Merkel, Anm.) sich so lange zurückgehalten?“ Merkel habe erst eingegriffen, als sich die Umfragewerte in Richtung unter der 20-Prozent-Marke näherten und SPD-Spitzenkandidat Scholz immer öfter den Anspruch erhob, ihr natürlicher „Erbe“ zu sein.

Es gebe mehrere Erklärungen für die Zurückhaltung der deutschen Kanzlerin im Wahlkampf. Eine sei die, dass „im Falle des Falles“ eine Wahlniederlage der Union nicht auch an ihr hängen bleibe. Sie sei deshalb weit genug von Laschet „weggeschwommen“. Andere Theorien, wie die, Merkel wolle gar nicht, dass jemand aus der CDU ihr Nachfolger werde, lesen sich etwas abenteuerlicher. Fragen, was die Union tun werde, wenn sie die Wahl verliere, wich Laschet zuletzt aus. Er wolle allerdings „nicht als Juniorpartner in eine andere Koalition gehen", sagte er im ZDF.

Merkel in ungewohnter Manier

Laut letztem ZDF-Politbarometer vom Sonntag lagen die SPD bei 25 Prozent, die Union bei 22, die Grünen bei 17, die rechte AfD und die liberale FDP gleichauf bei elf Prozent. Linke und Freie Wähler erreichten bei der „Sonntagsfrage“ sechs bzw. drei Prozent, die restlichen fünf entfielen auf „Sonstige“. Merkel hatte schon einige Tage zuvor die nicht allzu rosigen Werte für die Union mit den Worten „abgerechnet wird am Wahltag“ relativiert. Sie spüre, dass um Wählerinnen und Wähler gekämpft würde. Es sei schließlich in CDU und CSU klar gewesen, dass die Union nach 16 Jahren nicht „automatisch“ wieder in das Kanzleramt in Berlin einziehen würde.

Auch der deutsche „Tagesspiegel“ kommentierte zuletzt, dass es wohl die Umfragewerte gewesen seien, die für Merkel „keine andere Wahl“ zugelassen hätten. Allerdings komme ihre Hilfe als Wahlkämpferin für Laschet „reichlich spät und wirkt entsprechend unglaubwürdig“. Das auch, da Merkel sich, als sie im Bundestag für Laschet das Wort ergriffen habe und Scholz – „plump“ – attackiert habe, anders als gewohnt („präsidial“) verhalten habe wie eine Oppositionsführerin, „was für eine scheidende Kanzlerin im Bundestag schräg wirkt“.

Zweckoptimismus nach Erfolg bei Kommunalwahlen

Laschet zeigte sich schließlich am Montag, einen Tag nach dem Erfolg der CDU bei den Kommunalwahlen am Sonntag im Bundesland Niedersachsen, trotz der anhaltend schlechten Umfragewerte für den Endspurt im Bundestagswahlkampf zuversichtlich.

Analyse der TV-Konfrontation

ORF-Korrespondentin Birgit Schwarz analysierte das Aufeinandertreffen der deutschen Kanzlerkandidaten Armin Laschet (CDU) und Olaf Scholz (SPD) sowie der grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock.

Die CDU sei in Niedersachsen stärkste politische Kraft geworden, daran „kann man erkennen: Umfragen sind Umfragen. Am Ende entscheiden die Wähler“, sagte der CDU-Chef vor Beratungen der Führungsspitze seiner Partei in Berlin. „Ich bin froh, dass wir so viel Zuspruch gestern in Niedersachsen erhalten haben.“ Laschet sagte weiters, der Sonntagabend sei auch vor dem Hintergrund des zweiten großen TV-Schlagabtausches der Kanzlerkandidaten gemeinsam mit Scholz und Baerbock „ein doppelt guter Abend“ gewesen. „Das Triell hat die Unterschiede deutlich gemacht zwischen Rot-Grün und dem, was CDU und CSU vertreten. Und insofern hat es zur Klarheit beigetragen.“