Bei der ersten Geberkonferenz seit der Taliban-Machtübernahme im August machten viele Staaten klar, zwar kurzfristig humanitäre Unterstützung leisten zu wollen. Doch unterstrichen sie gleichzeitig, dass eine Zusammenarbeit mit dem Taliban-Regime aber von deren Umgang mit ausländischen Helferinnen und Helfern, Frauen, Kindern und Minderheiten abhänge.
So forderte etwa die UNO-Botschafterin der USA, Linda Thomas Greenfield, schriftliche Zusagen der Taliban bezüglich der Rechte von Hilfsorganisationen, Frauen und Minderheiten. „Worte reichen nicht. Wir müssen Taten sehen“, sagte sie in einer Videoschaltung. Rund 40 Minister, darunter Österreichs Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP), waren größtenteils per Video zugeschaltet.
„Druckmittel in der Hand“
Die Zusagen in der Höhe von insgesamt einer Mrd. Euro bezeichnete Guterres als „Quantensprung“. „Ich denke, dass die internationale Gemeinschaft damit ein Druckmittel in der Hand hat“, sagte der UNO-Chef. Die Vereinten Nationen hatten zuvor an Geberländer appelliert, mehr als 600 Mio. Dollar für den Rest des Jahres zuzusagen, um Menschen in Afghanistan vor Hunger zu bewahren und den Zusammenbruch öffentlicher Dienstleistungen zu verhindern.

„Diese Konferenz hat meine Erwartungen voll erfüllt, was die Solidarität mit den Menschen in Afghanistan betrifft“, sagte Guterres. Wie viel von der Milliarde Euro jedoch dem Nothilfebudget der Vereinten Nationen für die kommenden Monate zugutekommt und wie viel in anderer Form oder später zur Verfügung gestellt wird, konnte Guterres nicht sagen. UNO-Hilfsorganisationen haben einen Finanzbedarf von 513 Millionen Euro bis Dezember angemeldet.
Erschreckende Zahlen
Nach UNO-Zahlen haben 93 Prozent der Haushalte in Afghanistan nicht genug zu essen. Nach Einschätzung von UNO-Behörden steht die Grundversorgung in Afghanistan vor dem Zusammenbruch. Mit humanitärer Hilfe sollen medizinische Leistungen, Wasserversorgung und sanitäre Einrichtungen aufrechterhalten werden. Zudem sollen Schutzmaßnahmen für Kinder und Frauen, Notunterkünfte sowie Schulen finanziert werden.
Außerdem brauchen die Helferinnen und Helfer Geld, um die 3,5 Millionen Vertriebenen im Land sowie die mehr als zwei Millionen afghanischen Flüchtlinge in Nachbarländern zu unterstützen. UNO-Generalsekretär Guterres wies darauf hin, dass die Taliban gegenüber der UNO schriftlich um internationale Unterstützung in der Entwicklungszusammenarbeit, im Kampf gegen Dürre und in Sicherheitsfragen gebeten haben.
Guterres rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, mit den Taliban zusammenzuarbeiten. „Es ist nicht möglich, in Afghanistan humanitäre Hilfe zu leisten, ohne mit den De-facto-Behörden zusammenzuarbeiten“, sagte der UNO-Generalsekretär. Eine Kooperation mit den Taliban sei „zum jetzigen Zeitpunkt sehr wichtig“. Bereits in den vergangenen Wochen führten die Islamisten bilaterale Gespräche etwa mit Deutschland, China und Großbritannien über Hilfsgelder.
UNO-Menschenrechtschefin: Taliban-Versprechen gebrochen
Gleichzeitig forderte der UNO-Chef die Taliban auf, internationale Helfer ohne Belästigungen und Einschüchterungsversuche arbeiten zu lassen. Zuvor hatte UNO-Menschenrechtschefin Michelle Bachelet über steigende Gewalt gegen UNO-Mitarbeiter berichtet. Laut Guterres haben die Taliban auch bereits schriftlich zugesichert, dass Hilfsorganisationen ihrer Arbeit nachgehen könnten und dabei von deren Kämpfern geschützt werden.
Geberkonferenz für Afghanistan
Afghanistan bleibt vom Westen abhängig. Denn das Land ist nach Jahrzehnten des Konflikts auf humanitäre Hilfe angewiesen. Heute wurde auf einer Geberkonferenz Geld zugesagt, Geld, das dringend benötigt wird, denn laut UNO steht die Grundversorgung in Afghanistan vor dem Zusammenbruch.
„Die Welt sollte mit uns zusammenarbeiten“, sagte Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid der dpa am Montag. „Die Sicherheit im Land wurde aufrechterhalten, und die Menschen sind in wirtschaftlichen Schwierigkeiten: Lebensmittel sind knapp, Medikamente sind knapp.“ UNO-Menschenrechtschefin Bachelet wies jedoch auf gebrochene Versprechen zum Schutz von Mitarbeitern der Vorgängerregierung sowie zur Einhaltung von Frauenrechten hin. „Es sieht so aus, als ob die Situation vor Ort oft diesen Zusagen widerspricht“, sagte sie.
Österreich sagt 20 Mio. Euro zu
Österreich sagte einen Betrag von insgesamt 20 Millionen Euro zu. Die Bundesregierung hatte in der vorigen Woche zur Bekämpfung der humanitären Krise in Afghanistan und der Region im Ministerrat 18 Mio. Euro Soforthilfe beschlossen. Zehn Mio. Euro davon gehen an das UNO-Flüchtlingskommissariat (UNHCR), fünf Mio. Euro an UN Women und drei Mio. Euro an das UNO-Welternährungsprogramm.
„Es ist besonders wichtig, dass ein beträchtlicher Teil dieses Hilfspakets gezielt für Frauen und Mädchen in Afghanistan und in der Region eingesetzt wird“, wurde Frauenministerin Raab in einer Aussendung anlässlich der Geberkonferenz zitiert. Nach Angaben eines Sprechers von Raab wird es zwei Mio. Euro zusätzlich „aus Mitteln der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (ADA)“ geben, die über das Rote Kreuz der afghanischen Bevölkerung zugutekommen sollen.