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APA/Robert Jaeger
CoV-Maßnahmen

Expertin rechnet mit baldiger Verschärfung

Seit Mittwoch sind in Österreich neue Coronavirus-Maßnahmen in Kraft – steigende Infektionszahlen und die nun für die weiteren Schritte maßgebliche Belegung der Intensivstationen legen eine baldige Aktivierung der nächsten Schritte des drei Stufen umfassenden Maßnahmenkatalogs der Regierung nahe. Laut der Epidemiologin Eva Schernhammer von der MedUni Wien ist dieser „sehr wohl durchdacht“. Auf die Frage, ob weitere Maßnahmen drohen, sagte Schernhammer am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal aber auch: „Der Zeitpunkt kommt mit Eilesschritten auf uns zu.“

Schernhammer verwies auf die Impfquote von derzeit rund 60 Prozent. „Die Impfraten bleiben stagnierend“, derzeit bewege sich hier „fast nichts“, so Schernhammer: „Insofern glaube ich auch, dass irgendwelche weitere Maßnahmen auf uns zukommen werden.“ Ob man hier nun Anreize fürs Impfen setze oder versuche, jene zu bestrafen, die sich nicht impfen lassen, sei die in den nächsten zwei, drei Wochen zu klärende Frage.

Am Mittwoch trat in Österreich die 2. Covid-19-Maßnahmenverordnung in Kraft und damit die ersten Maßnahmen eines Anfang September angekündigten Dreistufenplans. Beobachter fürchten angesichts der jüngsten Entwicklung, dass der auf der Belegung der Intensivstationen fußende Plan schon bald überholt sein könnte. Hinweise dafür kamen zuletzt auch von den Experten des Covid-Prognose-Konsortiums. Diese rechnen in den kommenden zwei Wochen mit einer „signifikant“ steigenden Belegung der Intensivstationen.

FFP2-Maske „sehr, sehr effizient“

„Man versucht da wirklich einen Drahtseilakt“, sagte Schernhammer mit Blick auf die aktuell laufende Schulstartphase. Sie verstehe die zuletzt getroffenen Entscheidungen – Stichwort gelockerte Quarantäne. Es sei aber auch gut vorstellbar, dass man hier „zurückrudern muss und sagen muss: leider die ganze Klasse wieder in Quarantäne“.

Als eine „sehr, sehr effiziente Maßnahme“ hob Schernhammer die FFP2-Maske hervor. Seit Mittwoch ist diese etwa im Lebensmittelhandel wieder vorgeschrieben – Ungeimpfte müssen die FFP2-Maske zudem im gesamten Handel tragen. Laut Schernhammer ist davon auszugehen, dass die Maßnahme wohl flächendeckender zur Anwendung kommt, als es vielleicht vorgeschrieben ist. Sie könne sich vorstellen, „dass viele sich sagen: ‚Ja, bevor ich jetzt lange herumüberlege, welche Maske und wo, dann trage ich einfach meine FFP2-Maske.‘“

Klimek traut Stufe eins nur Minimalwirkung zu

Geht es nach dem Komplexitätsfoscher Peter Klimek, sei etwa für Wien nicht davon auszugehen, dass diese neuen Maßnahmen einen nennenswerten Einfluss auf die weitere Entwicklung haben werden. Wien habe schon früher strengere Maßnahmen als die anderen Bundesländer gehabt. „Im Vergleich zu dem, was jetzt in Stufe eins kommt, sieht man eigentlich nur Veränderungen im Millimeterbereich“, sagte Klimek im „Wien heute“-Gespräch.

Dass Wien trotz schärferer Maßnahmen die höchsten Zahlen österreichweit aufweise, zeige, dass diese Maßnahmen bei der aktuellen Durchimpfungsrate nicht ausreichen, um die Delta-Variante zu kontrollieren. Zur Entwicklung in den kommenden Wochen sagte Klimek, man habe jetzt in den östlichen Schulen einen Niveausprung gesehen, „das heißt, da hat man jetzt natürlich viel an bisher unerkannten Infektionen herausfischen können. Das ist gut.“ Er erwarte mittelfristig eine eher dämpfende Wirkung.

Wirklich Sorgen bereite ihm aber die Entwicklung über die nächsten Wochen und Monate hinweg: „Wir erwarten bei dem Maßnahmenregime, das wir momentan haben, dass die Zahlen weiter steigen.“ Das würde bedeuten, dass es mehr Fälle in den Schulen gebe, die dann auch wieder auf die Bevölkerung ausstrahlen. Dann gebe es das Risiko, dass sich das gegenseitig hochschaukle – mehr dazu in wien.ORF.at

Auch Kogler hält weitere Maßnahmen für möglich

Bei einer stark zunehmenden Auslastung der Intensivbetten sind zusätzliche Maßnahmen zur Eindämmung der vierten CoV-Welle möglich. Das sagte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) am Donnerstag am Rande einer Pressekonferenz in Wien. Klar sei, dass, „wenn weitere Schritte stattfinden, dass eine Differenzierung zwischen Geimpften und Ungeimpften stattfinden wird“, so der Grünen-Chef.

„Hauptziel ist, die Freiheit der Geimpften zu schützen, aber gleichzeitig auch das Gesundheitssystem“, so Kogler. Ein weiterer Schritt könnte sein, bei den Tests die Zeit der Gültigkeit zu verkürzen und zweitens viel stärker auf die PCR-Methode zu setzen, „weil da die höhere Verlässlichkeit liegt“. Zudem betonte er die Wichtigkeit, dass die Einhaltung der verordneten „Regeln wieder verstärkt kontrolliert“ wird.

„Impfverantwortung“ wäre gut

„Der Dreistufenplan steht“, sagte Kogler zu den in der Vorwoche präsentierten Maßnahmen, von denen die erste Stufe nun umgesetzt wurde. Es gebe jedoch wöchentliche Expertenrunden und es werde beobachtet, wie das Gesundheitssystem belastet werde. Das Gesundheitsministerium, die Regierung und der Verfassungsdienst würden an weiteren Plänen arbeiten.

„Impfen wird ein großer Schlüssel sein“, so der Vizekanzler. „Wenn Ungeimpfte ungeschützt auf Ungeimpfte treffen, dann fällt uns das auf die Decken“, sagte er. Statt einer Impfpflicht wäre „Impfverantwortung“ gut. Er sehe, „dass bestimmte Gruppen auf Verunsicherungskampagnen setzen“, und appellierte diesbezüglich auch an im Nationalrat vertretene Parteien. „Das Virus unterscheidet vieles nicht, aber es unterscheidet zumindest zwischen Geimpften und Ungeimpften“, so Kogler.

Intensivstationen wieder im Fokus

Die Experten der Covid-Prognose-Konsortiums erwarten, dass der Schulbeginn in den westlichen Bundesländern zu einem ähnlichen Anstieg der gemeldeten positiven Tests in den Altersgruppen der schulpflichtigen Bevölkerung führen wird, wie das im Burgenland, in Niederösterreich und Wien der Fall war. Aufhorchen ließ die Expertenkommission schließlich mit ihrer Prognose in Sachen Intensivbettenbelegung.

Österreichweit werde ein Zuwachs von 9,8 auf 15,9 Prozent Bettenbelegung durch CoV-Patienten erwartet. Das sind 326 statt aktuell rund 200 schwerstkranke Patienten und übersteigt die von der Coronavirus-Kommission definierte Grenze zum mittleren Systemrisiko, heißt es in der Berechnung für das Gesundheitsministerium von Mittwoch.

Im Burgenland, in Vorarlberg, Wien sowie in Nieder- und Oberösterreich könne im Worst-Case-Szenario innerhalb des Prognosezeitraums ein Überschreiten der 33-Prozent-Marke nicht ausgeschlossen werden, warnten die Modellrechner. Sollte sich der seit Beginn des Sommers steigende Trend der Infektionszahlen nicht bald umdrehen, steige die Wahrscheinlichkeit des Erreichens dieser Auslastungsgrenze zunehmend.