Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP)
APA/Hans Punz
„Unfaire Praktiken“

Köstinger im Clinch mit Supermarktketten

Zwischen Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) und dem Lebensmittelhandel hängt der Haussegen schief. Grund sind Vorwürfe, die großen Supermarktketten ließen den Bäuerinnen und Bauern keine Chance gegen deren Übermacht, es herrschten teils „erpresserische Zustände“ in Sachen Preispolitik. Die Landwirte stellten sich hinter die Ministerin, der Handel reagierte empört.

Adressaten der scharfen Kritik waren konkret die Handelsketten Billa (REWE), Spar und Hofer. „Wer sich wehrt, wird ausgelistet“, so Köstinger im „profil“. Das sei kein fairer Wettbewerb, „das sind unfaire Praktiken“, wurde die Ministerin am Samstag in dem Nachrichtenmagazin zitiert. Es gebe ein Missverhältnis zwischen Erzeugerpreisen und Konsumentenpreisen.

„Steigen die Preise für Konsumenten, schöpft der Handel diese Marge ab und gibt sie nicht an die Bauern weiter. Zahlen die Konsumenten weniger, trägt das nicht der Handel, sondern der Bauer bekommt entsprechend weniger“, so Köstinger. Die Konsumenten würden vom Handel getäuscht: „Der Preiskampf findet jeden einzelnen Tag am Regal statt. Der Handel lockt die Kunden mit billigen Eiern oder billiger Milch. Was die Ketten da verlieren, holen sie sich durch Aufschläge bei anderen Produkten wieder herein.“

Für Bauernbund „beängstigend viel Marktmacht“

Bauernbund-Präsident Georg Strasser (ÖVP) und der Präsident der Landwirtschaftskammer, Josef Moosbrugger (ÖVP), bekräftigten die Kritik der Ministerin. „Die Handelsriesen haben beängstigend viel Marktmacht. Damit sind sie mitverantwortlich für den Strukturwandel in der Landwirtschaft.“ Täglich würden rund zehn Betriebe ihre Hoftore für immer schließen, erklärte Strasser.

Die „Übermacht der Händler im Lebensmitteleinzelhandel“ gehe so weit, dass sich Erzeuger bei offensichtlichen Verfehlungen gar nicht mehr den Mund aufmachen trauen, weil sie Angst vor einer Auslistung haben, bestätigte der ÖVP-Nationalratsabgeordnete Strasser in einer Aussendung und forderte eine gesetzliche Regelung zum Schutz kleiner Erzeuger vor unfairen Handelspraktiken.

Landwirtschaft sieht Betriebe im „Würgegriff des Handels“

„Der bäuerliche Wertschöpfungsanteil ist in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Die bäuerlichen Familienbetriebe befinden sich in einem massiven Würgegriff des Handels. Es besteht dringend Handlungsbedarf“, bekräftigte Moosbrugger.

Ein Mähdrescher bei der Ernte auf einem Weizenfeld
APA/Herbert Pfarrhofer
Landwirtschaft sieht „dringenden Handlungsbedarf“

Der Lebensmitteleinzelhandel sei ein klarer Gewinner der Coronavirus-Krise und nun gefordert, sich zu den vorgelagerten Bereichen zu bekennen, statt diese überverhältnismäßig auszunützen. „Das, was sich in den letzten Jahren entwickelt hat, hat mit verlässlichen Partnerschaften auf Augenhöhe nichts zu tun.“

Empörte Reaktionen

Der Handel reagierte empört auf die Attacke der Ministerin. „Die pauschalen und unsachlichen Unterstellungen sowie die deplatzierte Wortwahl von Bundesministerin Elisabeth Köstinger weisen wir im Namen der gesamten Branche auf das Schärfste zurück“, so Christian Prauchner, Bundobmann des Lebensmittelhandels in der Wirtschaftskammer (WKO), in einer Aussendung. Die Coronavirus-Pandemie habe gezeigt, „wie gut die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Lebensmittelhandel in Österreich funktioniert“.

Supermarktregale
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Der Handel verweist auf Dialog und gute Zusammenarbeit

Christof Kastner, Vizeobmann des Lebensmittelhandels und geschäftsführender Gesellschafter der Kastner-Gruppe, lobte ebenfalls die guten Beziehungen zwischen Handel und Erzeugern. „Die auf Dauer angelegten Beziehungen sind ein Garant für Verlässlichkeit und Sicherheit für beide Seiten. Offenbar versucht Frau Köstinger, mit einseitigen Darstellungen bei ihrer Klientel politisch zu punkten“, so Kastner. Der Lebensmittelhandel sei jederzeit zu konstruktiven Gesprächen bereit.

Handelsverband weist Kritik zurück

Auch Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will wies die Kritik Köstingers zurück und sprach sich für die Schaffung einer Mediationsstelle aus. Bereits kommenden Donnerstag würden die verantwortlichen Geschäftsführer der Lebensmittelhändler beim „Tag des Handels“ in Gmunden (Oberösterreich) zusammentreffen. „Alle Partner entlang der Wertschöpfungskette wurden eingeladen und haben auch ihr Kommen zugesagt, um im Rahmen der überparteilichen Plattform ‚Lebensmittel. Wertschätzen‘ Herausforderungen und Wünsche unter Wahrung der kartellrechtlichen Vorgaben zu besprechen.“

Der Lebensmitteleinzelhandel habe „gemeinsam mit dem Handelsverband bereits vor Jahren die Einrichtung einer Ombudsstelle für die Landwirtschaft angeregt und gemeinsam mit dem Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus unter Einbeziehung der Landwirtschaft konzipiert. Bis dato ist von politischer Seite leider keine Umsetzung zustande gekommen. Das wäre allerdings entscheidend, um vom pauschalen Bashing gegen den Lebensmitteleinzelhandel wegzukommen“, hieß es am Samstag in einer Presseaussendung.

Kritik an ÖVP wegen fehlender Herkunftsbezeichnungen

Die Bürgerinitiative oekoreich, Nachfolgerin des Tierschutzvolksbegehrens, empfahl der Ministerin, sich neue Verbündete zu suchen. „Offenbar sind die Handelskonzerne, die von ihr seit Jahren so hofiert werden, doch nicht die besten Ansprechpersonen, wenn es darum geht, die Zukunft der heimischen Landwirte abzusichern“, so oekoreich-Bundeskoordinator Sebastian Bohrn Mena.

Man reagiere mit großer Verwunderung auf die Aussagen der Ministerin, hieß es in einer Aussendung. „Unerwähnt blieb dabei, dass die ÖVP in der Regierung nach wie vor die verpflichtende Herkunftskennzeichnung bei verarbeiteten Produkten und in der Gastronomie blockiert“, wobei diese Konsumenten und Konsumentinnen „ermöglichen würde, ihre ‚Macht‘ zu nutzen und Landwirtschaft zu unterstützen".

SPÖ empfiehlt: „Weniger schimpfen, mehr arbeiten!“

SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter reagierte, wie es in einer Aussendung hieß, auf den „Wutausbruch“ der Landwirtschaftsministerin, „der zu einem Rundumschlag gegen alle, außer die ÖVP selbst führte, verwundert“. Die Volkspartei habe „seit 1987 alle Landwirtschafts- und alle Wirtschaftsminister“ gestellt.

"Wir lassen Frau Köstinger gerne auf direktem Weg die Telefonnummer ihrer Kollegin Schramböck zukommen, damit sich die beiden darüber austauschen können, wer von ihnen mehr Schuld an der definitiv schlechten Situation für die Bauern in Österreich trägt“, so Matznetter, der der ÖVP empfahl: „Weniger schimpfen, mehr arbeiten!“