Die Besatzung eines U-Boots der Royal Australian Navy beim Verlassen des U-Bootes
AP/The Yomiuri Shimbun/Naoya Masuda
Frankreich und Australien

Streit über „Lügen“ im U-Boot-Deal

Der Streit über den geplatzten U-Boot-Deal zwischen Australien und Frankreich zieht seine Kreise. Nachdem Paris am Wochenende bereits die Zukunft des Militärbündnisses NATO in Gefahr gesehen hatte, wies am Sonntag die australische Regierung den zuletzt erhobenen Vorwurf der „Lüge“ zurück – und ging ihrerseits in die Offensive.

Australien haben seine Zweifel am geplanten Kauf der U-Boote gegenüber Paris „offen und ehrlich“ geäußert, sagte Verteidigungsminister Peter Dutton dem Sender Sky News Australia am Sonntag. Paris hätte sich dieser „tiefgreifenden und ernsthaften Bedenken“ daher bewusst sein müssen, sagte Premierminister Scott Morrison. Von Lügen sei also keine Spur, man habe den Entscheidungsprozess transparent gestaltet.

Die Vorgeschichte samt Grund für den Streit: Eigentlich sollte Australien – darauf hatte man sich 2016 geeinigt – französische U-Boote kaufen. Wert der Transaktion damals: etwa 40 Mrd. Dollar (rund 34 Mrd. Euro). Am Donnerstag allerdings machte die Regierung in Canberra bekannt, im Rahmen einer neuen Indopazifik-Sicherheitsallianz mit den USA und Großbritannien US-U-Boote mit Atomantrieb beschaffen zu wollen. Paris zeigte sich daraufhin überrascht, brüskiert und bestritt, im Vorhinein von der Entscheidung informiert worden zu sein.

Zeitplan, Kosten, strategische Fragen

„Wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir eine Entscheidung auf der Grundlage unserer strategischen nationalen Interessen treffen würden“, sagte nun der australische Premier Morrison bei einer Pressekonferenz in Sydney. Dass die französischen U-Boote „nicht unseren strategischen Interessen entsprechen würden“, hätte Paris außerdem wissen müssen.

Ein australisches U-Boot der Collins-Klasse im Hafen von Sydney
APA/AFP/Peter Parks
Australisches U-Boot im Hafen von Sydney

Das Rüstungsprojekt sei noch dazu Jahre hinter dem Zeitplan gelegen und das Budget sei überzogen worden, sagte Verteidigungsminister Dutton. „Die Regierung hatte diese Bedenken, wir haben sie geäußert, und wir wollen sehr eng mit den Franzosen zusammenarbeiten, und das werden wir auch in Zukunft tun.“

Paris in höchstem Maß verärgert

Frankreich hatte höchst verärgert auf die Ankündigung reagiert und am Freitag in einem außergewöhnlichen diplomatischen Schritt zwischen Verbündeten seine Botschafter aus Washington und Canberra zu Konsultationen zurückgerufen. Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian warf den USA und Australien zudem „Lüge“ und „Doppelzüngigkeit“ sowie einen schweren Vertrauensbruch und „Missachtung“ vor.

Analyse von Thomas Langpaul und Cornelia Primosch

Am Samstag hatte Paris betont, man sehe die Zukunft der NATO durch die Kehrtwende Canberras belastet. Der Vorfall habe Auswirkungen auf die Festlegung des neuen strategischen Konzepts der Verteidigungsallianz, so Le Drian im Sender France 2. Innenpolitisch kommt die Absage vor allem für Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Er stellt sich im nächsten Jahr der Wiederwahl – und er hat eben den größten Militärdeal in der französischen Geschichte auf demütigende Weise verloren.

Nun wolle Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in den kommenden Tagen mit US-Präsident Joe Biden sprechen. Es sei ein Telefongespräch geplant, hieß es am Sonntag aus dem Elysee-Palast in Paris. Datum und Uhrzeit stünden aber noch nicht fest.

„Großer Fehler“

Der französische Botschafter in Australien, Jean-Pierre Thebault, bezeichnete die Stornierung des U-Boot-Vertrags am Samstag als „großen Fehler“. „Das war ein sehr, sehr schlechter Umgang mit der Partnerschaft“, sagte Thebault und erklärte, dass das Rüstungsabkommen zwischen Paris und Canberra „auf Vertrauen, gegenseitigem Verständnis und Aufrichtigkeit“ basieren sollte.

„Ich würde gerne in eine Zeitmaschine steigen und mich in eine Situation begeben, in der wir nicht in einer so unglaublichen, ungeschickten, unangemessenen und unaustralischen Situation landen“, fügte der französische Botschafter hinzu. Er habe – wie auch seine Kollegen – aus der australischen Presse über die Stornierung des Vertrags erfahren. „Wir wurden nie informiert“, sagte er. Dem widerspricht die australische Regierung vehement.

China spricht von Neuauflage des Kalten Kriegs

In China hatte die Ankündigung des Indopazifik-Paktes empörte Reaktionen ausgelöst. Der Pakt sei „extrem unverantwortlich“ und untergrabe „den regionalen Frieden und die Stabilität“, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking. Der Westen müsse sein „überholtes Nullsummenspiel aus dem Kalten Krieg aufgeben“. Der Pakt fördere das Wettrüsten.

Australien wies am Freitag auch die Kritik Chinas zurück. Peking habe sein eigenes „sehr substanzielles Programm zum Bau von Atom-U-Booten“, sagte Morrison am Freitag in dem Radiointerview weiter. „Sie haben jedes Recht, Entscheidungen im nationalen Interesse für ihre Verteidigungsvorkehrungen zu treffen, und das gilt natürlich auch für Australien und alle anderen Länder.“

Schallenberg sieht keine Gefahr für NATO

Großbritannien verteidigte nach der Kritik aus Frankreich und China den neuen Sicherheitspakt. „Freiheiten müssen verteidigt werden, daher bauen wir starke Sicherheitsbeziehungen in aller Welt auf“, schrieb die neue britische Außenministerin Liz Truss am Sonntag im „Telegraph“. Nach U-Booten mit Atomantrieb wolle man in diesem Bündnis auch den Einsatz künstlicher Intelligenz für die Verteidigung ausbauen. London zeige damit sein Engagement für Sicherheit und Stabilität in der Indopazifik-Region.

ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg sieht im aktuellen Streit keine Gefahr für das transatlantische Bündnis Europas mit den USA. Frankreich sei „natürlich verschnupft“, betonte er am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“. Die USA würden die große strategische Herausforderung seit Langem im Pazifik sehen, deshalb sei aber die Partnerschaft mit der EU nicht schwächer geworden. Und Schallenberg betonte, die USA seien Europas wichtigster Partner, wenn es darum gehe, das westliche liberale politische und gesellschaftliche System aufrechtzuerhalten.