Bei einer Coronavirus-Pressekonferenz  in Wien werden Daten gezeigt
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Datenchaos & Co.

Umfassende RH-Kritik an Coronavirus-Politik

Der Rechnungshof (RH) kritisiert die Coronavirus-Politik von Bund und Ländern als chaotisch und unübersichtlich. Wie aus einem Rohbericht hervorgeht, habe vor allem in der Anfangszeit der Pandemie wenig Koordination zwischen den Körperschaften stattgefunden. So sei es für den Bund nicht ersichtlich gewesen, aus welchen Quellen die Länder ihre Daten erhoben.

Deutliche Kritik übt der Rechnungshof an der Zahlenvielfalt zu Covid-19-Indikatoren, die der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurden. Gesundheitsministerium, Innenministerium und die Länder veröffentlichten auf ihren Dashboards oder Websites täglich „in unterschiedlichen Formaten zu unterschiedlichen Zeitpunkten Daten mit unterschiedlichen Auswertungszeitpunkten und unterschiedlichem Detailgrad, die sich mitunter auch in ihrer Definition unterschieden“, heißt es in dem Bericht.

Das habe das Vertrauen der Bevölkerung in die Behörden und die Richtigkeit der Daten beeinträchtigt und infolgedessen auch der Akzeptanz der Pandemiemaßnahmen geschadet. Es habe auch ein Überblick über die vorhandene Schutzausrüstung gefehlt.

Unklare Zuständigkeiten

Es hätten sowohl im Krankenanstaltenrecht als auch im Allgemeinen Sozialversicherungsrecht im Wesentlichen geeignete Regeln für den Krisen- und Katastrophenfall gefehlt. Auch die Gesundheitsplanung enthielt keine Vorkehrungen. „Es war zur Beginn der Pandemie unklar, wer für Maßnahmen zur Anpassung des Gesundheitssystems im Pandemiefall zuständig war.“

RH kritisiert CoV-Daten der Regierung

Der Rechnungshof übt in einem Rohbericht schwere Kritik am Datenmanagement von Bundes- und Landesregierungen. Mit besseren Daten könnte Österreich der Pandemie effektivere Maßnahmen entgegensetzen.

Der Rechnungshof hält zudem fest, dass man es im Sommer 2020 verabsäumt habe, das Contact-Tracing mit ausreichend Personal auszustatten, um die Infektionsketten auch bei hohen Ansteckungszahlen durchbrechen zu können.

Kritik üben die Prüfer weiters an den fehlenden Erhebungen zu Folgeschäden aufgrund aufgeschobener Operationen und reduzierter Arztkontakte. „Kritisch zu beurteilen war auch, dass kein Konzept für eine begleitende Erforschung von Langzeitfolgen durch eine Covid-19-Erkrankung, Folgeschäden durch eingeschränkte Leistungen während der Covid-19-Pandemie oder für einen veränderten Bedarf der Bevölkerung, etwa aufgrund verschobener Operationen, bestand.“

Unterschiedliche Auslegung der Ministeriumsvorgaben

Das Epidemiologische Meldesystem (EMS), ein elektronisches Register zur Eintragung von Infektionskrankheiten, war bereits seit 2009 etabliert und taugte grundsätzlich auch zur Einmeldung von Ansteckungsfällen. Das Gesundheitsministerium habe es allerdings nicht geschafft, die Funktionen des EMS für eine kontinuierliche Überwachung der CoV-Fälle weiterzuentwickeln, befindet der Rechnungshof.

Patientenanwältin Pilz zur CoV-Politik

Patientenanwältin Sigrid Pilz kritisierte die CoV-Politik der Regierung. Sie forderte eine bessere Datenlage und Maßnahmen, die die Menschen nachvollziehen können. Im Moment sei „die Verunsicherung in der Bevölkerung groß“.

Durch die teilweise unterschiedliche Auslegung der Vorgaben des Gesundheitsministeriums durch die Länder sei die Interpretation der Daten erschwert worden. So gelinge es nicht, im EMS zu erfassen, wie sich der gesundheitliche Zustand eines Infizierten samt etwaiger Hospitalisierung und Genesung im Zeitverlauf entfaltet, zumal keine Schnittstellen zu den IT-Systemen der Krankenanstalten bestehen.

EMS soll weiterentwickelt werden

„Die Anwendung des EMS auf die Covid-19-Pandemie blieb in einigen Punkten unklar, insbesondere hinsichtlich des Monitorings der Absonderungsmaßnahmen und der Krankheitsverläufe.“ Die Länder setzten das bundesweit einheitliche Epidemiegesetz durch unterschiedliche Arbeitsabläufe und IT-Instrumente um, so der RH weiter. Die Länder legten teilweise die Vorgaben aus dem Gesundheitsministeriums unterschiedlich aus. „Das erschwerte die Interpretation der resultierenden Daten.“

Der Rechnungshof empfiehlt die Weiterentwicklung des EMS insbesondere in Hinblick auf die Dokumentation von Krankheitsverläufen und das Monitoring von Absonderungsmaßnahmen und die Verpflichtung zur Eintragung. Zudem sollen Länder und Bund ihre Datenerhebungen vereinheitlichen und synchronisieren. Weiters sollen Vorgaben für die Bevorratung von Schutzausrüstung und medizinischen Geräten geschaffen werden.