Skyline von New York mit dem UNO-Hauptquartier
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New York

Auftakt zu UNO-Generaldebatte

Unter strengen Pandemieauflagen erfolgt am Dienstag der Startschuss für die UNO-Generaldebatte. Zu dem einwöchigen diplomatischen Spitzentreffen im Rahmen der UNO-Vollversammlung zu einer Vielzahl an Themen sind Dutzende Staats- und Regierungschefs zum UNO-Hauptquartier gereist – aufgrund der Pandemie sind allerdings zahlreiche andere erneut nur online dabei.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Sebastian Kurz und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) vertreten Österreich an Ort und Stelle. Zwar konnte eine Impfpflicht für alle Teilnehmenden an dem Ereignis am Hauptquartier am East River in New York nicht durchgesetzt werden, doch gelten strenge Zugangsbeschränkungen und Maskenpflicht.

Kurz ortete nach der pandemiebedingten Pause im Vorjahr „Schritte zurück in die Normalität“. Traditionell werden das Staatsoberhaupt von Brasilien, also aktuell der ultrarechte und impfskeptische Präsident Jair Bolsonaro, UNO-Generalsekretär Antonio Guterres und US-Präsident Joe Biden Reden halten. Mindestens 83 Staats- und Regierungschefs haben sich angesagt, hieß es aus UNO-Kreisen.

Kurz: „Impfstoff ungleich verteilt“

Für Kurz zeigt das aber auch, „dass Impfstoff ungleich verteilt“ sei. In Europa und den USA sei die „Durchimpfungsrate“ sehr hoch, argumentierte der Kanzler. Für „weite Teile der Welt“ gelte das aber nicht. „Das sollten wir uns ins Bewusstsein rufen“, meinte Kurz auch in Richtung Impfskeptiker. Menschen in anderen Ländern würden sich eine Lage wie in Europa oder Österreich herbeisehnen, wo „sich jeder, der sich impfen lassen will, auch impfen lassen kann“.

Österreich stellt weltweit Impfstoffspenden in Höhe von zwei Millionen bilateral zur Verfügung sowie um die 650.000 für die Covax-Initiative der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) kritisierte in diesem Zusammenhang, Österreich sei eines jener Länder, die sich „mutlos im Finden von Lösungen bei der Impfstoffverteilung gezeigt“ hätten „und lediglich Almosen zu vergeben gewillt“ seien.

Vorwurf des „Impfstoffnationalismus“ an Österreich

„Statt bilaterale Spenden von Impfdosen abzugeben, die PR-wirksame Bilder ermöglichen, wäre es wichtiger, diese bedarfsorientiert und über einen wirksamen Verteilungsmechanismus zu verteilen, die sicherstellen, dass diejenigen die Impfstoffe erhalten, die sie am dringendsten benötigen. Bisher reiht sich Österreich in die Gruppe der Länder ein, die Impfstoffdiplomatie oder gar Impfstoffnationalismus betreiben“, warf Marcus Bachmann, humanitärer Berater von MSF, der Regierung vor.

Außerdem kritisierte die Organisation die bisherige „Blockadehaltung“ Österreichs in Hinblick auf Impfstoffpatente und forderte, geistige Eigentumsrechte auf Arzneien und Impfstoffe gegen CoV während der Pandemie auszusetzen. Van der Bellen gab in New York ebenfalls zu bedenken, dass vor allem „in den Ländern des globalen Südens“ zu wenig Impfstoff vorhanden sei. Diese Ungleichheit werde wohl auch UNO-Generalsekretär Guterres in seiner Rede ansprechen, vermutete Van der Bellen.

Bundespräsident Alexander Van der Bellenim Gespräch mit dem ghanesischen Präsidenten Nana Addo Dankwa Akufo-Addo
APA/Bundesheer/Peter Lechner
Van der Bellen im Gespräch mit dem ghanaischen Präsidenten Nana Addo Dankwa Akufo-Addo

Guterres fordert mehr internationales Engagement

Zum Auftakt der Generaldebatte forderte der UNO-Generalsekretär die internationale Gemeinschaft zu mehr Engagement im Kampf gegen die Klimakrise und die Pandemie auf. „Ich bin hier, um Alarm zu schlagen: Die Welt muss aufwachen“, sagte Guterres. „Wir stehen am Rande des Abgrunds und bewegen uns in die falsche Richtung. Unsere Welt war noch nie in größerer Gefahr und noch nie gespaltener. Wir stehen vor der größten Kaskade von Krise unserer Lebenszeit.“

Die ungleiche Verteilung von Impfstoff gegen das Coronavirus bezeichnete Guterres als „Obszönität“. „Eine Mehrheit der reicheren Welt ist geimpft. Aber mehr als 90 Prozent der Afrikaner warten immer noch auf ihre erste Dosis. Das ist eine moralische Anklage des Zustands unserer Welt“, sagte Guterres. „Wir haben den Wissenschaftstest bestanden. Aber in Ethik sind wir durchgefallen.“

Die Welt stehe angesichts von Krisen wie der Pandemie und des Klimawandels nicht genügend zusammen, beklagte der UNO-Chef. „Anstelle von Demut angesichts dieser epischen Herausforderungen sehen wir Anmaßung. Anstelle des Wegs der Solidarität sind wir in einer Sackgasse der Zerstörung.“ Trotzdem habe er noch Hoffnung, sagte Guterres weiter. „Die Probleme, die wir geschaffen haben, sind Probleme, die wir lösen können. Die Menschheit hat gezeigt, dass wir große Dinge erreichen können, wenn wir zusammenarbeiten.“

Bilaterale Termine zu mehreren Themen

„Mit der österreichischen Teilnahme unterstützen wir auch die Bedeutung der UNO als Weltbühne der Außenpolitik“, betonte der Bundespräsident im Vorfeld. Internationale Zusammenarbeit sei gerade „für ein neutrales und vergleichsweise kleines Land wie Österreich von besonderer Bedeutung“. Für Österreichs Staatsspitze stehen daher in New York auch bilaterale Gespräche und Termine zu den Themen Afghanistan, Pandemie und Klimaschutz auf dem Programm.

Neben der Pandemie und Afghanistan werden auch bei der UNO-Generaldebatte aktuelle Krisenherde wie das wegen internationaler Hegemonieansprüche gespannte Verhältnis zwischen den USA und China aufs Tapet kommen, waren sich Van der Bellen und Kurz einig. Außenminister Schallenberg fügte hinzu, dass „in der Pandemie Sand ins außenpolitische Getriebe“ gekommen sei. Persönliche Kontakte seien „schmerzlich abgegangen“. Die Pandemie sei ein „Brandbeschleuniger“ internationaler Konflikte.

Schallenberg spricht von „Dauerbrenner Nahost“

Europa sei derzeit von einem „Feuerring“ an Krisen umgeben, meinte der Außenminister und nannte namentlich den Bergkarabach-Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan, Belarus, Afghanistan und den „Dauerbrenner Nahost“. Daher werde er in den kommenden Tagen in New York mit mehreren Amtskollegen, etwa aus Libyen, Pakistan, Tunesien, Armenien, Katar und dem Iran, über diese Themen sprechen, so Schallenberg.

Am Dienstagnachmittag (Ortszeit) veranstalten Kurz und Schallenberg daher einen „Round Table“ zu Afghanistan. Bei dem Meeting in der Ständigen Vertretung Österreichs bei der UNO sollen vor allem die dramatische humanitäre Situation und die Lage bei den Frauen- und Menschenrechten zur Sprache kommen.

An dem Treffen nimmt auch die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen teil. Frederiksen ist Sozialdemokratin, vertritt aber ähnlich wie die Bundesregierung in Österreich eine harte Haltung in Asyl- und Migrationsfragen.

Weitere EU-Außenminister kommen

Zudem haben weitere Außenminister aus der EU sowie aus Nachbarländern Afghanistans und aus der Region ihr Kommen zugesagt. Erwartet werden etwa die Chefdiplomaten von Katar, Tadschikistan, Kasachstan, Tschechien und Griechenland sowie Vertreter internationaler Organisationen wie UNO-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi. Die humanitäre Lage in Afghanistan sei „dramatisch“, wurde von österreichischer Seite im Vorfeld betont.

"Die UNO und die internationale Staatengemeinschaft dürfen angesichts der dramatischen Entwicklungen in Afghanistan nicht tatenlos zusehen und müssen mehr unternehmen für den Schutz von Menschen- und Frauenrechten“, ließ Kurz wissen. „Denn Frauen und Mädchen haben ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben ohne Furcht vor Gewalt und jegliche Form der Diskriminierung, gerade in Ländern wie Afghanistan.“ Angesichts der Herausforderungen scheue sich Österreich nicht, „hier Verantwortung zu übernehmen“, so Schallenberg.

Hilfe „vor Ort“

Österreich helfe „vor Ort“ mit einem Hilfspaket in der Höhe von 20 Mio. Euro für UNHCR (Flüchtlingshochkommissariat), UN-Women, WFP (World Food Programme) und IKRK (Internationales Komitee vom Roten Kreuz), hielt der Minister fest. „Dabei legen wir einen besonderen Fokus auf Frauen und Mädchen. Gleichzeitig muss auch klar sein, dass weder Österreich noch die EU die Herausforderungen alleine meistern wird können“, so Schallenberg.

Auch andere EU-Außenminister beschäftigten sich am Montag im Rahmen der UNO-Vollversammlung mit dem Thema. Nach der Sitzung in der österreichischen Vertretung in New York ist am späteren Dienstagnachmittag zudem ein weiterer runder Tisch der EU zum Thema „Women in Conflict“ geplant, bei dem Schallenberg ebenfalls dabei sein soll. Für ihn, aber auch für den Bundespräsidenten und den Bundeskanzler sind zudem weitere bilaterale Termine geplant.