Joe Biden
AP/Evan Vucci
UNO-Generaldebatte

„USA wollen keinen neuen Kalten Krieg“

Zum Auftakt der Generaldebatte der UNO-Vollversammlung ist der wachsende Konflikt zwischen den USA und China im Fokus gestanden. US-Präsident Joe Biden versicherte bei seiner Rede, keinen „neuen Kalten Krieg“ mit China anzustreben. Die USA seien zwar bereit zu einem „Wettbewerb“ mit anderen Nationen, würden aber keinen „neuen Kalten Krieg oder eine in starre Blöcke geteilte Welt“ wollen.

Generell sicherte Biden den Partnern der USA bei seiner ersten Rede vor der UNO-Vollversammlung als US-Präsident seinen Willen zur Zusammenarbeit zu. „Unsere Sicherheit, unser Wohlstand und unsere Freiheiten sind in meinen Augen so sehr miteinander verbunden wie nie zuvor“, sagte Biden in seiner Rede. „Deswegen müssen wir zusammenarbeiten wie nie zuvor.“

Die großen Mächte der Welt hätten die Verantwortung, ihre internationalen Beziehungen achtsam zu gestalten, betonte Biden. „Also kippen wir nicht von einem verantwortungsvollen Wettbewerb in einen Konflikt.“ Der US-Präsident nannte China dabei nicht explizit. Biden stellte aber klar, die USA seien für harten Wettbewerb bereit, träten für Partner und Verbündete ein, und stellten sich allen Versuchen stärkerer Länder entgegen, schwächere Länder zu dominieren.

Joe Biden
AP/Evan Vucci
Das Plenum während Bidens Rede

Bidens Regierung räumt China eine herausgehobene Stellung in ihrer Außenpolitik ein: Der US-Präsident betrachtet die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt als mächtigsten Konkurrenten und geopolitische Herausforderung Nummer eins. Der chinesische Präsident Xi Jinping sollte noch im Laufe des Tages (Ortszeit) per Video vor der UNO-Generalversammlung sprechen.

„Neue Ära der unerbittlichen Diplomatie“

Seine umstrittene Entscheidung zum Abzug aus Afghanistan stellte Biden als Start einer neuen Ära der Diplomatie statt militärischer Interventionen dar. „Während wir diese Zeit des unerbittlichen Krieges beenden, eröffnen wir eine neue Ära der unerbittlichen Diplomatie“, sagte Biden mit Blick auf Afghanistan. Militärische Gewalt müsse lediglich als letztes Mittel genutzt werden. Entsprechend bekannte er sich auch zum Ziel einer Rückkehr zum Atomdeal mit dem Iran. „Wir sind bereit, zu einer vollständigen Einhaltung zurückzukehren, wenn der Iran dasselbe tut“, sagte er.

„Die Autoritären der Welt mögen versuchen, das Ende des Zeitalters der Demokratie zu verkünden, aber sie haben unrecht“, sagte er. „Die Wahrheit ist, die demokratische Welt ist überall.“ Biden erwähnte Antikorruptionsaktivisten, Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Friedensdemonstranten in Myanmar, Syrien, Kuba oder Venezuela. Die Zukunft gehöre jenen Anführern, die ihr Volk frei atmen ließen, statt es „mit eiserner Hand“ zu ersticken.

Xi bekennt sich zur Zusammenarbeit

Chinas Staatschef Xi Jinping betonte in seiner Rede die Wichtigkeit internationaler Zusammenarbeit. „Unterschiede und Probleme zwischen Ländern, welche kaum vermeidbar sind, müssen durch Dialog und Zusammenarbeit auf der Grundlage von Gleichberechtigung und gegenseitigem Respekt behandelt werden“, sagte Xi.

Dialog und Inklusion müssten statt Konfrontation und Ausgrenzung angestrebt werden. Xis Rede wurde aufgezeichnet und bei der UNO-Generalversammlung abgespielt. Somit konnte Chinas Staatschef auch nicht auf Bidens Rede antworten.

Kurz begrüßte Bidens Ansagen

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigte sich nach der Rede von Biden erfreut, dass die „USA ein klares Commitment zum Multilateralismus“ abgegeben haben. Kurz lobte, dass Biden Signale zur „internationalen Zusammenarbeit“ gegeben habe. Die Notwendigkeit zur internationalen Kooperation „wird eher mehr als weniger werden“, betonte Kurz. Auch in „Richtung China“ habe es eher versöhnliche Töne gegeben, so der Bundeskanzler.

Guterres: „Wir stehen am Rande des Abgrunds“

Vor Biden eröffnete UNO-Generalsekretär Antonio Guterres die Generaldebatte mit einem Aufruf zum Dialog und zur Verständigung. „Ich bin hier, um Alarm zu schlagen: Die Welt muss aufwachen“, sagte Guterres. „Wir stehen am Rande des Abgrunds und bewegen uns in die falsche Richtung. Unsere Welt war noch nie in größerer Gefahr und noch nie gespaltener. Wir stehen vor der größten Kaskade von Krisen unserer Lebenszeit.“

Er befürchte, dass sich die Welt in zwei Gruppen aufspalte „mit unterschiedlichen wirtschaftlichen, handelspolitischen, finanziellen und technologischen Regeln, unterschiedlichen Herangehensweisen bei der Entwicklung künstlicher Intelligenz – und letztlich zwei unterschiedlichen militärischen und geopolitischen Strategien“. Das sei „ein Rezept für Ärger“ und „deutlich weniger vorhersehbar als der Kalte Krieg“, warnte Guterres. Um Vertrauen wiederherzustellen, „brauchen wir Kooperation“.

Ungleiche Impfstoffverteilung „Obszönität“

Die ungleiche Verteilung von Impfstoff gegen das Coronavirus beispielsweise bezeichnete Guterres als „Obszönität“. „Eine Mehrheit der reicheren Welt ist geimpft. Aber mehr als 90 Prozent der Menschen in Afrika warten immer noch auf ihre erste Dosis. Das ist eine moralische Anklage des Zustands unserer Welt“, sagte Guterres. „Wir haben den Wissenschaftstest bestanden. Aber in Ethik sind wir durchgefallen.“

Antonio Guterres
Reuters/Timothy A. Clary
UNO-Chef Guterres schlug in Sachen Klimakrise mit drastischen Worten Alarm

Die Welt stehe angesichts von Pandemie und Klimawandel nicht genügend zusammen, beklagte der UNO-Chef. „Anstelle von Demut angesichts dieser epischen Herausforderungen sehen wir Anmaßung. Anstelle des Wegs der Solidarität sind wir in einer Sackgasse der Zerstörung.“ Trotzdem habe er noch Hoffnung, sagte Guterres weiter.

Bolsonaro verteidigte seine CoV-Politik

Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro verwunderte bei der Generaldebatte mit Aussagen über sein Vorgehen in der Coronavirus-Pandemie. „Wir verstehen nicht, warum viele Länder gegen diese Behandlung sind“, hob Bolsonaro etwa den vorbeugenden Einsatz von Medikamenten hervor, deren Wirksamkeit gegen das Coronavirus nicht nachgewiesen ist. Der ultrarechte Staatschef hat mehrmals betont, dass er selbst noch nicht gegen das Coronavirus geimpft ist.

Jair Bolsonaro
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Bolsonaro versprach, dass alle impfwilligen Brasilianer bis November eine Impfung erhalten

New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio schickte eine Botschaft an Bolsonaro, indem er sagte: „Man muss sich impfen lassen, wenn man hierherkommen will.“ Bei den Vereinten Nationen gilt das „Ehrensystem“: Wer das Gebäude in New York betritt, bestätigt damit etwa, in den zehn Tagen zuvor nicht positiv getestet worden zu sein.

Zugleich hob Bolsonaro, der zu Beginn seiner Rede eine Schutzmaske trug, jedoch hervor, wie seine Regierung im Kampf gegen die Pandemie vorangekommen sei. „Bis November wird jeder, der sich in Brasilien für eine Impfung entschieden hat, drankommen“, sagte er.